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aineias
AINEIAS Früher hieß er Aineia, später nannten man ihn Aineias. Verschiedene Schriftsteller nennen ihn auch Aeneias oder Aeneas. ….. Ein Dardaner, Sohn der Aphrodite und des Anchises 1, Gemahl der Kreusa 5, einer Tochter des Priamos. Sie hatten einen Sohn Askanios 4. Nach dem Tod der Kreusa beim Brand von Troia heiratete er in Italien Lavinia, die Tochter des Latinus. Ihre Kinder waren Ilia und Silvius. Auch Askanios 4 wird als ihr Sohn genannt. Alkimos nennt auch noch eine Tyrrhenia als seine Gattin; Romulus soll ihr Sohn gewesen sein und Alba, der Vater des Rhomus, ihr Enkel. ….. Bei Vergil ist Ares der göttliche Vater des Aineias (Bei den vielen Legenden die sich um die Entstehung der Stadt Rom ranken kannte die dichterische Phantasie, speziell bei den Genealogien, keine Grenzen.); Vergil Aeneis 3,18ff: „Opfer für Venus, meine Mutter, wollte ich bringen, auch für die Götter, die uns begünstigten, schließlich am Strande einen recht stattlichen Stier dem Fürsten der Himmlischen schlachten. Nahe der Stätte erhob sich ein Erdhaufen; buschartig wuchsen Kirschen darauf, dicht starrten, gleich Lanzen, auch Äste von Myrten. Näher trat ich heran, um grünende Zweige zu pflücken, wollte mit dichtbelaubtem Gesträuch die Altäre bedecken. Etwas Entsetzliches mußt ich da, wie ein Wunder, erblicken. Denn von dem Busch, den als ersten ich über dem Wurzelstock abbrach, perlten tiefdüstere Blutstropfen nieder und bildeten Flecke, eitriges Gift, auf dem Boden. Ein eisiger Schrecken durchzuckte schlagartig mich, vor Furcht gerann mir das Blut in den Adern. Weitre geschmeidige Ruten noch wollte, an anderer Stelle, ich aus dem Boden ziehen, des Erdreichs Geheimnisse lüften. Aber auch hier entquollen blutige Tropfen der Rinde. Sorgenvoll wandte ich flehend mich gleich an die Nymphen des Hügels wie an den Schutzherrn der getischen Fluren, den Vater Gradivus, gnädig das unheilverkündende Zeichen zum Segen zu wenden.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17610 (vgl. Vergil-W, S. 191 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Gradivus ist ein hauptsächlich in der Literatur vorkommender Name für Mars / Ares. ….. Zeus veranlasste, dass sich die Göttin Aphrodite in den schönen Hirten und sterblichen Menschen Anchises 1 verliebte, weil es ihm auf die Nerven ging, dass er von der Liebesgöttin wegen seinen Liebschaften mit sterblichen Frauen laufend verspottete wurde. Anchises war nach des Tages Mühe und Plage entzückt als die Göttin bei einbrechender Dunkelheit in der Form von etwa Marilyn Monroe seine karge Hütte betrat und wollte mit ihr sofort in das Bett – natürlich hatte die Göttin der Liebe nichts dagegen. Nach einer wunderschönen, göttlich dreifach verlängerten Nacht war Anchises leicht ermattet und tieftraurig. Beim Sonnenaufgang hatte ihm die Schöne in das Ohr geflüstert wer sie wirklich ist. Aber Aphrodite tröstete ihn - sie offenbarte ihm, dass er Vater eines Sohnes Aineias werde, nur dürfe er keinem Menschen sagen wer die Mutter ist. Homerische Hymnen, Hymne auf Aphrodite: "Niemals würde ich dir im Kreis der unsterblichen Götter solche Unsterblichkeit, solch ein ewiges Leben verschaffen! Ganz im Gegenteil, wenn du lebtest, so stattlich und kraftvoll, und man dich priese als meinen Gemahl, so sollte doch schwerlich bitterer Schmerz mich umdüstern; ich plane ja klug und bedachtsam. Bald überschattet dich das böse, grausame Alter, das erbarmungslose, das allen Menschen bevorsteht, aufreibend, heillos – vor ihm empfinden die Sterblichen Abscheu. Aber mich selber erwartet um deinetwillen nur schwere Schande im Kreis der seligen Götter, für ewige Zeiten: Zitterten sie doch früher vor meinem schmeichlerisch falschen Kosen, wodurch ich unsterbliche Götter mit sterblichen Frauen paarte; denn meine Gedanken und Wünsche bezwangen sie alle. Nie mehr kann ich jetzt im Kreis der unsterblichen Götter darüber prahlend sprechen, da ich starker Verblendung, furchtbarer, tadelnswerter, anheimfiel, mich schmählich verirrte, ich ein Kind bekam von einem sterblichen Manne! Aber sobald der Knabe die Augen zum Sonnenlicht aufschlägt, werden vollbusige, bergdurchschweifende Nymphen ihn nähren; hier in dem heiligen, hohen Gebirge sind sie zu Hause, weder den sterblichen Menschen gehören sie an noch den Göttern. Lange währt ihr Leben, sie essen ambrosische Speise, unter den Göttern tummeln sie sich in herrlichem Reigen. Mit den Silenen und dem scharfspähenden Töter des Argos treiben sie Liebesspiele im Innern bezaubernder Grotten. Werden die Nymphen geboren, entsprießen dem fruchtbaren Boden gleichzeitig Tannen und Eichen mit stolzen, ragenden Wipfeln tief im hohen Gebirge, herrliche, grünende Bäume. Mächtig ragen sie auf, man nennt sie Haine der Götter. Niemals fällen Sterbliche sie mit Beilen und Äxten. Aber sobald die Schicksalsstunde des Todes herannaht, müssen zuerst am Boden die herrlichen Bäume verdorren, schrumpft um den Stamm die Rinde, brechen die Äste hernieder, weicht auch das Leben der Nymphen schließlich vom Lichte der Sonne. Diese werden mein Kind übernehmen und sorgfältig nähren. Zieht für den Jungen herauf die Zeit der lieblichen Jugend, werden die Nymphen ihn zuführen dir, ihn deutlich dir zeigen. Aber ich selber – nimm das, bitte, gründlich zur Kenntnis! – werde den Knaben im fünften Lebensjahre dir bringen. Hast du den blühenden Sproß vor Augen, so wird dich sein Anblick herzlich freuen; gleichen wird er an Schönheit den Göttern. Führe den Knaben sofort ins windumfächelte Troja! Sollte dir einer der sterblichen Menschen die Frage dann stellen, welche Mutter von dir den teuren Jungen empfangen, gib ihm zur Antwort, was ich dir wörtlich einschärfen möchte: 'Er entstammt, so erzählt man, einer der rosigen Nymphen, die in dem hohen, waldbedeckten Gebirge hier wohnen.' Plauderst du aus und prahlst noch töricht, du hättest in Liebe dich Kythereia verbunden, der Göttin mit herrlichem Stirnband, wird der Kronide im Zorn mit flammendem Blitz dich erschlagen. Damit sei es genug. Beherzige treulich die Weisung, hüte die Zunge und scheue die schwere Rache der Götter!« Derart sprach sie und flog empor zum luftigen Himmel." [Anonyma: Homerische Hymnen. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 86 (vgl. Griech. Lyrik, S. 43) (c) Aufbau-Verlag http://www.digitale-bibliothek.de/band30.htm ] Nach Vergil und Ovid wurde Aineias aber von der Amme Caete / Cajeta ernährt und erzogen. Bereits als Junge hütete er, wie sein Vater, Schafe am Berg Ida. Am Beginn des troianischen Krieges wurde er von Achilleus vertrieben und musste nach Lyrnessos fliehen. Als Achilleus diese Stadt stürmte, entkam Aineias, als Dank für seine Frömmigkeit, mit göttlicher Hilfe. ….. Nach Homers Ilias: Als Teilnehmer am troianischen Krieg wird Aineias neben den Söhnen des Antenor Führer der Dardaner und zeichnet sich wiederholt durch Mut, Stärke und Tapferkeit aus. Wiederholt wird er aber von den Göttern vor dem Untergang bewahrt. Während des aussichtslosen Kampfes gegen Achilleus entführt ihn Poseidon und gibt dabei den Grund dafür bekannt; Homer Ilias 20.300ff: „Auf, wir wollen ihn gleich dem drohenden Tode entreißen, daß der Kronide nur ja nicht grollt, sofern jetzt Achilleus den Aineias erschlägt! Der muß den Krieg überleben: Nachkommen soll das Geschlecht des Dardanos haben und niemals spurlos verlöschen; den Dardanos liebte ja Zeus von den Kindern, die ihm sterbliche Frauen gebaren, weitaus am meisten. Heute bereits ist des Priamos Stamm verhaßt dem Kroniden; über die Troer soll weiterhin herrschen der starke Aineias, nach ihm die Kindeskinder, die seinem Geschlechte entsprossen.« Ihm gab Antwort die stieräugig blickende, würdige Hera: »Selber, du Erderschütterer, mußt du reiflich erwägen, ob du Aineias errettest oder den wackeren Helden hinsinken läßt vor den Fäusten des Peleussohnes Achilleus! Denke doch dran: Wir beide haben im Kreise der Götter vielfache Eide geleistet, ich und Pallas Athene, niemals die Troer zu schützen vor dem Tag des Verderbens, auch nicht, wenn Troja als Ganzes von gierigen Flammen verzehrt wird, gierigen Flammen es opfern die tapferen Söhne Achaias!« Als der Gott, der die Erde erschüttert, die Worte vernommen, eilte er, durch das Getümmel und durch den Hagel der Speere, dorthin, wo sich Aineias und der Pelide bekämpften. Ohne zu säumen, umwob er die Augen des Helden Achilleus tief mit Finsternis, zog die treffliche eherne Lanze aus dem Schilde des tapfren Aineias und legte sie nieder vor den Füßen des Peleussohnes, hob dann Aineias hoch vom Boden empor und ließ im Schwunge ihn fliegen. Über zahlreiche Reihen von Männern und Reihen von Rossen.“ [Homer: Ilias. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 5280 (vgl. Homer-W Bd. 1, S. 384 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Beim endgültigen Untergang von Troia flieht Aineias über den Auftrag seiner Mutter und des Geistes des Hektor aus der brennenden Stadt; Aeneis 2,587ff: „Solche Erwägungen stellte ich an und ließ mich von wildem Rachedurst hinreißen. Da erschien mir, ganz deutlich, die teure Mutter und leuchtete hell durch das Dunkel in lauterem Glanze, offen als Göttin, ganz wie sie die Himmlischen sehen in voller Größe und Kraft. Mit der Rechten ergriff sie mich, hemmte mein Schreiten, sprach dann zu mir aus jugendlich-rosigem Munde: 'Welch bittrer Unmut entfesselt, mein Sohn, so zügellos Rachegefühle? Bist du von Sinnen? Denkst du an uns, die Deinen, nicht länger? Willst du nicht lieber nach deinem vom Alter entkräfteten Vater ausschauen, nach Anchises? Nach deiner Gattin Krëusa, deinem Sohne Ascanius? Allseits von streifenden Kriegern Griechenlands sind sie umringt, und wenn ich nicht wachsam sie schützte, wären verbrannt sie oder von feindlichen Waffen durchbohrt schon. Nicht die dir bitter verhaßte Spartanerin Helena oder Paris, den man beschuldigt, nein, unbarmherzige Götter tilgten die phrygische Macht und stürzten Troja vom Gipfel. Schau nur - ich möchte sämtliche Wolken zerstreuen, die hemmend jetzt noch dein sterbliches Auge umwallen, mit fließendem Dunkel trüben den Blick; du brauchst nicht die Weisung der Mutter zu fürchten, sollst dich nicht weigern, ihren Befehlen Folge zu leisten: Hier, wo du Massen von Trümmern, aus Fugen gerissene Steine, wogenden Rauch und Staubschwaden siehst, erschüttert Neptunus mit dem gewaltigen Dreizack Mauern mitsamt Fundamenten, wühlt aus dem tiefsten Grunde hervor und zerschlägt die gesamte Festung. Dort hält die grimmige Juno das Westtor vor allen andern besetzt und ruft, mit dem Schwerte umgürtet, die Griechen wütend herbei von den Schiffen. Blicke jetzt dorthin: Da sitzt auf der Höhe des Burgfelsens Pallas, leuchtet hervor aus den Wolken, furchtbar geschützt von der Gorgo. Vater Jupiter selbst ermutigt und kräftigt die Griechen immer aufs neue und hetzt die Götter gegen die Teukrer. Fliehe aufs schnellste, mein Sohn, und kämpfe nicht länger! Ich bleibe immer bei dir und geleite dich sicher zum Hause des Vaters.' Damit verschwand sie im dichten Schatten der Nacht.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17596 (vgl. Vergil-W, S. 183 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Aeneis 2,286ff: „'Fliehe, du Sohn der Göttin, entzieh dich den drohenden Flammen! Feinde besetzen die Stadt, es stürzt von der Höhe schon Troja. Kämpfer genug verteidigten Heimat und Priamos. Könnten Fäuste Pergamon retten, es wäre gerettet durch meine. Troja vertraut dir sein Heiligstes an, das sind die Penaten. Nimm sie zu Schicksalsgefährten, zu ihrem Schutze errichte mächtige Mauern: Nach mancherlei Irrfahrten wirst du sie bauen!' Derart sprach er und trug mit den Händen aus heiligstem Raume Vesta, die Herrscherin, bindengeschmückt, und die ewige Flamme.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17579 (vgl. Vergil-W, S. 173) (c) Aufbau-Verlag] Durch die brennende Stadt eilt Aineias zu seinem Elternhaus, doch Anchises, sein Vater, will mit der Stadt sterben. Erst ein Zeichen des obersten Gottes bewegt ihn mit seinem Sohn und Enkel zu flüchten; Aeneis 2,682ff: „Derart flehend, erfüllte das Haus sie mit kläglichem Jammern. Aber da zeigte sich plötzlich ein kaum zu beschreibendes Wunder: Zwischen Gesichtern und Händen der traurigen Eltern ergoß sich über den Kopf des Iulus ein spitzes, leuchtendes Flämmchen, das man getrost zu berühren vermochte, da es nicht sengte. Dieses umspielte das zarte Haar und die Schläfen des Jungen. Angstvoll versuchten das Feuer wir aus den Haaren zu schütteln, wollten mit Wasser vom Quell den heiligen Flammenschein löschen. Aber mein Vater Anchises blickte empor zu den Sternen, freudig gestimmt, und betete, himmelwärts reckend die Hände: 'Jupiter, du, Allmächtiger, kann ein Gebet dich erweichen, schaue auf uns - wir erflehen nicht mehr -, und sollte es unsre Treue verdienen, bestätige uns durch ein Zeichen die Gnade!' Gleich nach den Worten des Greises erscholl ein donnerndes Krachen plötzlich zur Linken, und eine aufblitzende Sternschnuppe sprühte hell durch das Dunkel und glitt vom Himmel zur Erde hernieder. Über den Dachgiebel sahen wir deutlich sie ziehen und schließlich leuchtend im Walde am Ida versinken, Zeugen des ganzen Weges, den sie genommen; denn über die Bahn hin erstreckte lang sich ein feuriger Schweif, und Schwefeldampf wogte im Umkreis. Fest überzeugt war nunmehr der Vater, erhob sich, die Augen aufwärts gerichtet, und flehte zum heiligen Stern und den Göttern: 'Länger nicht säume ich, Götter der Väter. Ich folge euch treulich, wohin ihr immer mich führt. Bewahret das Haus und den Enkel! Ihr entsandtet dies Zeichen, ihr lenkt Trojas Geschicke. Nachgeben will ich, mein Sohn, und dich ohne Sträuben begleiten.' Derart sprach er. Schon stärker dröhnte das Sausen der Flammen dumpf durch die Wände, die Feuersbrunst wälzte den Gluthauch noch näher. 'Gehen wir, lieber Vater; laß auf den Rücken dich heben. Hier, ich beuge die Schultern, mich drückt nicht die teuere Bürde. Wie auch das Schicksal sich wende, wir meistern gemeinsam Gefahren, freuen zu zweit uns der Rettung. Der kleine Iulus begleite mich, und in einigem Abstand möge die Gattin uns folgen. Diener, beachtet genau die Weisung, die euch ich erteile: Wenn man die Festung verläßt, so stößt man auf eine Erhöhung; darauf erhebt sich ein uralter Tempel der 'Einsamen Ceres', neben ihm eine geweihte Zypresse, seit Zeiten der Ahnen treulich verehrt und gepflegt. Dort wollen wir uns aus verschiednen Richtungen treffen. Nimm, Vater, das Kultgerät samt den Penaten! Ich, nach dem gräßlichen Kampfe, noch frisch besudelt vom Blute, darf sie nicht anrühren, ehe ich mich in fließendem Wasser reinwaschen konnte.' Derart sprach ich, breitete über Nacken und starke Schultern mir eine Decke, ein bräunliches Löwenfell gleichfalls, bückte mich unter die Last dann; der kleine Iulus erfaßte kräftig die Rechte mir, folgte dem Vater mit trippelnden Schritten. Hinter uns ging Krëusa. …“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17601 (vgl. Vergil-W, S. 186 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Auf den Schultern trägt er seinen alten Vater Anchises, an der Hand führt er seinen kleinen Sohn Ascanius aus der brennenden Stadt (Dargestellt von Raffael in den Stanzen des Vatikans.). Als er feststellt, dass seine Frau Kreusa fehlt, eilt er in die Stadt zurück und sucht sie verzweifelt. Sie erscheint ihm als Schatten aus dem Feuer, fordert ihn auf sich in einem anderen Land neu zu verheiraten und ein neues Königreich zu gründen. Aphrodite erscheint und entrückt Kreusa; Aeneis 2,729ff: „Nahe schon war ich dem Tor, und ich hoffte, die Strecke im ganzen sicher durchmessen zu haben. Da schlug mir Getrappel von Schritten plötzlich ans Ohr, und mein Vater, bemüht, das Dunkel mit seinem Blick zu durchdringen, mahnte mich laut: 'Da kommen sie! Fliehe, fliehe, mein Sohn! Da funkelt die Bronze, da glänzen die Schilde!' Was für ein feindlicher Gott mir in meiner Verwirrung an dieser Stelle den Rest der Besonnenheit raubte, das weiß ich nicht. Laufend wich ich vom Wege, verließ die bekannte Richtung. Indessen aber entriß mir das Schicksal, mir Elendem, grausam die Gattin. Machte sie halt, verlief sie sich, mußte ermattet sie rasten? Niemals erfuhr ich den Hergang, niemals auch sah ich sie wieder, merkte auch erst den Verlust und dachte zurück an die Teure, als wir beim Hügel, der heiligen Stätte der uralten Ceres, angelangt waren. Hier sammelten sich die Getreuen. Krëusa fehlte, vom Gatten, vom Sohn nicht bemerkt und von keinem der andern. Außer mir war ich und wälzte die Schuld auf Menschen und Götter, sah in dem Vorfall den grausamsten Schlag beim Untergang Trojas. Meinen Gefährten vertraute Iulus ich an und den Vater samt den Penaten und hieß sie im Talgrund in Sicherheit bringen, kehrte dann selber, mit blanker Waffe, zurück in die Festung, wollte aufs neue ins Unglück mich stürzen, ganz Troja durchstreifen, wollte zum zweiten Male die Stirn den Wagnissen bieten. Bis zu den Mauern gelangte ich erst und zum düsteren Tore, dort, wo die Stadt ich verließ, und verfolgte quer durch das Dunkel die hinterlassenen Spuren genau, hielt angespannt Umschau. Überall lauerte Schrecken, auch Stille jagte mir Furcht ein. Dann begab ich nach Hause mich; hatte Krëusa vielleicht sich dorthin gewandt? Erstürmt und besetzt von den Danaern alles! Gierig schon fraß sich das Feuer zum oberen Teil des Gebäudes, über den Dachfirst züngelten Flammen, hoch stoben die Funken. Weiter gelangte ich dann zum Priamosschloß und zur Stadtburg. In den verödeten Hallen der Juno - einst heiliger Freistatt! - walteten Phoinix bereits und der schlimme Odysseus als Wächter sämtlicher Beutestücke. Man hatte die troischen Schätze Tempeln entrafft und hierher zusammengetragen, geweihte Tische der Götter, vergoldete Mischkrüge, schöne Gewebe. Kinder und schreckenverstörte Mütter standen, zu langen Zügen gereiht, ringsumher. Schließlich wagte sogar ich laut durch das Dunkel zu rufen, ließ durch die Straßen tieftraurig den Namen Krëusas erschallen und wiederholte ihn immer aufs neue, doch ohne Ergebnis. Während ich zwischen den Häusern umsonst, wie von Sinnen, sie suchte, trat mir Krëusa als Bildnis des Unglücks, als Schatten, ganz plötzlich klar vor die Augen, größer, als ich sie im Leben einst kannte. Starr vor Entsetzen stand ich, mir sträubte das Haar sich, die Stimme stockte. Da sprach sie mich an und benahm mir Schrecken und Sorge: 'Warum, mein teurer Gefährte, ergibst du dich derart verzweifelt grundlosem Schmerze? Nicht ohne das Wirken der Götter vollzog sich alles Geschehene. Weder das Schicksal noch Jupiter, Herrscher hoch im Olympus, gestatten, daß dich Krëusa begleitet. Lange Zeit heimatlos, wirst du weithin die Meere durchfurchen. Auch nach Hesperien wirst du gelangen. Der lydische Tiber windet sich dort gemächlich voran durch fruchtbare Fluren. Dort erringst du dir Glück, ein Königreich, eine Gemahlin fürstlichen Stammes. Beweine nicht deine geliebte Krëusa! Keinen stolzen Palast bei den Dolopern und Myrmidonen werde ich sehen, nicht griechische Mütter als Sklavin bedienen, ich, als Dardanerin, Schwiegertochter der göttlichen Venus. Nein, hierzulande behält mich die mächtige Mutter der Götter. Lebe jetzt wohl, bewahr dir die Liebe zu unserem Jungen!' Vieles noch wollte ich, unter Tränen, zur Antwort ihr sagen, doch sie verließ mich, entwich und löste sich auf in die Lüfte.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17604 (vgl. Vergil-W, S. 187 ff.) (c) Aufbau-Verlag] …. Jene Troierinnen und Troier, denen mit Aineias die Flucht gelang, zogen südlich von Troia zur Küste, bauten Schiffe, verließen ihre Heimat und segelten zur Insel Delos. Dort weissagte ihnen Apollon ihre Zukunft; Aeneis 3,77ff: „Innig geliebt von der Gattin des Nereus sowie von Neptunus, Herrn der Ägäis, erhebt sich im Meere ein heiliges Eiland. Ehemals trieb es von Küste zu Küste. Der Meister des Bogens gab ihm dann Halt am Gýaros und am hohen Mykonos, machte, zum Dank, es bewohnbar und sicher vor stürmischen Winden. Dorthin steuerten wir; die Insel empfing uns Erschöpfte freundlich in sicherem Hafen. Wir grüßten voll Ehrfurcht Apollos Tempel an Land. Und Anios, König, zugleich auch des Gottes Priester, kam uns entgegen, mit Bändern und heiligem Lorbeer festlich umkränzt; er kannte von früher Anchises als Gastfreund. Herzlich schüttelten wir uns die Hand und betraten die Wohnstatt. Inständig betete ich vor dem uralten Tempel Apollos: 'Schenke, Thymbräer, uns eine Heimat! Schenk uns Erschöpften Mauern und Kinder und sichere Bleibe! Behüte ein neues Ilion, das den Hellenen entrann und dem wilden Achilles! Nenne den Führer, das Ziel uns, den Ort, wo wir Häuser uns bauen! Gib uns ein Zeichen, Vater, ermutige, stärke uns, bitte!' Derart betete ich. Ein Erdbeben folgte den Worten. Tempel und Lorbeerwäldchen des Gottes, das nahe Gebirge wankten, das Heiligtum öffnete sich, das Orakel erdröhnte. Nieder zu Boden warfen wir uns und lauschten den Worten: 'Unglückgestählte Trojaner, das Land, das ehemals eure Ahnen hervorbrachte, wird euch an üppiger Mutterbrust wieder freundlich empfangen. Auf, suchet die Mutter der Vorfahren! Über sämtliche Länder gebietet von dort einst der Stamm des Aeneas, Kinder und Enkel desgleichen und deren Nachkommen alle!' Dieses Orakel erregte einen gewaltigen Ausbruch lärmender Freude, und jeder wollte den Namen des Landes wissen, das Phöbus uns Heimatlosen zur 'Heimkehr' empfohlen.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17613 (vgl. Vergil-W, S. 193 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Anchises, der alte Vater, glaubte Kreta als die von Apollon genannte Urheimat der Troianer. Man ging in Kreta an Land, nahm es in Besitz, baute Häuser, die Jugend verheiratete sich wieder und freute sich , dass man nach vielen Entbehrungen endlich in Frieden leben konnte. Als aber eine furchtbare Seuche ausbrach, viele dahingerafft wurden und die Menschen verzweifelten, wollte Anchises zurück nach Delos um Apollon nochmals zu befragen. In der Nacht aber erschienen Aineias die Penaten; Aeneis 3,146ff: „Tief in der Nacht - der Schlaf hielt alle Geschöpfe umfangen - traten mir heilige Göttergestalten, die Phrygerpenaten, die ich aus Trojas lodernden Flammen mitgebracht hatte, deutlich vor Augen. Ich sah sie im Schlaf unverkennbar vor meiner Lagerstatt stehen, in hellem Licht, auf der Seite des Zimmers, die, durch die Öffnung der Fenster, im Scheine des Vollmondes glänzte. Meine Sorgen benahmen sie mir mit folgenden Worten: 'Was dir Apollo, kämst du nach Delos, mitteilen würde, läßt er durch uns dir ausrichten, hier, in deiner Behausung. Wir, die durch Trojas Flammen, durch blutige Kämpfe dir folgten, die wir in deiner Obhut die wogenden Fluten durchquerten, werden auch deine Enkel einst unter die Sterne versetzen, deiner Stadt die Weltherrschaft geben. Mächtige Mauern baue für mächtige Herrscher und trag die Strapazen der Irrfahrt! Weiter noch müßt ihr ziehen. Apollo von Delos erteilte dir nicht den Rat, an diesem Gestade, auf Kreta, zu siedeln. Nein, es erstreckt sich ein uraltes Land, das die Griechen Hesperien nennen, gewaltig im Kampfe, gesegnet mit fruchtbarem Boden, von den Oinotrern bewohnt. Die Nachkommen sollen es heute, nach dem Namen des Herrschers, als Italien bezeichnen. Dieses Gebiet ist unser. Dárdanos ward hier geboren, Vater Iasios auch, der Urahn unsres Geschlechtes. Auf, überbringe voll froher Zuversicht deinem betagten Vater die klare Weisung: Nach Kórythos möge er streben, in Ausonien. Jupiter gibt dir auf Kreta kein Wohnrecht.' [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17617 (vgl. Vergil-W, S. 195 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ……. Einschub: Vergil macht hier einen der elegantesten Schachzüge die ein Schriftsteller je gemacht hat. Denn mit dieser erfundenen Abstammung des Aineias von einem legendären etruskisch / römischen König der Frühzeit war die Ankunft des Aineias in Latium und die Machtergreifung nicht kriegerische Eroberung, sondern Rückkehr eines Königs und Einsetzung in seine ererbten Rechte - sechs Generationen später (Zeus/Elektra – Dardanos – Erichthonios 2 – Tros – Assarakos – Kapys 1 – Anchises 1/Aphrodite – Aineias). Als Beweis brachte er die Palladien, die Zeichen der königlichen Macht mit. Mit dem gleichen genealogischen Trick arbeitete Appianos, Illyrica 2: Bei ihm ist Dardanos der Sohn des Illyros 5, des Eponymos der illyrischen Dardaner. Illyros, der Sohn der Nereide Galateia und des Polyphemos, wanderte mit seinen Brüdern Keltos (die Kelten) und Gaulos (die Gallier) aus der Heimat Sizilien aus und hatte als Söhne Encheleus, Autarieus, Dardanos, Maidos, Taulas und Perrhhaibos und die Töchter Dassaro und Daortho; alle Eponyme von illyrischen Volksstämmen 2. Den Illyrossohn Dardanos ließ er über Samothrake in die Tros auswandern und zum Stammvater der Dardaniden werden. Damit wird die Flucht des Aineias, eines Nachkommen des Dardanos, aus dem brennenden Troia zur Heimkehr eines verlorenen Sohnes verwandelt. Natürlich konnte Aineias damit als Nachkomme des Gottes Poseidon (Poseidon – Polyphemos – Illyros – Dardanos – Erichthonios – Tros – Assarakos – Kapys – Anchises / Aphrodie – Aineias) einen Machtanspruch erheben, genau so, wie alle katholischen Könige von Frankreich seit Chlodwig I und römischen Kaiser seit dem 25. 12. 8oo bis 1806 und die österreichischen Kaiser von 1804 bis zum 11.11.1918 ihren Machtanspruch vom christlichen Gott, der sich ja seinerseits wieder aus einem der vielen Belos / Baal entwickelte, abgeleitet haben. …… Auf seiner Irrfahrt gelangt Aineias nach einigen Zwischenstationen mit seinen Gefolgsleuten an die Westküste Siziliens. Dort starb sein Vater Anchises. Sie bestatteten ihn in Lilybaeum und segelten weiter auf de Suche nach ihrem gelobten Italien. Bei einem fürchterlichen Sturm wurden seine Schiffe bis nach Karthago verschlagen. Die Königin von Karthago, Dido, empfing die Schiffbrüchigen mit aller Freundlichkeit und gab ihnen die Möglichkeit der Erholung. Bei einem Fest zur Ehre der Gäste erkannte sie Aineias als den berühmten Sohn der Göttin Venus. Entsprechend dem Willen der Göttin verliebte sich Dido heftig in Aineias; Aeneis 4,1ff: „Aber die Königin, längst schon von heißem Verlangen gepeinigt, nährte im Innern den Schmerz und schmolz an heimlichen Flammen. Immer aufs neue beeindruckten sie die Taten, die hohe Abstammung ihres Gastes. Tief eingeprägt waren ihr seine Miene, sein Wort, und ihr Sehnen verwehrte ihr, friedlich zu schlummern.“ Aber auch Juno, die große Feindin des Aineias, die die Ankunft des Aineias in Italien mit allen Mitteln verhindern wollte, spielte ihr Ränkespiel; Aeneis 4,88ff: „Juno, die teure Gemahlin Jupiters, sah, wie die Fürstin Qualen erlitt, wie ihr Sehnen nicht einmal die Nachrede scheute. Ohne zu säumen, richtete sie an Venus die Worte: »Wirklich, glänzenden Ruhm und reiche Beute gewinnt ihr, du und dein Sprößling; eine recht hohe, denkwürdige Ehre, wenn zwei Götter durch List ein einzelnes Weib überwinden! Doch ich durchschaue sehr wohl, daß aus Furcht vor unseren Mauern du die erhabene Stätte Karthagos heftig beargwöhnst. Aber wie endet der Streit? Wozu noch mit Anstrengung kämpfen? Wollen wir jetzt nicht lieber ewigen Frieden und einen Ehebund stiften? Besitzt du doch, was du nach Kräften erstrebtest: Dido entbrannte in Liebe, verfiel der Leidenschaft völlig. Lasset uns deshalb gemeinsam dies Volk und mit gleicher Befugnis lenken, möge die Fürstin dem Gatten aus Phrygien dienen, deiner Rechten die Tyrier anvertrauen als Mitgift!« Venus begriff, daß Juno heuchelte, daß sie die ferne Weltherrschaft Roms auf die Küsten Libyens ablenken wollte. Daher entgegnete sie: »Wer könnte so töricht sich zeigen, daß er dein Ansinnen ablehnte, lieber gegen dich kämpfte? Wenn nur das Schicksal den Plan, wie du ihn mir darlegst, begünstigt! Aber ich zweifle am göttlichen Willen: Ob Jupiter eine Stadt für die Tyrier wünscht und die Flüchtlinge Trojas, ein Bündnis zwischen den Völkern und eine Vermischung ihres Geschlechtes? Du bist seine Gemahlin, du darfst ihn mit Bitten bestürmen. Los denn, ich folge!« Ihr gab die Herrscherin Juno zur Antwort: »Ich übernehme die Ausführung, möchte dir kurz nur erklären - gib jetzt, ich bitte dich, acht! -, wie der Plan sich verwirklichen ließe. Held Aeneas, mit ihm die vom Unglück geschlagene Dido wollen zur Jagd die Wälder durchstreifen, sobald sich die Sonne morgen erhebt und den Erdkreis mit ihren Strahlen erleuchtet; über sie werde ich düsteren Regen und Hagelschlag bringen, während die Treiber in Eile den Wald mit Netzen umspannen, werde mit Donnerschlägen den Himmel in Aufruhr versetzen. Sämtliche Jagdgenossen entfliehen, verschwinden im Dunkel. Dido allein und der Troerfürst finden Zuflucht in einer Höhle. Dort bin ich zugegen, und kommst du mir freundlich zu Hilfe, werde ich Dido zu fester Ehe als Frau ihm verbinden. Hochzeitstag sei es für beide.« Venus stimmte dem Vorschlag ungesäumt zu und lächelte über die listige Planung.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17654 (vgl. Vergil-W, S. 218 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Und der Plan gelang natürlich; Aeneis 4,160ff: „Während der Jagd begann es am Himmel dröhnend zu donnern, anschließend regnete es, und Hagel prasselte nieder. Angstvoll zerstoben die Jäger aus Tyros und Troja, mit ihnen auch der dardanische Enkel der Venus, und suchten ein Obdach sich an verschiedenen Stellen. Zu Tale rauschten die Wasser. Dido und Ilions Fürst begegneten sich in derselben Höhle. Da gaben Tellus zuerst und die Herrin der Ehe, Juno, das Zeichen. Dann leuchteten Blitze und, Zeuge der Hochzeit, flammte der Äther. Vom höchsten Berggipfel jauchzten die Nymphen. Dieser Tag erschloß den Weg zum Tode, zum Unheil. Dido verschmähte die Rücksicht auf Anstand und trefflichen Leumund, strebte nicht länger nach einer verstohlenen Liebeserfüllung. Nein, sie bemäntelte Schuld mit dem würdigen Namen der Ehe.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17657 (vgl. Vergil-W, S. 219 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Fama, die Göttin des bösen Gerüchtes und der Verleumdung, mischte sich in das Geschehen, flog von Haus zu Haus und zerstörte den guten Ruf der Königin; Aeneis 4,175ff: „Ohne Verzug durcheilte Fama Libyens große Städte, Fama, sämtlicher Unheilsgöttinnen schnellste. [……………………………………………..]Ein Scheusal wurde sie, fürchterlich, riesig. Soviel an den Schwingen ihr Federn haften, so viele wachsame Augen besitzt sie darunter, ebenso viele Zungen und schwatzende Mäuler und ständig lauschende Ohren - ein Wunder! Nachts fliegt sie, bei Dunkelheit, zwischen Himmel und Erde und zischelt, verschmäht den erquickenden Schlummer. Tagsüber hockt sie als Aufpasser lauernd an Dachfirsten oder ragenden Türmen und setzt auch mächtige Städte in Schrecken, hält die Verzerrung und Lüge nicht weniger fest als die Wahrheit. Nunmehr verbreitete freudig sie neue weltweite Gerüchte, mengte, ganz unterschiedslos übertreibend, Falsches und Wahres: Angelangt wäre Aeneas, der Held von troischem Stamme, Dido, die strahlende Fürstin, hätte zum Mann ihn erkoren; über den langen Winter hin lebten sie nur dem Vergnügen, hätten die Pflichten des Herrschers vergessen aus schimpflicher Neigung. Unter das Volk trug solche Lügen die schreckliche Göttin, wandte sich dann geradenweges zum König Iarbas, hetzte ihn auf und entflammte zur Wut ihn mit ihrem Gerede.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17658 (vgl. Vergil-W, S. 220 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Vor Jahren hatte König Jarbas, er hatte Dido nach ihrer Flucht aus der Heimat einen Teil seines Reiches verkauft damit sie ein neues Reich errichten und Karthago gründen konnte, um ihre Hand angehalten. Die Königin hatte ihn aber, und mit ihm viele andere afrikanische Fürsten, abgewiesen. Tief gekränkt betete Jarbas zum Jupiter, der Allmächtige erhörte ihn; Aeneis 4,220ff: „Danach erteilte er dem Mercurius folgenden Auftrag: »Mache dich auf, mein Sohn, entbiete den Zephyr und fliege! Sprich den dardanischen Fürsten, der jetzt in Karthago sich aufhält, ohne an die ihm vom Schicksal verliehenen Städte zu denken, und überbring durch die flüchtige Luft ihm meine Befehle! Keineswegs ist er der Held, den die Schönste der Mütter mir einstmals zusprach, den deshalb sie zweimal vor griechischen Waffen bewahrte. Nicht doch, er sollte das waffendurchklirrte Italien, die Wiege künftiger Reiche, regieren, vom hohen Geschlechte des Teukros selber ein Volk hervorbringen, dann sich die Welt unterwerfen! Kann ihn der Ruhm so herrlicher künftiger Taten nicht reizen, rührt er sich nicht um eigner preiswürdiger Leistungen willen - gönnt er die Burgen von Rom dem Ascanius nicht, als der Vater? Was beabsichtigt er? Was verspricht ihm die Rast bei den Feinden? Will er die Enkel vergessen, die Römer, und Latiums Fluren? Absegeln soll er! So lautet mein Auftrag. Verkünde ihm diesen!« Derart befahl er. Der Bote, gehorsam dem mächtigen Vater, rüstete gleich sich zum Aufbruch. …“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17661 (vgl. Vergil-W, S. 222 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Eilig flog er durch die Lüfte vom Olymp nach Karthago zu Aineias; Aeneis 4,260ff: „Als er auf seinen geflügelten Füßen Karthago erreichte, sah er Aeneas beim Bau der Befestigungswerke und neuer Häuser beschäftigt. Sein Schwertgriff leuchtete gelblich von Jaspis, der von den Schultern ihm wallende Mantel glänzte von Purpur tyrischer Arbeit, Geschenken der reichen Dido. Sie hatte selbst das Gewebe durchwirkt mit feinen goldenen Fäden. Ohne Verzug unterbrach ihn der Bote: »Grundmauern legst du jetzt für das hohe Karthago und baust als Weiberknecht eine herrliche Stadt? Vergaßest die Pflicht und die eigene Herrschaft? Jupiter, Herrscher der Götter, der Lenker von Himmel und Erde, schickt mich als Bote zu dir vom hellen Olympus hernieder, Jupiter sendet durch flüchtige Lüfte dir seine Befehle: Was beabsichtigst du? Was verspricht dir die Muße in Libyen? Kann dich der Ruhm so herrlicher künftiger Taten nicht reizen, rührst du dich nicht um eigner preiswürdiger Leistungen willen, denk an den Sohn, der heranwächst, und denk an das lockende Erbe deines Iulus; ihm soll die Herrschaft in Rom und Italien zufallen!« Derart entledigte sich der Kyllenier seines Auftrags, entzog sich dann ohne weiteres menschlichen Blicken, löste in weiter Ferne sich auf zu hauchdünnem Dunste. [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17663 (vgl. Vergil-W, S. 223 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Aineias, zu tief bestürzt, wankelmütig und feige, rief drei seiner Gefährten zu sich und befahl ihnen die Abreise vorzubereiten; Aeneis 4,283ff: „Zu sich berief er Mnestheus, Sergestos, den tapfren Serestos, hieß insgeheim sie zum Auslaufen rüsten, am Strand die Gefährten sammeln, die Waffen ergreifen, den Grund für die Maßnahmen aber tunlich verschweigen. Da Dido, die edle Fürstin, nichts ahne, mit dem Zerreißen der Liebesbande auch keineswegs rechne, wolle er sie in der Zwischenzeit sprechen, den günstigsten Zeitpunkt suchen, die richtige Form auch für seine Erklärungen. Willig gingen sogleich die Gefährten daran, den Befehl zu befolgen.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17664 (vgl. Vergil-W, S. 223 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Doch die Königin ist nicht zu täuschen und stellt Aineias zur Rede; Aeneis 4,296ff: „Aber die Königin spürte die List - denn Liebende lassen schwerlich sich täuschen - voraus, sie erfaßte den nahenden Aufbruch, mißtraute selbst der Treue. Die gleiche lieblose Fama trug der Erbitterten zu, daß die Flotte zum Auslaufen rüste. Außer sich vor Empörung durchstürmte sie rasend die ganze Stadt, so erregt wie eine Bakchantin nach dem Ergreifen geweihten Tempelgeräts, wenn den Ruf des Bacchus sie hört, wenn die Festlust - alle zwei Jahre - sie spornt, der Kithairon zur Nachtzeit sie lärmend lockt. Doch endlich stellte sie den Geliebten zur Rede: »Wähntest du etwa, ein solches Verbrechen verhehlen zu können, wolltest, Verräter, stillschweigend aus meinem Lande dich stehlen? Hält dich nicht unsere Liebe, nicht deine durch Handschlag verbürgte Zusage, nicht der grausame Tod, der Dido erwartet? Auslaufen läßt du die Flotte noch unter den Wintergestirnen. drängst auf die hohe See im Brausen der Nordstürme, ohne jedes Gefühl? Ja, zögest du nicht in fremde Gebiete, fremde Behausungen, stünde das alte Troja noch aufrecht - würdest nach Troja du segeln über die stürmischen Wogen? Fliehst du etwa vor mir? Bei meinen Tränen, bei deiner Rechten - ich Elende ließ mir nichts andres mehr übrig -, bei unsrem Ehebund, besser: bei unsrer erst halb vollzognen Vermählung, tat ich ein wenig an Gutem dir nur und empfingst du ein wenig Liebe: Erbarme dich meines wankenden Hauses - ich flehe, sollte das Flehen noch nützen -, ändre den schrecklichen Vorsatz! Deinetwegen hassen mich Libyer, Numiderfürsten, Tyrier sogar, und deinetwegen entsagte ich meiner Scham wie dem trefflichen Leumund, der einst mir den Weg zu den Sternen bahnte. Wem willst du mich Todgeweihte jetzt preisgeben, Gastfreund - bleibt mir doch diese Bezeichnung allein noch übrig vom Gatten? Soll ich noch warten? Bis etwa mein Bruder Pygmalion meine Mauern zertrümmert? Der Fürst der Gätuler, Iarbas, mich wegschleppt? Hätte ich wenigstens, ehe du abfährst, ein Kind noch empfangen dürfen von dir und spielte ein kleiner Aeneas in meiner Hofburg, in dem ich, nach deiner Flucht, dein Ebenbild sähe: Keinesfalls schiene ich dann mir so elend getäuscht und verlassen!« Derart sprach sie. Doch ungerührt blieb Aeneas, dem Auftrag Jupiters treu, unterdrückte kraftvoll den bohrenden Kummer, sprach dann nur wenige Worte: »Niemals werde ich leugnen, Königin, was du an Wohltaten reich mir erwiesest und nunmehr aufzählst, mit Recht! Nie werde ich Dido vergessen, solange noch mein Bewußtsein sich regt und die Glieder dem Geiste gehorchen. Dies nur zum Sachverhalt: Glaub nicht, ich wähnte, mein Fortgehen etwa tückisch geheimzuhalten; nie wollte ich Fackeln zur Hochzeit tragen, auch kam ich hierher nicht, um solche Verbindung zu knüpfen. Ließe das Schicksal nach eigenem Plan mich mein Leben gestalten, könnte auf eigene Faust ich meine Maßnahmen treffen, würde zuerst ich für Troja und für die noch atmenden Lieben sorgen; dann stünde das ragende Schloß des Priamos weiter, hätte aufs neue ich Pergamon für die Besiegten errichtet. Doch jetzt befahlen Apollon von Grynion und die Orakel Lykiens mir, nach Italien zu ziehen, dem großen Italien.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17665 (vgl. Vergil-W, S. 224 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Die bis zum Wahnsinn Verzweifelte verflucht den Treuelosen. Die einst hingebungsvolle Verliebte, jetzt zutiefst Verletzte, bei ihrem Volk und den benachbarten Fürsten Verleumdete, lässt alles was ihr im Leben lieb und wertvoll war auf einen Haufen werfen, lässt ihr Bett obenauf stellen, legt sich auf die Stätte der schönsten Stunden und findet den gesuchten Tod von eigener Hand, vergeht in den Flammen der brennenden Kostbarkeiten; Aeneis 4,641ff: „Hastig, verstört durch ihr schreckliches Vorhaben, rollte jetzt Dido ihre mit Blut unterlaufenen Augen, stürzte, von Flecken dicht übersät die zuckenden Wangen, erbleicht vor dem nahen Tode, hinein in den Hof und erklomm, wie von Sinnen, den hohen Holzstoß, riß aus der Scheide sodann die dardanische Klinge, die sie zu solchem Dienste sich niemals auserwählt hätte. Hier, bei dem Anblick der Troergewänder sowie des vertrauten Lagers, verweilte sie kurz und vergoß Erinnerungstränen, sank auf die Kissen und sprach als letztes die Worte: »Ihr Stücke, die mein Entzücken ihr waret, solange der Gott und das Schicksal mir es erlaubten, nehmet mein Leben, beendet die Qualen! Völlig durchmaß ich die Bahn, die dem Glück wie dem Unglück ich danke. Tief in die Unterwelt wandelt jetzt gleich mein machtvoller Schatten. Glanzvoll die Stadt, die ich gründete - mein auch die Mauern vor meinen Augen. Ich rächte den Gatten, bestrafte den feindlichen Bruder. Glücklich, zu glücklich wohl wäre ich, wenn die dardanischen Schiffe niemals an unsrem Gestade angelegt hätten!« Sie preßte fest in das Kissen ihr Antlitz. »Ich konnte mich freilich nicht rächen, aber ich sterbe als Heldin; ins Schattenreich ziehe ich freudig. Soll der gefühllose Troer von hoher See aus die Flammen hier noch erspähen, mein Todeszeichen als Omen des Unglücks mitnehmen!« Sprechend noch, sank sie unter dem Schwertstoß zusammen; Blut überschäumte die Klinge, die Hände. So fanden die Frauen ihre Gebieterin vor.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17684 (vgl. Vergil-W, S. 235 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Die allmächtige Göttin Juno erbarmte sich der Sterbenden und schickte Iris um sie zu erlösen. Iris gehorchte; Aeneis 4,697ff: „Gegen die Sonne flog denn die taufeuchte Iris mit ihren safranleuchtenden Schwingen vom Himmel, vielfarbig den Bogen nachziehend, trat dann zu Didos Häupten. »Ich weihe die Locke, wie mir befohlen, dem Pluto und löse dich hiermit vom Körper«, sprach sie und schnitt mit der Rechten die Haare ab. Jählings erbleichten nunmehr die Wangen Didos, ihr Leben zerstob in die Winde.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17688 (vgl. Vergil-W, S. 238) (c) Aufbau-Verlag] Die Segel wurden gehisst, Aeneis stach mit seinen Leuten in die See. Von ferne sahen sie den Feuerschein, sie wussten nichts, doch eine böse Ahnung senkte sich in ihre Brust. (Legenden erzählen, dass dieses schändliche Verhalten des Aineias und der Tod der Dido die Ursache für die dauernde Feindschaft zwischen Rom und Karthago waren, die schließlich in die vollkommene Zerstörung der Stadt und in die Versklavung der Bevölkerung von Karthago durch die Römer im Jahre 146 v. Chr. mündete.) ….. Nach einer stürmischen Überfahrt erreichten die Troianer Sizilien und wurden von Acestes, dem König von Eryx und Sohn der Troianerin Egeste (= Segesta) und dem Flussgott Crisinus, freudig empfangen. Sofort besuchten sie den Grabhügel des Anchises, Aineias opferte wie es die Sitte verlangte und veranstaltete zur Ehre seines toten Vaters Wettkämpfe. Während die Männer und Knaben mit sportlichen Leistungen den Toten ehrten, schickte Juno, sie hasste die Troianer wegen des Urteils des Paris noch immer und wollte sie ihr Ziel, Italien, nicht erreichen lassen, Iris, die Götterbotin, sattsam erfahren in der Verbreitung von Unheil, in der Form der alten und weisen Beroe zu den Frauen der Troianer, und überredete sie die eigenen Schiffe anzuzünden, damit, nach siebenjähriger Irrfahrt, eine Weiterfahrt unmöglich und das schöne Sizilien mit dem wohlgesinnten König Akestes ihre neue Heimat werde. Die alte Amme vieler Kinder des Priamos, Pyrgo 2, erkannte die Götterbotin und unterstützte sie. Die Frauen, ermattet von den Strapazen der jahrelangen Flucht, griffen, nachdem Iris die erste Fackel geworfen hatte, begeistert zu Feuer und Stroh und Vulkanos, der Gott des Feuers fraß sich über die Ruderbänke. Entsetzt unterbrachen die Männer die Spiele, wollten retten, die Frauen ergriffen verängstigt die Flucht, doch das Feuer verbreitete sich durch die Schiffe. In höchster Not hob Aineias die Hände zum Himmel, rief Jupiter um Hilfe, wurde erhört und ein Regenguss rettete was nicht schon verkohlt war. Völlig verzweifelt befragte Aineias den Seher Nautes; Aeneis 5,699ff: »Aber der Vater Aeneas, erschüttert vom Schlage des Unheils, sah sich von widerspruchsvollen Erwägungen qualvoll zerrissen. Sollte er, untreu dem Auftrag des Schicksals, hier auf Sizilien Wohnsitze gründen - sollte er weiter Italien suchen? Nautes, betagt schon, als einziger von der tritonischen Pallas einst unterwiesen und glänzend geschult in vielerlei Künsten - sie erteilte ihm Auskunft über die Folgen des schweren Zornes der Götter oder die Forderungen des Schicksals -, Nautes gedachte Aeneas zu trösten mit folgenden Worten: »Folgen wir, Sprößling der Göttin, dem Schicksal, vorwärts wie rückwärts! Jedes Geschick, wie immer es sei, unterliegt durch - Ertragen! Dir zu Gebote steht ein Dardaner, göttlichen Ursprungs, Held Akestes: Gewinn ihn zum Helfer im Rat, er begrüßt es; ihm auch vertraue die Mannschaften an der vernichteten Schiffe, jene dazu, die vor deinen gewaltigen Taten sich scheuen! Die überalterten Männer und die von der Meerfahrt erschöpften Mütter, die Kranken und alle, die vor den Gefahren sich fürchten, sondere aus: Die Ermatteten sollen hier Mauern errichten, mögen die Stadt - erlaube es ihnen! - Akesta dann nennen.« (Akesta = heute Segesta) Tief in Erregung versetzt durch die Worte des älteren Freundes, fühlte Aeneas erst recht sich gestürzt in nagende Zweifel. Nacht schon umfing mit dem Doppelgespann verdüsternd den Himmel. Plötzlich erschien ihm, vom Himmel herab, ein Abbild des toten Vaters Anchises und ließ sich mit folgender Mahnung vernehmen: »Lieber Sohn, der du teurer mir warst als das Leben, solange Leben mir blühte - mein Sohn, schwer geprüft durch den Untergang Trojas: Jupiter schickt mich zu dir, er löschte den Brand bei den Schiffen, brachte jetzt endlich vom Himmel herab voll Erbarmen dir Hilfe. Folge dem ganz vortrefflichen Ratschlag, den der betagte Nautes erteilte! Nur auserlesene Mannschaften führe bis nach Italien, die Tapfersten; denn auf latinischem Boden mußt du ein hartes und rauhes Volk überwinden. Doch vorher komm noch in Plutos Unterweltsreich, durch avernische Tiefe suche mich auf, mein Sohn. Ich hause ja nicht in dem schlimmen Tartarus, bei den entsetzlichen Schatten, ich darf im Elysium wohnen, im Kreis der Gerechten. Nach reichlichem Opfern des Blutes schwarzer Tiere geleitet dorthin dich die keusche Sibylle: Über dein ganzes Geschlecht und die künftige Wohnstatt erhältst du Auskunft. Leb wohl! Die taufrische Nacht überwand schon die halbe Strecke, der grausame Morgen umweht mich mit schnaubenden Rossen.« Damit entschwand er, löste wie Rauch sich auf in die Lüfte.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17728 (vgl. Vergil-W, S. 261 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Aineias gehorchte; Aeneis 5,748ff: „Darauf berief er die Freunde sogleich, vor allen Akestes, teilte den Auftrag Jupiters ihnen, die Weisung des teuren Vaters und seinen eigenen festen Entschluß mit. Und ohne Einwände stimmte man zu, auch Akestes zeigte sich willig. Man überwies der neuen Siedlung die Mütter und jeden, der es noch wünschte, der keinerlei Ehrgeiz und Ruhmstreben hegte. Aber die andern erneuerten auf den Schiffen die Bänke, tauschten verbrannte Balken aus, rüsteten Ruder und Taue, wenige nur nach der Zahl, doch befähigt und willig zum Kampfe. Gleichzeitig zog Aeneas die Grenzen der Neustadt mit einem Pflug und verteilte durch Los die Baustellen; Troja und Ilion sollten sie werden. Akestes, als Troer, begrüßte die Gründung, setzte Gerichtszeiten fest sowie des Senates Befugnis. Hoch auf dem Eryx, nahe den Sternen, plante man einen Tempel für Venus Idalia, schuf auch ein Priesteramt, legte weithin ein heiliges Wäldchen noch an für das Grab des Anchises.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17731 (vgl. Vergil-W, S. 263 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Die neue Stadt erhielt zur Ehre des gütigen Königs Akestes seinen Namen – Akesta, heute noch trägt sie seinen Namen – Segesta. Nach tränenreichen Abschieden segelte Aineias mit nur noch wenigen Getreuen ab …….. ….. dem großen Ziel, Italien, entgegen. .... Seine Mutter, die liebreiche Venus, bat Neptun um Schutz für ihren Sohn und, beschützt vom Gott der Meere, landete Aineias mit seinen Auserwählten endlich in Italien, in Cumäa beim Sitz der Angst einflößenden Sibylle. Gleich, nachdem die Schiffe an Land gezogen waren, begab sich Aineias zur Grotte, zu Deiphobe, der Tochter des Glaukos und Dienerin des Apollon; Aeneis 6,11ff: „……………………………………………………….. Aeneas aber, der Pflicht sich bewußt, begab sich zum Tempel, dem hohen Sitze Apollos, nicht allzu entfernt, und zur riesigen Grotte, wo die Sibylle einsam und schauerlich wohnte. Ihr hauchte Phöbus prophetische Geisteskraft ein und erschloß ihr die Zukunft. Bald erreichten sie Trivias Hain und das goldene Bauwerk.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17739 (vgl. Vergil-W, S. 268) (c) Aufbau-Verlag] …. Die Seherin erwartete Aineias schon, führte ihn durch hundert Gänge in die Tiefe einer Grotte, verkündete ihm eine Kampf- und verlustreiche Zukunft und forderte ihn auf zuerst aber, dem Auftrag seines toten Vaters folgend, in die Unterwelt hinab zu steigen und sich von ihm belehren zu lassen. Bevor sie ihn entließ, weihte sie ihn noch in das Geheimnis ein wie er in den Orcus hinabsteigen und, viel schwerer noch, wie er ihn auch wieder verlassen kann; Aeneis 6, 125ff: „…..Antwort erteilte die Seherin: »Troer, Sohn des Anchises, Göttersproß, mühelos steigst du hinab zur avernischen Tiefe. Nächte und Tage hindurch steht offen der Eingang zum düstren Pluto - die Rückkehr allein, der Weg zu den Lüften des Himmels, kostet beschwerliche Leistung. Nur wenige Söhne von Göttern brachten sie fertig, entweder Lieblinge Jupiters oder Helden, die feurige Tatkraft zum Himmel emportrug. Den Abstieg schirmen rings Wälder, umfließt auch in finsterem Kreis der Kokytos. Möchtest du aber mit derart glühender Leidenschaft zweimal über die stygischen Seen fahren, zweimal den dunklen Tartarus schauen und widernatürlich in Mühen dich stürzen, nun, so vernimm, was du vorher zu tun hast. Sicher verborgen wächst in schattiger Baumkrone, blattreich, zähstielig, ein Goldzweig, heilig der Juno des Orkus. Ihn schützen Bäume von allen Seiten, in finsterem Tale umschließt ihn das Dunkel des Waldes. Niemandem ist es vergönnt, hinab in die Tiefe zu dringen, ehe vom Baume den golden belaubten Zweig er sich pflückte. Diesen bestimmte die schöne Prosérpina sich als geweihtes Ehrengeschenk. Sobald man ihn pflückte, beginnt schon ein zweiter Goldzweig zu wachsen, bedeckt sich genauso mit goldenen Blättern. Gründlich durchspähe das Dickicht und pflück ihn, sobald du ihn fandest, ordnungsgemäß mit der Hand: Er läßt sich mit Leichtigkeit brechen, wenn dich das Schicksal ruft; denn andernfalls kannst du gewaltsam niemals ihn abtrennen, auch nicht mit hartem Eisen ihn schneiden. Außerdem starb - du erfuhrst es noch nicht - ein Mann aus dem Kreise deiner Gefährten. Noch unbestattet, befleckt er die Flotte, während du hier um Auskunft ersuchst an unserer Schwelle. Schaffe sein Grab ihm an einem gebührenden Platze! Dann bringe Opfervieh, schwarzes, es soll dich entsühnen, ehe du aufbrichst. Dann erst erblickst du die stygischen Wälder, kein Lebender dürfte sonst sie betreten.« Nach diesen Worten verstummte die Jungfrau.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17746 (vgl. Vergil-W, S. 272 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Mutig gehorchte Aineias. Auf dem Weg zu seinen Leuten fand er im Wasser des Ufers die Leiche des Misenos, seines Trompetere, der mit seinem Spiel zur Ehre des Kriegsgottes Mars die Männer zum Kampf ermunterte. Mit Triton, dem immer die Muschel blasenden Meeresgott, hatte sich der Übermütige im Trompetenspiel gemessen und war für diesen Frevel vom Gott in das Meer gezogen und ertränkt worden. Viele Tränen wurden vergossen, als man seine Asche der italienischen Erde übergab. Der Fels, an dessen Fuß Misenos bestattet wurde, trägt heute noch seinen Namen. Zwei weiße Tauben, die Vögel seiner Mutter, führten Aineias dann in einem dichten Wald zu einem riesigen Baum. Dort fand er den Zweig mit den goldenen Blättern und brach ihn. Kaum dass er ihn in der Hand hielt, erschien Deiphobe, die Sibylle, und sie opferten dem Herren der Unterwelt vier Stiere, der Prosperina, seiner Gemahlin, eine jungfräuliche Kuh und den Eumeniden, den rachedurstigen Furien, schwarze Schafe. Erst jetzt öffnete sich ein grauenvoller Schlund, aber Aineias stieg, mutig, begleitet von der Dienerin des Apollon, durch viele Höhlen hinab in die Unterwelt; Aeneis 6,271ff: „………………………..Da fing der Boden unter den Füßen dumpf an zu dröhnen, begannen die waldigen Höhen zu wanken, heulten, so schien es Aeneas, Hunde zum Zeichen der Ankunft Hekates. »Haltet euch ferne, ihr nicht geweihten Gemeinen«, warnte die Seherin, »wartet abseits des heiligen Haines! Ziehe dein Schwert aus der Scheide, Aeneas, beginne den Abstieg: Nunmehr bedarfst du der Kühnheit und eines nicht wankenden Mutes!« Damit begab sie sich, wild wie berauscht, in das Innre der Grotte. Neben der Führerin hielt sich Aeneas mit sicheren Schritten. Götter im Reiche der Seelen, ihr ewig schweigenden Schatten, Chaos, Phlegéthon, ihr weiten, ihr nächtlich stillen Gefilde: sei es vergönnt mir, zu sagen, was ich erfuhr, und mit eurer Gunst zu enthüllen, was tief im Erdenschoß finster sich abspielt! Dunkelumwallt, in einsamer Nacht, durchschritten sie Plutos ödes, verfinstertes Reich, die Gefilde der nichtigen Schatten, wie man bei spärlichem Schein des unsicher flimmernden Mondes tief durch den Urwald zieht, wenn Jupiter düster den Himmel einhüllt und schwarze Nacht die Farben der Dinge hinwegrafft. Schon an der Vorhalle, vor dem Schlund, der zum Orkus hinabführt, haben die Trauer, daneben das böse Gewissen ihr Lager, hausen die bleichen Krankheiten, lauern das traurige Alter, Furcht, der zum Unheil ratende Hunger, die schmachvolle Armut, schreckliche Elendsgestalten, bei ihnen der Tod und die Mühsal, weiter der Bruder des Todes, der Schlaf, und die sinnlichen Lüste, Boten des Unglücks, und, grad auf der Schwelle, der tödliche Kriegsgott, ragt die eiserne Zelle der Furien, hockt die verwirrte Zwietracht, mit blutigen Binden im schlangenwimmelnden Haare. Mitten im Vorhof breitete eine gewaltige Ulme schattend die uralten Äste. Dort haben, erzählt man, die leeren Träume in Schwärmen ihr Nest und hängen zwischen den Blättern. Aber auch zahlreiche Ungetüme, verschieden gestaltet, hausten am Eingang, Kentauren und Skyllen mit zweierlei Körpern, Briareus, wuchtig mit hundert Armen, die Schlange von Lerna, grauenhaft zischend, Chimaera mit züngelnden Flammen, Gorgonen, dann die Harpyien, Geryon dazu mit seinen drei Leibern.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17753 (vgl. Vergil-W, S. 275 ff.) (c) Aufbau-Verlag] …. Vor dem Unterweltfluss Kokytos flatterten tausende Seelen und baten Charon, den Fährmann, sie auf sein Boot zu nehmen und in die Gefilde der Verstorbenen zu bringen. Er aber wehrte sie ab; Aeneis 6,313ff: „Voller Erstaunen, empört auch über das wilde Gedränge, fragte Aeneas: »Was, Mädchen, bedeutet der Sturm auf das Ufer? Was erflehen die Seelen? Welch Unterschied zwingt sie, zum Teile hier zu verbleiben, teils über die tiefblauen Fluten zu rudern?« Antwort erteilte in Kürze ihm gleich die langlebige Jungfrau: »Sohn des Anchises, du echter Göttersproß, dir vor den Augen liegt der Kokytos, träge und tief, und der stygische Sumpfstrom, den die Unsterblichen auch als Rächer von Falscheiden fürchten. Hilflos dort wimmelt die Menge der unbestatteten Seelen. Charon ist der Fährmann, er setzt die bestatteten über. Durch die dumpf brausenden Fluten dürfen zum schrecklichen Strande lediglich Seelen von schon begrabenen Leichnamen fahren. Hundert Jahre lang flattern die anderen ziellos am Ufer; dann erst bekommen sie die ersehnten Gewässer vor Augen.« [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17756 (vgl. Vergil-W, S. 277 ff.) (c) Aufbau-Verlag] …. Unter diesen wartenden traurigen Seelen erkannt Aineias seinen Steuermann Palinuros, der sofort glücklich strahlte, als die Sibylle ihm prophezeite, dass sein Leichnam demnächst bestattet werde, und Leukapsis und Orontes, deren Schiffe ein Südsturm nach der Flucht aus Troia versenkte und deren Leichen noch ohne von Erde bedeckt zu sein am Grund des Meeres lagen. Dank des goldenen Zweiges darf Aineias das Boot des Charon besteigen, den Bewacher des Einganges in die Unterwelt, den vielköpfigen Höllenhund Kerberos, schläfert die Sibylle mit einem Zauberkraut und Honig ein. Endlich überschreitet Aineias die Schwelle, über die es kein Zurück gibt. Vorbei an den Seelen der früh verstorbenen Kinder und jenen, die falsch beschuldigt zum Tode verurteilt wurden und jenen, die selbst ihr Leben fortgeworfen haben, kam er in den Wald der Trauer wo jene sich aufhielten, die im harten Leiden der Liebe ihr Leben ließen. Dido begegnete ihm; Aeneis 6,449ff: „Unter den Schatten durchirrte, mit frisch noch blutender Wunde, auch die Phönizierin Dido das Dickicht. Sobald ihr Aeneas nahekam und durch die kaum durchdringbare Nacht sie erkannte - wie man bei Monatsbeginn den Mond durch düstere Wolken aufsteigen sieht, nein, besser, sich einbildet, ihn zu erblicken -, kamen ihm Tränen, er sagte zu ihr voll inniger Liebe: »Unglückgeschlagene Dido, so stimmt die Nachricht, du wärest nicht mehr am Leben, du hättest dich selber durchbohrt mit dem Schwerte? Wehe, verschuldete ich, daß du starbst? Ich kann bei den Sternen schwören, den Himmlischen, allem auch, was man im Erebus anruft: nur widerstrebend, Herrin, schied ich von deinem Gestade. Doch die Befehle der Götter, die jetzt mich zum Gang durch die Schatten, Stätten voll Moder und Schmutz, durch nächtliche Düsternis zwingen, trieben gewaltsam mich fort. Ich konnte wahrhaftig nicht glauben, daß dir mein Aufbruch so furchtbare Qualen zufügen würde. Bleibe doch stehen! Lasse mich, bitte, dich schauen! Du möchtest fliehen vor mir? Hier gönnt mir das Schicksal, dich letztmals zu sprechen.« Derart versuchte Aeneas den glühenden Zorn und die finstren Blicke Didos freundlich zu mildern, selbst bitterlich weinend. Abgewandt, hielt sie die Augen fest auf den Boden geheftet, zeigte von seinen Worten sich ebenso wenig beeindruckt wie ein gefühlloser Kieselstein oder marpesische Klippen. Heftig wandte sie schließlich sich ab und suchte erbittert Zuflucht im schattigen Hain, wo ihr einstiger Gatte Sychaios ihre Gefühle erwiderte, würdiger Partner der Liebe. Aber Aeneas auch blickte, von dieser Trennung erschüttert, lange in Tränen ihr nach; ihn schmerzte ihr Scheiden aufs tiefste.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17764 (vgl. Vergil-W, S. 282 ff.) (c) Aufbau-Verlag] …. Dann setzte er den ihm vorbestimmten Weg fort, traf im Gefilde der großen Krieger viele seiner einstigen Kampfgenossen, alle begleiteten ihn, erzählten ihm ihr Schicksal, ergriffen aber die Flucht als er Agamemnon begegnete, der auch hier noch seine Rüstung trug. Vorbei an dem schaurigen Abgrund der zum Tartaros führt, in dem die ewig Verdammten schmachten, und vorbei bei an den von den Göttern bestraften, Tantalos, dem ewig Dürstenden und Hungernden, und Ixion und vielen anderen, schritt Aineias, begleitet von der Sibylle, bis er fürchterliche Schreie hörte und fragte; Aeneis 6,555ff: „Schmerzensgeschrei erscholl aus der Richtung und Klatschen von rohen Schlägen; es klirrte von Eisen, laut rasselten Ketten. Aeneas, jäh von dem Lärmen erschreckt, blieb stehen, er konnte nicht weiter: »Was für Verbrecher leiden hier? Sag es mir, Jungfrau! Und welche Strafen erhalten sie? Was für ein Jammer durchhallt hier die Lüfte?« Darauf begann die Prophetin zu sprechen: »Ruhmreicher Feldherr Trojas, kein Schuldloser darf die Schwelle des Frevels betreten. Hekate hieß mich jedoch die avernischen Haine betreuen, zeigte mir dabei genau die Strafen, die Götter verhängen. Hier regiert Rhadamanthys von Knossos mit äußerster Strenge, macht im Verhör zunichte die Ausreden, zwingt zum Geständnis dessen, was mancher Verbrecher im Leben, froh seiner geschickten, freilich vergeblichen Lügen, nicht sühnte, nein, aufschob zum Tode. Über die Schuldigen schwingt als Rächerin gleich Tisiphone höhnend die Geißel, droht mit den grausigen Schlangen in ihrer Linken und ruft die wilden Schwärme der Schwestern zur Stelle. Dann erst, mit gräßlichem Kreischen der Angeln, weichen die Flügel dieses verwunschenen Tores. Du siehst, wer als Wächter im Vorhof lauert, was für ein Ungetüm dort die Schwelle behütet. Furchtbarer noch liegt drinnen, mit fünfzig schwarzgähnenden Rachen, eine gewaltige Schlange. …“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17770 (vgl. Vergil-W, S. 285 ff.) (c) Aufbau-Verlag] …. Ohne Furcht eilten sie durch die dunklen Gänge, in denen die Ehebrecher, Diebe, Verräter, und viele mehr qualvoll auf ihre Verurteilung und ewige Verdammnis wartenden, weiter und erreichten endlich das Tor zum Elysium. Aineias hing den goldenen Ast an das Tor, beide traten ein und waren glücklich in diesen göttlichen Gefilden der auserwählten Unsterblichen zu sein. Hell leuchtete hier eine zweite Sonne und auf weiten Wiesen vergnügten sich die, die durch ihre Werke und Taten nicht nur die Götter erfreuten und glückselige Unsterblichkeit erreichten. Der Schatten des großen Musikers Musaios (Mozart kam erst 3200 Jahre später dazu) begleitete Deiphobe und Aineias ein Stück des Weges und zeigte ihnen das Tal in dem sich der Geist des Anchises wandelte. Tränen der Freude flossen Anchises über die Wangen als er seinen Sohn erblickte; Aeneis 6,684ff: „»Endlich kommst du! Die Liebe des Sohnes, erwartet vom Vater, hat den beschwerlichen Weg überwunden. Ich darf jetzt dein Antlitz sehen, bekannte Laute vernehmen und Antwort auch geben. War ich doch fest überzeugt, es werde so kommen, und zählte sehnend die Tage. Mich trog nicht, trotz quälender Sorgen, mein Hoffen. Was für Länder und Meere durchquertest du, bis ich dich heute anschauen darf, und was für Gefahren hast du bestanden! Was für Befürchtungen hegte ich, Libyen könnte dir schaden!« Aber Aeneas erwiderte: »Vater, dein trauernder Schatten ist wiederholt mir erschienen und trieb mich zum Gang in den Orkus. Im Tyrrhenischen Meere liegen die Schiffe. Die Rechte gib mir doch, bitte, Vater, entzieh dich nicht meiner Umarmung!« Während der Worte strömten die Tränen ihm über das Antlitz. Dreimal versuchte er jenem den Arm um den Nacken zu schlingen, dreimal entwich den ins Leere greifenden Händen der Schatten, ebenso leicht wie ein Windhauch, ebenso flüchtig wie Träume.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17777 (vgl. Vergil-W, S. 289 ff.) (c) Aufbau-Verlag] …. Während sie sprachen erblickte Aineias am Ende der Tales rauschendes Gebüsch, schöne Liegeplätze und den Fluss Lethe, den Fluss des Vergessens, und tausende Seelen die sich an seinen Ufern drängten. Er fragte seien Vater; Aeneis 6,710ff: „Antwort erteilte Anchises: »Die Seelen, die, göttlicher Weisung fügsam, erneut sich verkörpern, trinken vom Wasser der Lethe, schlürfen mit ihm Vergessenheit ein und Freiheit von Sorgen. Lange schon möchte ich dir von ihnen erzählen, sie zeigen, aufzählen dir die Nachkommen meines Geschlechtes: Mit größrer Freude begrüßt du danach mit mir die Entdeckung Italiens.« »Vater, so steigen denn wirklich von hier aus etliche Seelen aufwärts und schlüpfen aufs neue in träge irdische Körper? Weswegen streben die Elenden derart fanatisch zum Lichte?« »Darlegen will ich es dir und deine Bedenken zerstreuen«, gab Anchises zurück und erklärte der Reihe nach alles. »Geistige Kraft durchdringt seit Beginn den Himmel, die Erde, sämtliche Flächen des Wassers sowie die Titanengestirne Sonne und Mond, sie durchflutet als Weltseele nährend die Teile, treibt die gesamte Materie, verschmilzt mit dem riesigen Ganzen. Diesem entstammen die Menschen, die Tiere, die fliegenden Wesen, sämtliche Scheusale unter dem schimmernden Spiegel des Meeres. Feurige Stärke und himmlischen Ursprung besitzen die Wesen, werden beeinträchtigt nur von den schwachen, schädlichen Körpern, werden entkräftet von irdischen Gliedern und sterblichen Leibern. Daraus ergeben sich Furcht und Begierde, Kummer und Freude. Düsterem Kerker verfallen, erkennen die Seelen die reine Himmelsluft nicht. Sogar wenn das Leben erlosch an dem letzten Tage, verloren die Armen nicht völlig das Übel, nicht restlos wichen die Seuchen des Körpers. Es müssen in seltsamer Weise viele lang haftende Schwächen des Leibes auch Wurzeln in Seelen schlagen. So dulden die Seelen denn Qualen und sühnen durch Strafen frühere Sünden: Ausgereckt hängen die einen im Luftraum, Spielball der Winde; anderen werden die Flecken des Frevels sauber getilgt in tiefen Gewässern oder im Feuer. Jeder von uns unterliegt der eigenen Sühne. Im Anschluß schickt man uns in das weite Elysium, wenige freilich, die wir im Lande der Freude dann wohnen, bis uns der späte Zeitpunkt nach Ablauf der Frist befreit von dem Schandfleck und unsre himmlische Seele, das Feuer der reinen Höhe, zurückläßt. Alle die Seelen hier ruft, sobald sie im Kreislaufe tausend Jahre erfüllten, die Gottheit in Scharen zum Strome der Lethe. Ohne Erinnerung sollen sie wieder die Wölbung des Himmels sehen, den Wunsch zur Rückkehr in Körpergestalten empfinden.«“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17779 (vgl. Vergil-W, S. 290 ff.) (c) Aufbau-Verlag] …. Kaum dass Anchises gesprochen hatte nahm er Aineias und die Sibylle an der Hand, führte sie zum Fluss und zeigte ihnen unter der tausenden jene Seelen, die in späteren Zeiten in die Körper der Nachkommen des Anchises schlüpfen werden, jene, die ausersehen waren ein zukünftiges Weltreich zu regieren; Aeneis 6,756ff: „»Auf denn, ich möchte den künftigen Ruhm des Dardanerstammes, alle die Enkel, die aus italischem Blute uns bleiben, denkwürdig-glanzvolle Seelen als Erben unseres Namens, darlegen jetzt, dich auch aufklären über dein eigenes Schicksal. Dort, der Jüngling - du siehst ihn -, gestützt auf die Lanze des Herrschers, steht nach dem Lose am nächsten der Oberwelt, wird sich als erster heben zu himmlischen Lüften, italisches Blut in den Adern. Silvius heißt er - albanisch -, dein letzter Sprößling. Gealtert bist du, wenn deine Gemahlin Lavinia ihn in den Wäldern aufzieht zum König, zum Vater auch künftiger Herrscher. Durch diese soll dann unser Geschlecht in Alba Longa regieren. Anschließend stehen Prokas, der Ruhm des trojanischen Volkes, Kapys und Numitor, dann auch dein Namenserbe, Aeneas Silvius, trefflich zugleich durch Pflichtgefühl wie auch als Kämpfer, wenn er die Herrschaft in Alba dereinst übernimmt. Was für Jungen! Siehe doch, was sie für Kräfte erkennen lassen! Sie tragen, Retter von Bürgern, dicht um die Schläfen Eichenlaubkränze, werden Nomentum und Gabii, auch Fidenae dir gründen, hoch auf den Bergen die Festung Collatia, ferner Pometia, Castrum Iuni, Bola und Cora; sie allesamt werden später berühmt sein, heute noch Landschaften ohne Benennung. Anschließen wird sich ein Sprößling des Mars sogar noch dem Ahnherrn, Romulus; aufziehen wird, vom Assarakosstamm, ihn die Mutter Ilia. Siehst du ihn stehen mit doppeltem Helmbusch? Ihn zeichnet hier schon der Vater der Himmlischen aus mit dem würdigen Schmuckstück! Unter dem Segen des Romulus wird, mein Sohn, das berühmte Rom mit der Herrschaft die Welt, mit dem Mut den Olympus umfassen, sieben Festungen mit nur einer Mauer umschließen, fruchtbar an Helden. So zieht die berekynthische Mutter unter der Mauerkrone zu Wagen durch phrygische Städte, freut sich der göttlichen Kinder und schließt in die Arme an hundert Enkel, sämtlich Bewohner der ragenden Höhen des Himmels. Blicke hierher jetzt, betrachte dir diese Volksmenge: Deine Römer! Hier weilen Caesar und sämtliche Nachkommen deines Sohnes Iulus, die einstmals zum Himmel aufsteigen werden. Dieser Römer dort ist es, von dessen Erscheinen du oftmals hörtest: Augustus Caesar, der Sohn des Göttlichen. Über Latium, das einst Saturnus beherrschte, wird er das Goldne Zeitalter wiederum bringen, die Reichsgrenzen vorschieben über die Garamanten und Inder hinaus - dort leuchten ganz andre Sterne, dort zieht nicht die Sonne, wo Atlas, der Träger des Himmels, hoch auf den Schultern das strahlend gestirnte Gewölbe in Schwung hält. Heute schon bangen aufgrund der Orakel die Kaspischen Reiche wie auch Mäotien vor des Eroberers Ankunft, und angstvoll zittern die sieben Mündungen des gewaltigen Nilstroms.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17781 (vgl. Vergil-W, S. 291 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Während der Erzählung wanderten sie am Ufer der Lethe und Anchises zeigte ihnen noch die zukünftigen tarquinischen Könige, die großen Männer zukünftiger Eroberungen, auch Brutus, den Verräter, Cato, die großen Politiker, Künstler und Gelehrten und viele mehr und besonders jene Feldherren, die einst die Städte jener Griechen, die Troia zerstört haben, rächend unterwerfen werden. …. Aeneis 6,885ff „Derart durchstreiften sie weit und breit die Gefilde der Lüfte, nahmen genau in Augenschein alles, was sie erspähten. Hatte Anchises bis jetzt dem Sohne im einzelnen alles vorgeführt, ihn auch entflammt zum Erstreben künftigen Ruhmes, kam auf die Kriege er nunmehr zu sprechen, die noch zu führen waren, erzählte von den Laurentern, der Stadt des Latinus, von den Gefahren, die er teils meiden, teils durchstehen sollte. Träume benutzen zum Austritt zwei Tore. Das eine besteht aus Horn, ihm entschlüpfen mit Leichtigkeit die tatsächlichen Schatten; aus hellschimmerndem Elfenbein wurde das andre gestaltet, dadurch entlassen die Manen nur täuschende Träume zum Himmel. Hierher geleitete im Gespräche Vater Anchises Sohn und Prophetin, entließ sie darauf durch den Elfenbeinausgang. Schleunigst kehrte Aeneas zurück zu Flotte und Mannschaft, …“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17788 (vgl. Vergil-W, S. 296 ff.) (c) Aufbau-Verlag] …. Kaum waren die Winde günstig, gab Aineias den Befehl zur Weiterfahrt. Vorbei an den Ufern des Landes in dem die Zauberin Kirke wohnte, erreichten sie die Mündung des Flusses Tiberinus, etwas landeinwärts legten sie frohen Mutes an. …. Die Muse Erato erzählte dem Dichter Vergil, wer dieses Land regiert und flüsterte ihm den Ablauf der kommenden höherer Dinge in das Ohr, damit er sein großes Werk vollenden konnte. Aeneis 7,45ff: „König Latinus, bejahrt schon, regierte längere Zeit in tiefem Frieden Fluren und Städte, Sprößling des Faunus und der laurentischen Nymphe Marica. Faunus entstammte dem Picus, und dieser verehrte als Vater dich, Saturnus. Du bist der Ahnherr dieses Geschlechtes. Göttliche Weisung versagte dem alternden Herrscher Latinus männliche Erben; der einzige Sohn war, jung noch, gestorben. Eine Tochter allein war Erbin des Hauses und seiner reichen Besitztümer, volljährig schon und gereift zur Vermählung. Zahlreiche Männer des weiten Latium, ja aus dem ganzen Lande Italien umwarben sie, Turnus als stattlichster aller, mächtig allein schon durch Vater und Ahnen. Amata, des Königs Gattin, begehrte zum Schwiegersohn ihn mit besonderem Eifer. Göttliche Zeichen voll mancherlei Drohung verboten das aber.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17792 (vgl. Vergil-W, S. 299 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Mitten im Hofe des prunkvollen Palastes des Königs wuchs ein dem Apollon geweihter Ölbaum in dessen oberstem Geäst sich ein Bienenschwarm niederließ; Aeneis 7,68ff: „Ohne zu säumen, erklärte der Wahrsager: »Weit aus der Fremde sehe ich einen Helden kommen, ein Heer auch aus gleicher Richtung, mit gleichem Ziele, und herrschen in unserer Stadtburg!«“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17793 (vgl. Vergil-W, S. 299 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Auch das königliche Haar – wie entsetzlich! – der Jungfrau Lavinia, der einzigen Tochter des Königs, hatte an einer heiligen Flamme Feuer gefangen. Zutiefst beunruhigt wegen dieser bösen Zeichen ging König Latinus in den Hain der Nymphe Albuena, zur Orakelstätte seines verstorbenen Vaters Faunus, ließ 100 Schafe schlachten und legte sich auf die Felle; Aeneis 7,93ff: „Da scholl aus der Höhe des Haines die Stimme: »Niemals, mein Sohn, verheirate deine Tochter an einen Gatten aus Latium, meide die vorbereitete Hochzeit! Fernher naht sich der Schwiegersohn, wird mit seinem Geschlechte unseren Ruhm zu den Sternen tragen: Die Enkel von seinem Stamme werden, soweit die Sonne vom Ostmeer zum Westmeer leuchtet, die Völker der Welt unterwerfen und kraftvoll regieren.«“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17795 (vgl. Vergil-W, S. 301) (c) Aufbau-Verlag] Eilig flog Fama, die Göttin des Gerüchtes, durch die Länder und Städte und verbreitete, zur Beunruhigung des Volkes von Latium, den Spruch des göttlichen Faunus. ….. Während die ermüdeten Troianer an Land gingen und ein Mahl bereiteten, knabberte Julus, der bereits stattliche Sohn des Aineias, an einem Stück einer dünnen und vertrockneten Flade und sprach scherzend und nichts ahnend; Aeneis 7,113ff: „»Ha, auch die Tische verschmausen wir!« rief da Iulus, zum Scherze, ohne ein Wort noch hinzuzufügen. Aber der Ausruf sollte das Ende der Irrfahrt bedeuten. Kaum war er verklungen, griff ihn Aeneas schon auf, betroffen vom Walten der Götter. Schweigen gebot er der Runde und rief: »Ich grüße dich, Heimat, die mir vom Schicksal bestimmt, auch euch, ihr treuen Penaten Trojas! Hier findet ihr Wohnstatt und Vaterland! Dieses Geheimnis hat mir mein Vater Anchises - jetzt fällt es mir ein - hinterlassen: 'Nötigt, mein Sohn, dich an einem fremden Gestade der Hunger, nach der dürftigen Mahlzeit auch noch die Tische zu essen, glaube, trotz deiner Erschöpfung, die Heimat gefunden zu haben, lasse gleich Häuser errichten, umgib sie mit mächtigem Schutzwall!' Damit beschrieb er den Hunger von heute, der unsere bittre Irrfahrt beschließt! Auf denn, sogleich bei Aufgang der Sonne lasset uns voller Freude das Land hier und seine Bewohner, auch Städte erkunden, aufbrechen uns vom Landeplatz aus nach verschiedenen Seiten! Bringt jetzt dem Jupiter Trankopfer dar und betet zu meinem Vater Anchises, setzet die Weinkrüge auf zum Gelage!« Derart sprach er, umkränzte die Schläfen mit grünenden Zweigen, flehte zum Schutzgeist der Stätte, zu Tellus darauf als der ersten Gottheit, den Nymphen sodann, den Flüssen auch, die er noch gar nicht kannte, zur Nacht und zu ihren soeben aufglänzenden Sternen, jetzt zum idäischen Jupiter und zur phrygischen Mutter sämtlicher Götter, den Eltern zum Schluß in Himmel und Orkus. Hoch aus dem heiteren Äther ließ der allmächtige Vater dreimal den Donnerschlag grollen und senkte vom Himmelsreich eine feurig und golden umglitzerte Wolke schwingend hernieder. Unter den Troern verbreitete gleich sich die Kunde, gekommen sei jetzt der Tag zur Gründung der Stadt, die sie aufbauen sollten. Feierlich setzten die Mahlzeit sie fort und schleppten, des guten Vorzeichens froh, voller Eifer die Weinkrüge, kränzten die Becher.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17796 (vgl. Vergil-W, S. 301 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Gleich am nächsten Morgen schickte Aineias Kundschafter aus um das Land ihrer Verheißung zu erkunden und sich dem König vorzustellen. Die Gruppe unter der Leitung des Ilioneus erreichte bald die Mauern einer Stadt mit hochragenden Bauten. An der höchsten Stelle erblickten sie den auf hundert Säulen stehenden prachtvollen Palast des Königs Latinus. Aeneis 7,192ff: „Mitten in diesem Heiligtum saß auf dem Throne der Väter König Latinus, berief die Trojaner zu sich und erklärte ihnen nach ihrem Eintritt ins Schloß mit freundlichen Worten: »Dardaner, sagt, was ihr wünschet! Wir kennen ja euch wie auch eure Stadt und vernahmen von eurer Landung an unserer Küste. Warum, aus welcher Notlage fuhret ihr über die weiten bläulichen Wogen zum Strande Ausoniens? Mögt ihr auf einer Irrfahrt, mögt ihr, von Stürmen verschlagen - ein Schicksal, das oftmals Schiffern auf hohem Meere zuteil wird -, in unseres Flusses Mündung gefahren sein, nunmehr an sicherem Ankerplatz ruhen: Lehnt nicht die Gastfreundschaft ab, die wir bieten. Bedenkt, wir Latiner, Enkel Saturns, wir üben Gerechtigkeit ohne Gesetze, zwanglos, freiwillig, dem Brauche des uralten Gottes nur folgsam. Wie ich mich jetzt noch erinnre - Jahre verdunkeln den Hergang -, sagten betagte Aurunker, Dardanos stamme aus unsrem Lande, von hier aus sei er zu Phrygiens idäischen Städten und auf das thrakische Samos, heut Samothrake, gezogen. Er, der von Kórythos aufbrach, einer Stadt der Tyrrhener, sitzt jetzt im goldnen Palast des gestirnten Himmels auf hohem Throne, vermehrt durch seine Altäre die Reihen der Götter.« Darauf entgegnete ihm Ilióneus mit folgenden Worten: »König, erhabener Sprößling des Faunus, uns jagte kein wilder Sturmwind über die Fluten an eure rettende Küste, leitende Sterne täuschten so wenig uns wie das Gestade. Planmäßig sind wir, mit voller Absicht, gekommen zu eurer Hauptstadt. Wir wurden vertrieben aus einem der mächtigsten Reiche, das je die Bahn der Sonne vom Rande des Himmels erblickte. Jupiter gilt uns als Ahnherr, ihn feiern Dardanias Männer freudig als Stammvater, ihm, dem Größten, entstammt auch Aeneas, König der Troer. Dieser schickt uns zu deinem Palaste. Welch ein Orkan aus dem wilden Mykene die Fluren am Ida grausam durchtobte, welch furchtbares Schicksal die zwei Kontinente Asien und Europa zum Kampf auf die Schlachtfelder hetzte, davon vernahmen die Menschen am äußersten Nordrand der Erde, den der Okeanos abschließt, auch jene der heißesten Zone, die sich inmitten der anderen vier in der Sonnenglut ausdehnt. Seit der vernichtenden Flut durchirrten wir zahlreiche Meere. Heute erbitten wir Wohnrecht für unsere Götter, ein kleines, harmloses Landstück am Strande, dann Wasser und Luft, das Gemeingut. Keinerlei Schande bringen wir eurem Reich, ihr gewinnt nur glänzenden Ruhm, nie erlischt der Dank für die Hilfe, und niemals werden Ausonier die freundliche Aufnahme Trojas bedauern. Bitte, verschmähe uns nicht, wenn zum Flehen wir freiwillig unsre bindenumwickelten Arme erheben! Ich schwöre wahrhaftig, bei dem Geschick des Aeneas und seiner gewaltigen Rechten, treu, auf dem Schlachtfeld bewährt auch: Zahlreiche Völker und Stämme wünschten sich dringend in Frieden und Freundschaft mit uns zu verbünden! Göttliche Weisungen aber befahlen uns streng, nur in eurem Lande die Zuflucht zu suchen. Dardanos ward hier geboren, Phöbus verlangt von uns Rückkehr zum Ursprung und drängt auf Gehorsam, hier zum tyrrhenischen Thybris, zur heiligen Quelle Numicus.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17800 (vgl. Vergil-W, S. 303 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Nachdem Ilioneus gesprochen hatte überreichte er dem König die Gastgeschenke; einen goldenen Becher des Anchises, die Kleidung des Priamos die er trug, wenn er vor dem Volk Recht sprach, auch das Zepter und die Tiara des ermordeten Königs und den Mantel, den ilische Frauen gefertigt hatten. Den König jedoch quälten Gedanken. Er erinnerte sich an den Orakelspruch seines toten Vaters Faunus. Tief in der Brust erkannte er in Aineias jenen verheißenen Mann, den er seiner Tochter zum Gemahl geben sollte und der mit Macht und Würde das Land beherrschen und Ahnherr eines Geschlechtes werden sollte, das mit seiner Kraft den gesamten Erdkreis regieren werde. Erfreut antwortete er den Troianern; Aeneis 7,259ff: „…………………………..»Mögen die Götter denn unser Vorhaben segnen, sie lenken es ja! Ich erfülle den Wunsch dir, Troer, und weise die Gaben nicht ab. Im Reich des Latinus sollt ihr ertragreiche Fluren und Trojas Wohlstand nicht missen. Komme Aeneas doch selber, wenn er so dringend uns sehen, Freundschaft schließen, als Bundesgenosse dastehen möchte, scheue sich nicht, vor die Augen wohlwollender Männer zu treten! Gilt mir ein Händedruck doch schon als Teilstück des künftigen Friedens. Jetzt übermittelt eurem Gebieter meine Entgegnung: Meine Tochter als Gattin einem Landsmann zu geben, ist mir verwehrt durch Orakel, die mir mein Vater erteilte, wie auch durch himmlische Zeichen. Der Schwiegersohn kommt aus der Fremde, sagen sie, bleibt hier in Latium, trägt mit seinem Geschlechte unseren Ruhm zu den Sternen. Ich halte Aeneas für jenen, heiße den - wenn ich nicht irre - Schicksalserwählten willkommen.«“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17804 (vgl. Vergil-W, S. 306 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Während sich für die Flüchtlinge aus Troia, allen voran Aineias, alles zum Besten wendete, kochte Juno, die Gattin Jupiters, vor Wut. Sollte alles vergebens gewesen sein, der Untergang von Troia, ihre Bemühungen die Flüchtlinge mittels Stürmen im Meere zu vernichten, sollte die Schmach, die ihr Paris einst durch die Überreichung des goldenen Apfels an Venus zugefügt hatte, wirklich ungerächt bleiben, sollten die Troianer wirklich überleben, ein neues Troia errichten und Beherrscher der Welt werden …! Wütend schüttelte sie ihr Haupt und schrie: „Diese verhasste Brut! ….“. Bebend vor Zorn schwebte sie Schreck erregend zur Erde, scheuchte die Rachegöttinnen aus ihren Behausungen, allen voran die Trauer bringende Allekto, der kummervolle Kriege am Herzen liegen und Hinterlist und verderbliche Verleumdung, ein Scheusal mit einer grauenvollen Fratze, aus der sich hunderte Schlangen winden. Zu ihr sprach die rächende Göttin; Aeneis 7,332ff: »Bitte, jungfräuliche Tochter der Nacht, erweise mir einen Liebesdienst: Niemals verdunkelt, zerbrochen gar werde mir meine Ehre, und niemals umgarne Aeneas den König Latinus listig mit Hochzeitsplänen und setze sich fest in Italien! Einträchtig lebende Brüder vermagst du zum Kampf zu entzweien, Haß in Familien zu säen, tödliche Fackeln und Geißeln wild in die Häuser zu schleudern; tausendfach läßt du dich nennen, tausendfach weißt du zu schaden! Deinen Erfindergeist sporne, tilge die Friedensvereinbarung, streue die Samen des Krieges! Sämtliche Männer sollen die Waffen verlangen und packen!« [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17808 (vgl. Vergil-W, S. 308) (c) Aufbau-Verlag] Auf der Stelle flog Allekto zu Amata, der Gemahlin des Königs, die wegen der Ankunft des Aineias und der vereitelten Hochzeit ihrer Tochter mit Turnus, bereits vor Zorn kochte. Die Rachegöttin warf ihr eine Schlange an die Brust die, sich in ein goldenes Halsband verwandelnd, der Königin die Seele einer Schlange einhauchte. Durch dieses die Sinne ergreifende Gift sollte das gesamte Herrscherhaus des Latinus vernichtet werden. Als ein letzter Versuch Amatas die Hochzeit des Turnus mit Lavinia doch noch zu erreichen am Widerstand des Königs scheiterte, begann das Gift der Racheschlange zu wirken. Laut schreiend stürzte die Unselige aus dem Palast, wahnsinnig und haltlos wie eine Besessene lief sie durch die Stadt und rief die Frauen auf ihr, der Königin zu folgen. In bacchantischem Wahn verließen die Frauen, Furien gleich, die Stadt, zogen in die Wälder und feierten Feste zur Ehre des Gottes des Weines. Allekto, sehr zufrieden mit ihrer zerstörerischen Wirkung, zufrieden mit der Unruhe, die sie in den Palast und die Stadt des Königs gebracht hatte, flog zur Stadt der Rutuler und in den Palast des Turnus. In ein altes Mütterchen verwandelt, als Ebenbild der Calybe, der greisen Priesterin des Junotempels, ließ sie sich neben dem schlafenden König nieder, weckte ihn und sprach; Aeneis 7,420ff: »Turnus, du läßt so zahlreiche Mühen erfolglos verrinnen, läßt es geschehen, daß troische Siedler dein Zepter ergreifen? Schlägt doch Latinus die Hochzeit und die mit dem Blute erworbne Mitgift dir ab und holt sich den Erben der Macht aus der Fremde! Auf denn, du Opfer des Hohnes, besteh die Gefahren, die keinen Dank dir erwerben, schlag die Tyrrhener, beschütz die Latiner! Während du ruhtest in nächtlicher Stille, sollte ich diese Forderung der allmächtigen Juno dir rückhaltlos stellen. Lasse voll Zuversicht deine Mannschaft sich rüsten, zum Kampfe ausrücken sie und die phrygischen Fürsten samt ihren bemalten Schiffen im Lager am Ufer des lieblichen Flusses vernichten! Das verlangen die mächtigen Himmelsbewohner. Und sollte König Latinus dir wortbrüchig seine Tochter verweigern, möge er selbst noch verspüren, was Turnus an Kriegstaten leistet!« [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17813 (vgl. Vergil-W, S. 311) (c) Aufbau-Verlag] Turnus glaubte ihr nicht und nannte sie eine verwelkte, in ihrer Urteilskraft geschwächte Alte. Aeneis 7,443ff: „Diese Entgegnung entflammte Allekto zu wütendem Zorne. Darauf ergriff den Jüngling noch beim Sprechen ganz plötzlich ein Zittern, stier verharrte sein Blick: So zischte die Furie mit Schlangen, zeigte sich gräßlich in wahrer Gestalt. Mit glühenden Augen stieß sie zurück den Mann - der rang noch, vergeblich, um Worte -, ließ aus den Haaren zwei Schlangen sich hochrecken, knallte mit ihrer Peitsche und schleuderte rasend ihm folgende Worte entgegen: »Sieh mich doch an, die das träge, nicht länger der Wirklichkeit offne Alter im Kampflärm der Fürsten mit sinnlosem Schrecken verspottet! Schau hier: Ich kam vom Wohnsitz der schrecklichen Schwestern, ich trage Kriege und Tod in der Hand!« Damit schnellte sie auf den Jüngling die Fackel und bohrte tief in das Herz ihm den Kienspan, der düster noch schwelte. Entsetzen scheuchte den Fürsten jäh aus dem Schlafe, in plötzlichem Ausbruch drang aus dem Leib ihm der Schweiß, überströmte sämtliche Glieder. Aufgewühlt schrie er nach Waffen und suchte im Bett sie, im Zimmer. Gier nach dem Mordstahl trieb ihn, verbrecherisch rasender Kriegswahn, Zorn obendrein, wie wenn entzündetes knisterndes Reisig rings um den kochenden Kessel geschichtet wird, siedend das Wasser höher noch aufwallt, die qualmende Masse Schaumkronen bildet, schließlich hoch über den Rand die Gischtflocken sprühen, die Wellen nicht mehr sich halten und aufwärts, wie Nebel, die Dampfwolken wirbeln. Gegen Latium also rief nach dem Bruche des Friedens Turnus die Führer der Mannschaften auf und befahl, sich zu rüsten, kämpfend Italien zu schützen, den Feind aus dem Lande zu drängen: Beiden, Latinern wie Teukrern, seien sie völlig gewachsen. Als den Befehl er gegeben, die Götter unter Gelübden angefleht hatte, spornten die Männer sich wetteifernd selber; manchen bewog die jugendlich-frische Erscheinung des Fürsten, manchen sein uralter Adel oder sein tüchtiges Handeln. Während Turnus die Rutuler mahnte zu mutigem Einsatz, schwebte Allekto auf stygischen Schwingen geschwind zu den Teukrern, weitere Tücken im Sinn.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17814 (vgl. Vergil-W, S. 312 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Die Troianer hatten sich am Ufer des Tiber häuslich niedergelassen, Hütten und Schutzwälle gebaut und begaben sich auf die Jagd. Während Julus Fallen stellte erschien Allekto, ließ Wut in die Jagdhunde fahren und bestrich ihre Schnauzen mit jenem Geruch, der sie hitzig auf einen Hirsche werden ließ, der in der Nähe äste. Dieses wunderschöne Tier hatten einst die Söhne des Tyrrhus, des Halters der Viehherden des Königs, den Zitzen der Mutter entrissen und ihrer Tante Silvia übergeben, die das scheue Junge bei sich aufnahm und mütterlich aufzog. Völlig gezähmt fraß der jetzt stolze Hirsch gerne aus fütternden Händen, ließ sich bürsten, baden und mit Bändern schmücken und wurde zum treuen Genossen des Hauses und von den Bürgern der Stadt geliebt. Nach freier Lust streifte er durch die Wälder, kehrte aber immer wieder in die vertrauten Gemächer zurück. Die Hunde bekamen Witterung - Allekto freute sich -, stürzten in das Gebüsch und jagten den Hirsch vor Julus, der den Bogen spannte und traf. Mit dem Pfeil tief im Gedärm floh der Getroffene in die Stadt, in die vertraute Behausung. Silvia sah ihren blutüberströmten Schützling, schrie laut auf, fordert Hilfe und beschwor alle Männer sofort rächend in die Wälder zu ziehen, denn dort lauerte ja das schlimme Verderben. Die grauenhafte Allekto, sie, die sich an Krieg und fließendem Blut todbringend erfreute, sah die Chance und ließ den schrecklichen Hornruf über das Land erschallen. Die Männer Latiums wurden von Wut erfasst, griffen nach Waffen, Holzknüppeln, Keulen, Beilen, jeder was er gerade vorfand und eilten rachelüstern in die Wälder. Die kriegserprobten Männer im Lager der Troianer erkannten die Gefahr, griffen ihrerseits zu den Waffen und eilten Julus zur Hilfe. Zwei Schlachtreihen standen sich gegenüber, ein erster Pfeil schwirrte durch die Luft und traf den jungen Almo, den ältesten Sohn des Tyrrhus. Eine wilde Schlacht begann, Ströme von Blut tränkten die Erde, Leichen bedeckten den Boden und Allekto jubelte und flog triumphierend durch die Lüfte zu Juno, ihrer Auftraggeberin; Aeneis 7,545ff: „Während, noch ohne Entscheidung, der Kampf auf dem Schlachtfelde tobte, schwebte Allekto nach Einlösung ihres Versprechens - sie hatte blutig eröffnet den Krieg und die ersten Verluste gefordert - weg von Hesperien, schwang durch die Lüfte sich aufwärts zum Himmel, sagte zu Juno, stolz über ihr nunmehr erfolgreiches Wirken: »Siehe, da hast du die Zwietracht, sie gipfelt in offenem Kampfe! Sollen sie Freundschaft jetzt schließen und durch Verträge besiegeln! Wo ich nun schon mit ausonischem Blute die Troer befleckte, möchte ich eines hinzufügen, bleibt mir dein Wohlwollen sicher: Will durch Gerüchte benachbarte Städte zum Eingreifen reizen, sie in wahnwitziger Kriegslust entflammen, ringsher den Parteien Hilfe zu bringen. Ausweiten will ich den Schauplatz der Kämpfe.« Juno indessen erklärte: »Genug der List und der Schrecken! Kriegsgründe wirken, schon metzeln die Männer mit Schwertern sich nieder; Waffen, gezückt erst vom Zufall, triefen stets weiter vom Blute. Sollen der wackre Sprößling der Venus und König Latinus derart doch feiern die Eheverbindung mit herrlicher Hochzeit! Allzu freizügig will dich der Vater, des hohen Olympus Herrscher, nicht über die Bahnen des Äthers hinstreifen lassen. Zieh dich zurück! Was noch weiter zu tun bleibt, möchte ich selber ausführen.« Dies gab Juno zur Antwort.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17819 (vgl. Vergil-W, S. 315 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Die Göttin Juno, die Rachesüchtige, nahm nun die Vernichtung der Troianer selbst in die Hand. Als nach dem sieglosen Ende der ersten Schlacht die überlebenden Latiner die Verletzten und die Toten, allen voran den Jüngling Almo, in ihre Stadt trugen, erhob sich ein Wehgeschrei und der Ruf nach Rache. Turnus erschien und warf dem König vor: Die Troianer ließ man in das Land, mit diesem phrygischen Gezücht wolle man sich vermischen, aber ihn, dem man die Tochter des König zur Frau und die Herrschaft im Lande versprochen habe, ihn habe man verstoßen! Aus den Wäldern erschienen, gleich bacchantischen Furien und noch trunken vom Hauch der Schlangen der Allekto, die Königin Amata mit ihrem rasenden Gefolge und forderten einen grausamen Krieg und die Vernichtung von Aineias und allen Troianern. Gemeinsam zog das Volk zum König, umlagerte den Palast, aber Latinus blieb hart wie ein Fels in der Brandung und zog sich in seine Gemächer zurück. Er, der Alte, der bereits an der Schwelle zur Ewigkeit stand, hatte sich einen Tod in einem friedlichen Land erwartet, nun aber betete er zu den Göttern und ließ den unheilvollen Dingen freien Lauf. ….. In Latium gab es einen Brauch, der seit Jahrhunderten von den albanischen Städten geheiligt und mehr als 1000 Jahre später in Rom noch gepflegt wurde. Wann immer ein König einen Krieg erklären musste, dann öffnete er zuerst die mit hundert Riegeln verschlossene Pforte des Krieges. König Latium war gezwungen Aineias und seinen Leuten den Krieg zu erklären, aber er öffnete die Pforte nicht, wendete sich ohne sie zu berühren ab, kehrte er in seine abgedunkelten Gemächer zurück und schloss sich ein. Aber die Königin der Götter, die rachesüchtige Juno, wollte die Vernichtung der Troianer, schwebte vom Himmel herab und öffnete persönlich die schreckliche Pforte. Damit erklärte die Göttin höchst persönlich den Krieg. ….. Und wieder bittet Vergil die Musen; Aeneis 7,641ff: „Öffnet den Helikon jetzt, ihr Musen, und singt mir die Lieder: Welche Fürsten zum Krieg man entbot, was jedem an Mannschaft folgte aufs Schlachtfeld, mit welchen tapferen Helden Italien damals schon prangte, mit welchen Waffentaten es glänzte. Fest im Gedächtnis bewahrt ihr es, Göttinnen, könnt es erzählen; unsere Ohren erreicht nur der flüchtige Lufthauch der Sage.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17825 (vgl. Vergil-W, S. 318 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Sofort wurden im ganzen Land und in den befreundeten Städten der Umgebung die Kriegsvorbereitungen getroffen. Alle kampffähigen Männer Latiums und tausende Krieger befreundeter Stämme stellten sich Turnus zur Verfügung. ….. Zutiefst beunruhigt von den Kriegsvorbereitungen des Turnus legte sich Aineias zu später Stunde am Ufer des Tiber nieder, fand aber keinen Schlaf. Plötzlich erschien ihm der Gott des Flusses; Aeneis 8,31ff: „Da erschien ihm die Gottheit der Stätte, der uralte Tiber, stieg durch das Dickicht der Pappeln hervor aus dem lieblichen Strome. Bläulich umhüllte ein Mantel aus feiner Leinwand den Körper, schattendes Schilfrohr, zum Kranze gewunden, bedeckte die Haare. Tröstlich benahm der Gott dem Helden die qualvollen Sorgen: »Sprößling der Götter, der du aus Scharen von Feinden uns Troja wieder zurückbringst und treulich das ewige Pergamon hütest, sehnlich erwartet vom Boden Laurentums, von Latiums Fluren, bleibe, hier ist dir die Heimat, hier sind die Penaten dir sicher! Laß dich nicht schrecken vom drohenden Krieg! Die Erregung der Götter hat sich gelegt. Doch zum Beweis, daß kein Traumbild dich narrt, vernimm das Orakel: Auffinden wirst du unter den Eichen am Ufer bald eine stattliche Sau, die dreißig Frischlinge warf; auf dem Boden liegt sie, weißleuchtend; weißleuchtend umdrängen die Jungen die Zitzen. [Ebendort baust du die Stadt, den Ruhepunkt nach den Strapazen.] Ebendort gründet nach dreißig Jahren Ascanius eine Stadt mit dem ruhmreichen Namen 'Weißleuchtend': Alba. Untrüglich gebe ich Auskunft. Jetzt laß dir in Kürze - gib Obacht! - erklären, wie du als Sieger aus dem dich bedrohenden Kriege hervorgehst. Hier in Italien suchten Arkader, Enkel des Pallas, unter dem König Euander und ihm als Heerschar verpflichtet, eine geeignete Stelle sich aus und errichteten eine Stadt in den Bergen, dem Ahnherrn gemäß Pallantéum mit Namen. Andauernd stehen sie gegen das Volk der Latiner in Waffen. Wirb sie als Kampfgenossen, schließe ein Bündnis mit ihnen! Selber will ich in meinem Naß dich, stromaufwärts, geleiten, will es so einrichten, daß du beim Rudern die Strömung bewältigst. Auf denn, du Sprößling der Göttin, sofort, wenn die Sterne versinken, bete gehörig zu Juno, beschwichtige fromm durch Gelübde ihren bedrohlichen Zorn! Mir brauchst du erst nach dem Erfolge Ehren zu zollen. Ich bin der bläuliche Thybris - mit voller Strömung siehst du mich zwischen den Ufern die fruchtbaren Fluren eifrig durchziehen -, der Strom, den aufs höchste die Himmlischen schätzen Hier erhebt sich mein Schloß, ich entspringe bei Städten der Berge.« Gleich nach den Worten verschwand der Gott in der Tiefe des Flusses.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17837 (vgl. Vergil-W, S. 325 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Bei Tagesanbruch stattete Aineias sofort zwei Schiffe aus. Während seine Männer bei stehendem Wasser flussaufwärts ruderten, erblickten sie in einer Waldlichtung eine weiß schimmernde Muttersau mit 30 Frischlingen. Einen Tag und eine Nacht ruderten sie. Endlich erreichten sie die Stadt des greisen Königs Euander, eines Arkadiers, der einst aus Griechenland nach Italien auswanderte und sich auf dem Palatin niedergelassen hatte. Sich auf die gemeinsame Abstammung berufend bat Aineias den König um Unterstützung im Kampf gegen Turnus und seine Krieger. Euander erzählte dem Bittsteller von seiner Freundschaft mit Anchises, dem Vater des Aineias, und sagte ihm die erbetene Unterstützung zu; Aeneis 8,171ff: „Deshalb besteht schon für mich das von euch erbetene Bündnis, und wenn das Tageslicht morgen den Erdkreis erleuchtet, entlasse ich euch - ihr sollt euch an Mannschaft und weiteren Hilfsmitteln freuen.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17845 (vgl. Vergil-W, S. 330-331) (c) Aufbau-Verlag] Nach Feierlichkeiten zur Ehre des Hercules und einem reichlichen Opfermahl bat der vom Alter gebeugte König Aineias in sein Haus und wies ihm einen Schlafplatz an. ….. Während alle schliefen wachte Venus. Sie ängstigte sich um ihren Sohn und bat ihren Gemahl Volcanus, ihn liebevoll umgarnend, für Aineias doch die gleichen Waffen zu schmieden wie er sie einst für Achilleus gefertigt hatte. Ergriffen von der ewig währenden Liebe zu seiner Gattin - Aeneis 8,388f: „Er empfing wie gewohnt plötzlich ihre Liebesflamme, und vertraute Wärme drang ihm ins Herz und durchrieselte ihm die wankenden Knie, ….“ Freilich versprach er ihr sofort die Erfüllung des Wunsches und – Aeneis 8,404ff: „ ……………………………………………………..Und voller Sehnsucht umarmte er sie und fand, in den Schoß der Gemahlin innig geschmiegt, den wohltuend sanften, erquicklichen Schlummer.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17858 (vgl. Vergil-W, S. 339) (c) Aufbau-Verlag] Frühmorgens, mit wieder erstarkten Knien, begab er sich sofort in den Ätna und beauftragte die Kyklopen mit der Herstellung der Rüstung und der Waffen für Aineias. Gemeinsam begannen sie mit der Arbeit. ….. Nach einer erholsamen Nacht besprachen sich König Euander, sein Sohn Pallas und Aineias; Aeneis 8,468ff: „König Euander begann: »Mächtigster Feldherr der Teukrer, ich werde, solange du atmest, niemals die troische Macht als besiegt und verloren erachten. Freilich, wir steuern zum Krieg, im Vergleich mit eurem so hohen Ruhme, nur weniges bei. Dort umschließt uns der tuskische Flußlauf, hier umklirren die Rutulerwaffen unsere Festung. Aber gewaltige Völker und machtvoll verbündete Heere will ich dir zuführen; wider Erwarten bietet uns solchen Vorteil die Stunde: Auf Weisung des Schicksals bist du zur Stelle! Ganz in der Nähe erhebt sich die Stadt Agylla, in alten Zeiten auf Felsen errichtet. Hier, auf etruskischen Höhen, wurde ein lydischer Volksstamm, berühmte Krieger, einst seßhaft. Jahrelang blühte das Volk, bis König Mezentius grausam es unterdrückte, mit Waffengewalt, in despotischer Willkür. Soll ich die gräßlichen Morde, die Greuel des wilden Tyrannen aufzählen? Mögen die Götter es heimzahlen ihm und der Sippe! Fesselte er doch Lebende eng mit Toten zusammen, preßte die Hände auf Hände und Antlitz auf Antlitz, zu einer ausgesucht furchtbaren Qual, und ließ in der Folterumschlingung, eiterzerfressen, verwesend, die Elenden langsam verenden! Endlich ward es dem Volke zuviel. In Waffen umringten Bürger das Schloß und in ihm den schrankenlos wütenden Fürsten, schlugen die Höflinge tot und steckten in Brand das Gebäude. Doch der Despot entrann dem Verderben, die Rutulerfluren boten ihm Zuflucht, sein Gastfreund Turnus bewaffnete Hilfe. Jetzt, in berechtigter Wut, erhoben sich alle Etrusker, forderten, auch schon entschlossen zum Kriege, den Tod des Tyrannen. Ihnen, den Tausenden, will ich zum Feldherrn dich geben, Aeneas. Denn die Besatzungen der an der Küste versammelten Schiffe murren und drängen zum Angriff, doch hemmt mit Orakeln ein alter Seher die Ausfahrt: 'Erlesene junge Kämpfer Mäoniens, blühende Zeugen uralten Mutes! Berechtigter Kummer treibt euch aufs Schlachtfeld, Mezentius erntet gebührend den heißen Zorn: Doch es darf kein Italer als Feldherr solch mächtigen Volksstamm führen! Den Feldherrn holt euch von auswärts!' Betroffen von dieser Warnung der Götter, verhält das Etruskerheer kampflos auf seinem Platze. Boten mit Zepter und Reichskrone sandte Fürst Tarchon selber zu mir, vertraute mir an die Zeichen der Herrschaft: Kommen soll ich zum Heer, die etruskische Macht übernehmen. Aber das lähmende, kalte, von langen Jahren erschöpfte Alter, die sinkenden Kräfte, zur Tat nicht mehr fähig, verwehren mir ein Befehlshaberamt. Ich würde dem Sohne es raten, doch die sabinische Mutter macht ihn zum halben Italer. Du, nach Alter und Adel vom Schicksal begünstigt, von Göttern sichtbar berufen, du, zeig dich als tapferster Feldherr der Teukrer wie der Italer! Auch meinen Trost und mein Hoffen, den Pallas, will ich dir mitgeben. An die Strapazen des Krieges, das harte Handwerk des Mars, soll er sich beizeiten gewöhnen, bewundernd deine Taten vor Augen, von dir geleitet. Ich gebe zweihundert Reiter ihm mit, erlesene junge Arkader; ebenso viele erwählt zur Begleitung auch Pallas sich selber.«“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17862 (vgl. Vergil-W, S. 341 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Plötzlich zuckte krachend ein Blitz vom Äther, ein Zeichen der Mutter, Venus forderte zum Aufbruch auf. Erfreut nahm Anchises diesen Auftrag zur Kenntnis, opferte den Göttern, dann eilte er zu den Booten, befahl die besten Männer zu sich und schickte den Rest der Mannschaft zurück. Euander stattete alle mit Pferden aus. Viele Tränen vergoss der greise König beim Abschied von seinem geliebten Sohn und umarmte ihn in der Hoffnung ihn einmal wieder zu sehen. Mit bangen Blicken verfolgten die Mütter den Auszug der Krieger durch das Tor der Stadt. In einem Hain nahe der Stadt Caere (heute Vaccino) schlugen sie ihr Lager auf um mit den Tyrrhenern zu verhandeln. Etwas abseits der Mannschaft, nahe bei einem Fluss, erblickte Venus ihren Sohn, übergab ihm die von Volcanus und seinen Kyklopen gefertigte Rüstung und die Waffen und forderte ihn auf die Laurenter und Turnus zum Kampf zu fordern. Aineias war überwältigt beim Anblick der Kunstwerke. Das unbeschreibliche Bildwerk des Schildes zeigte, Volcanus kannte ja die Zukunft, das kommende Schicksal der Stadt Rom bis zu Augustus, dem Nachkommen des Aineias und zukünftigen Kaisers und Beherrschers der Welt. ….. Juno, sie hasste noch immer die Troianer, forderte Turnus auf die Gunst der Stunde zu nützen, das Hauptlager der Troianer während der Abwesenheit des Aineias zu überfallen und diese Fremden auszurotten. Mit einer gewaltigen Streitmacht überfiel Turnus die Wehrburg und befahl die Schiffe der Troier in Brand zu setzen. Schnell griff die Göttin Kybele ein, führte die unbemannten Schiffe aus dem Hafen und verwandelte sie in Meeresgottheiten, in Wassernymphen. Mit jener Kraft, die nur durch Verzweiflung möglich wird, gelang es den Troern unter vielen Verlusten den Angriff abzuwehren. ….. Wütend wegen der kriegerischen Auseinandersetzung hat Gottvater Jupiter die Gottheiten auf den Olymp befohlen. Er beginnt; Aeneis 10,6ff: »Warum, ihr mächtigen Himmelsbewohner, wurdet ihr wieder anderen Sinnes und streitet euch derart erbittert? Ich wünschte, daß ihr am Kriege Italiens gegen die Troer nicht teilnehmt! Warum jetzt Zwietracht entgegen der Weisung? Welche Befürchtung riet euch, Partei zu ergreifen und blutige Kämpfe zu schüren? ….“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17925 (vgl. Vergil-W, S. 381) (c) Aufbau-Verlag] Frieden in Italien wollte er, doch Venus wollte den endgültigen Sieg ihres Sohnes Aineias, damit er über Italien herrsche und seine Nachkommen einmal die Beherrscher der Welt sein sollen, genau so, wie es ihnen vom Schicksal vorher bestimmt war (Ilias 20,302ff). Juno aber, noch immer beleidigt wegen des Urteils des Paris, wollte die endgültige Vernichtung aller Troianer. Die göttlichen Himmelsbewohner waren unterschiedlicher Meinung, resigniert befahl Jupiter als Gebieter der Götter und Menschen den Dingen freien Lauf zu lassen; Aeneis 10,113: „ …..Bahne das Schicksal die Wege!« [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17931 (vgl. Vergil-W, S. 384) (c) Aufbau-Verlag] ….. Voller Zuversicht begab sich Aineias in das Lager der von den Rutulern unterworfenen Etrusker zu König Tarcho. Der König verlor keine Zeit und schloss mit Aineias sofort ein Bündnis. Vom Tiber bis Mantua, von Latium bis in die Ebene des Po, schlossen sich etruskische Edelleute mit ihren Heerscharen den Troianern an. Tausende auserwählte Krieger segelten auf 30 Schiffen unter der Führung des Aineias südwärts gegen die Rutuler, gegen ihren Heerführer Turnus. Im Dunkel der Nacht schmiegte sich Pallas, der noch Knabenhafte, den Euander, der greise Vater, dem Aineias anvertraut hatte, ängstlich an Aineias und fragte ihn nach den Sternbildern, den Wegweisern in der Nacht, und nach den Tücken des Meeres. Das Orakel des Sehers: „Doch es darf kein Italer als Feldherr solch mächtigen Volksstamm führen! Den Feldherrn holt euch von auswärts!“ hatte sich erfüllt. ….. Noch in der Nacht übernahm Aineias lenkend das Steuerruder und bediente die Segel. Auf halbem Wege begegnetem ihm tanzende Nymphen, es waren jene die einst seine Schiffe waren und die von Kybele in Meeresgottheiten verwandelt wurden. Eine von ihnen, die sprachgewandte Kymodokeia, hielt sich am Heck fest und sprach zu dem ahnungslosen Lenker des Schiffes; Aeneis 10,227ff: „ ……………………………..»Du wachst noch, Aeneas, Göttersproß? Wache nur weiter, lockre die Taue der Segel! Wir, die wir Fichten einst waren vom heiligen Gipfel des Ida, deine Flotte, wir sind heut Nymphen der See. Der Verräter Turnus gedachte uns jäh zu vernichten durch Eisen und Flammen, aber wir sprengten, der Not gehorchend, dein haltendes Tauwerk, suchen dich jetzt auf den Wogen. Die Mutter erbarmte sich unser, ließ uns in dieser Gestalt als Göttinnen leben im Meere. Höre: Dein Sohn Ascanius wird in der Festung belagert, ringsum von Waffen bedrängt, dem erbitterten Heer der Latiner. Schon, wie befohlen, zur Stelle, vereint mit den tapfren Etruskern, sind die arkadischen Reiter. Turnus hat sich entschlossen, ihnen durch eigene Reiter den Weg zum Lager zu sperren. Auf denn, beim Dämmern des Tages laß die Gefährten sich wappnen, greife auch selbst zu dem Schild, den als Bürgen des Sieges der starke Meister des Feuers mit kunstreich vergoldetem Rande dir schenkte! Soll doch der morgige Tag, wenn du meine Weisung beherzigst, mächtige Haufen von Leichen gefallener Rutuler sehen.« Darauf versetzte sie, ehe sie fortschwamm, geschickt mit der Rechten einen Stoß dem ragenden Heck. …..“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17937 (vgl. Vergil-W, S. 388 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Wie von Geisterhand gezogen flogen plötzlich die Schiffe, schneller als Pfeile, durch die Wogen. Dankbar erkannte Aineias diese Hilfe seiner Mutter. Bereits am nächsten Morgen erreichte die Flotte den Hafen vor dem heiß umkämpften troischen Lager. Gellender Jubel hallte durch die Lüfte als die Verteidiger, bereits in höchster Not, Aineias erkannten. Turnus wendete sich um und erkannte die Gefahr. Unerschrocken gab er einem Teil seiner Krieger den Befehl die Küste zu verteidigen und die Landung der dreißig Schiffe zu verhindern. Doch zu viele waren es. In einer brutalen Schlacht gelang es den Kampfgefährten des Aineias das Heer der Rutuler blutig zurückzudrängen. Ein entsetzliches Morden begann, Hunderte fanden den Tod und Pallas, der Sohn des Euander, wurde von Turnus getötet. Als Aineias diese Nachricht erhielt wollte er sofort Rache. Der Tod des ihm anvertrauten und lieb gewordenen Jünglings Pallas ließ ihn zur Bestie werden. Acht Jünglinge ließ er fangen und als Totenopfer schlachten; Aeneis 10,522ff: „ ……………………………………………..Pallas, Euander standen vor seinen Augen, die Tische, die erstmals ihn gastlich aufnahmen, dann der verpflichtende Handschlag. Vier Jünglinge, Söhne Sulmos, die gleiche Anzahl noch einmal, Söhne des Ufens, nahm er lebendig gefangen, ein Totenopfer den Schatten, wollte auf flammenden Holzstoß ihr Blut als Sühneguß sprengen.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17954 (vgl. Vergil-W, S. 398) (c) Aufbau-Verlag] Er wollte sofort den Rachetod für Turnus. Wie ein Rasender schlug er sich mit dem Schwert eine Bahn durch die Rutuler, mähte nieder und mordete, was immer in seine Nähe geriet; Aeneis 10,604ff: „Solche Verluste fügte der Dardanerkönig den Feinden zu auf dem Schlachtfeld, ein Sturzbach, ein Wirbelsturm, grauenhaft wütend. Nunmehr auch brachen der junge Ascanius und die Trojaner, von den Latinern so lange vergeblich bestürmt, aus dem Lager.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17959 (vgl. Vergil-W, S. 401) (c) Aufbau-Verlag] Verzweiflung erfasste da die Göttin Juno. Sie bekam Angst um den von ihr beschützten Turnus, formte schnell aus einer Wolke ein Ebenbild des Aineias und ließ es vor Turnus erscheinen. Wütend zückte Turnus das Schwert, das Trugbild ergriff die Flucht, der Irregeführte, im Glauben Aineias vor sich zu haben, verfolgte es bis auf ein leeres Schiff. Die Göttin löste die Taue, ein Sturm trieb das Schiff steuerlos auf die offene See und das Abbild des Aineias löste sich in Nebel auf. Rasend vor Zorn, Verzweiflung und Scham erkannte Turnus die List der Göttin, er war gerettet, sein Heer aber war dem Untergang geweiht. ….. Von Jupiter ermahnt übernahm der brutale und verhasste König Mezentius an der Stelle des Turnus die Befehlsgewalt über die Rutuler und ihre Verbündeten und drangen hart auf die Troianer ein. Dicht schlossen sich die Angegriffenen mit den verbündeten Tyrrhenern zusammen und griffen geschlossen den gewaltigen Mezentius an. Eine blutige Schlacht, tausende gegen tausende, begann. Mit gigantischer Kraft ermordete der Gewaltige einige der besten Gefährten des Aineias, wie ein Ungetüm schritt er todbringend über das Schlachtfeld, Tisiphone, die blutrünstige Rachegöttin, jubelte; Aeneis 10,755ff: „Gleichmäßig häufte der grausame Mars die bittren Verluste wieder, man mordete und man stürzte, gemordet, man siegte, wurde besiegt, und keiner der Kämpfer gedachte zu weichen. Mitleid empfanden die Götter in Jupiters Schloß mit dem leeren Wüten der beiden Heere, der furchtbaren Mühsal der Menschen. Zuschauer spielten, von hier und von dort aus, Venus und Juno. Unter den Tausenden raste Tisíphone, blaß wie ein Leichnam.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17968 (vgl. Vergil-W, S. 406) (c) Aufbau-Verlag] ….. Plötzlich entdeckte Aineias Mazentius und schritt ihm entgegen; Aeneis 10,768ff: „Ihn erspähte im Heere Aeneas von weitem und rückte kampfbereit gegen ihn vor. Unerschrocken verharrte der Tusker, wartete auf den mutigen Gegner, wuchtig in seiner Kraft und bemüht, die Wurfweite spähenden Blickes zu schätzen. »Mögen mir göttergleich beistehen jetzt mein Arm und die Lanze, die ich hier schwinge! Ich weihe die Waffen, die ich dem toten Räuber Aeneas entreiße, dir, Lausus - als Zeichen des Sieges sollst du sie tragen.« So sprach er und warf die schwirrende Lanze kraftvoll aus großer Entfernung. Doch prallte sie ab von dem Schutzschild, bohrte dem Helden Antores sich zwischen der Brust und dem Magen tief in den Leib, dem Freunde des Herkules; Bote aus Argos, blieb bei Euander er einstmals und ließ in Italien sich nieder. Längshin streckte den Armen der Speerwurf, der ihm nicht gegolten, himmelwärts blickte der Sterbende, dachte ans liebliche Argos. Nunmehr entsandte der fromme Aeneas den Speer. Der durchbohrte wuchtig die dreifachen Schichten des Schildes aus Bronze und Stierfell samt dem leinenen Überzug, blieb dann im Unterleib stecken, freilich schon ohne durchschlagende Kraft. Schnell zückte Aeneas, weil er voll Freude schon sah, daß der Tusker blutete, seine Klinge hervor aus der Scheide und stürzte sich auf den verwirrten Gegner. Der Anblick entlockte dem Lausus, aus Liebe zum teuren Vater, ein Stöhnen, und Tränen rollten ihm über die Wangen. Weder dein grausames Sterben noch deine vortrefflichen Taten noch gar dich selber, denkwürdiger Jüngling, will ich verschweigen - schenkt überhaupt man solch ruhmreicher Leistung der Vorzeit noch Glauben! König Mezentius zog sich, nicht kampffähig wegen des Treffers, langsam zurück, zog mit sich am Schild den Speerschaft des Feindes. Vorwärts stürzte jetzt Lausus, warf sich zwischen die Gegner. Eben schon holte Aeneas weit aus zum Schlag mit der Rechten. Da unterlief der Jüngling das Schwert und parierte den starken Hieb. Die Gefährten folgten lautschreiend dem Angriff, den Rückzug des von dem Schilde des Sohnes geschützten Vaters zu decken, schossen und warfen von weitem und suchten den Feind zu verdrängen. Wutentbrannt knirschte Aeneas, er mußte in Deckung sich halten. Wie wenn die Unwetterwolken heranfliegen und sich in Schloßen wütend entladen, die Pflüger sämtlich die Felder verlassen, Bauern wie Wanderer einen sicheren Unterschlupf suchen, Höhlen am Flußufer oder auch überhängende Felsen, für die Dauer des Regens, um gleich nach der Rückkehr der Sonne wieder dem Tagwerk zu frönen: so mußte Aeneas im dichten Schwall der Geschosse noch aushalten, bis sich das Dröhnen des Ansturms ausgetobt hatte. Laut schalt er den Lausus und drohte ihm wütend: »Weswegen suchst du den Tod, wagst mehr, als die Kräfte gestatten? Unbedacht handeln läßt dich dein Pflichtgefühl!« Aber frohlockend hielt der Verblendete stand. Da wuchs noch des Dardanerfeldherrn rasender Zorn, schon spannen die Parzen dem Jüngling den letzten Faden: Aeneas jagte kraftvoll die Klinge in seines Gegners Körper, versenkte sie bis an den Griff. Durch den kleinen Rundschild - zu dürftigen Schutz für eine so trotzige Drohung - drang die Waffe, durchs Hemd, das die Mutter aus Goldfäden webte. Blut überströmte die Brust. Die Seele entwich durch die Lüfte, traurig, zum Reiche der Manen, verließ die sterbliche Hülle. Als jetzt der Sohn des Anchises ins Antlitz des Sterbenden blickte und es erbleichen sah in ergreifender Weise, da stöhnte laut er voll Mitleid und streckte die Rechte empor; auf das tiefste rührte ihn dieses Beispiel inniger Liebe zum Vater. »Was, du bejammernswürdiger Junge, was kann dir für deine Ruhmestat geben der fromme Aeneas, das deines Charakters würdig sich zeigte? Behalte die Waffen, die einst dich beglückten! Freut es dich, schicke ich dich zum Grab und den Manen der Väter. Tröste im Unglück dich eines noch über dein grausames Sterben: Held Aeneas erlegte dich!« Seine noch zögernden Freunde rief er zu Hilfe und hob den Leichnam vom Boden. Des Toten Haare, gestrählt nach etruskischer Sitte, entstellte der Blutstrom. Aber der Vater des Toten suchte am Ufer des Tiber seine noch blutende Wunde mit Wasser zu stillen, den matten Körper an einen Baumstamm gelehnt. Sein eherner Helm hing nah im Geäst, die wuchtige Rüstung ruhte im Grase. Ausgewählte Gefährten umringten ihn. Mühsam nur atmend, stützte den Kopf er, tief wallte der Bart auf die Brust. Stets aufs neue fragte nach Lausus er, schickte auch Boten, zurück ihn zu rufen, Weisung zu geben dem Sohn vom furchtbar erschütterten Vater. Aber als Toten nur brachten Gefährten, in Tränen, auf seinem Schilde den Jüngling, würdiges Opfer würdigen Gegners. Unheil schon ahnend, vernahm der Vater weither das Gejammer. Da überstreute er trauernd sein Grauhaar mit schmutzigem Staube, reckte die Hände zum Himmel und warf sich dann über den Leichnam: »Klammerte ich mich, mein lieber Junge, so stark an das Leben, daß ich, dein Vater, statt meiner dich selber die Stöße des Feindes auffangen ließ? Gerettet bin ich durch deine, des Sohnes, Wunden? Ich lebe dank deinem Tode? Ich Elender fühle jetzt erst die Größe des Unglücks, jetzt erst die Tiefe der Wunde. Ich, mein Junge, befleckte durch eignes Verschulden auch deine Ehre, mich haßte mein Volk und vertrieb mich aus Heimat und Herrschaft. Vaterland, Abscheu der Meinen, ihr solltet zu Recht mich bestrafen: Hätte als Schuldiger selbst ich, wie immer, gebüßt mit dem Tode! Heute noch lebe ich, scheide noch nicht von Sonne und Menschen. Aber ich werde jetzt scheiden!« Zum Trotz der getroffenen Hüfte stemmte er hoch sich. Obwohl ihn die tiefe Wunde noch schmerzte, rief er entschlossen nach seinem Streitroß. Das galt ihm als teures Kleinod, als Trost, es hatte ihn siegreich getragen aus allen Kämpfen. Jetzt schien es zu teilen den Kummer des Herrn, der ihm zusprach: »Rhaebus, wir lebten schon lange - wenn 'lange' den Sterblichen etwas aussagt. Heute wirst du als Sieger die blutigen Waffen und das Haupt des Aeneas zurückbringen, mit mir das bittre Sterben des Lausus rächen - doch wenn uns die Kräfte versagen, fallen mit mir! Denn schwerlich wirst du, mein tapfrer Gefährte, fremden Befehlen gehorchen, den Teukrern als Herren dich fügen.« Damit bestieg er das Pferd zu gewohntem Sitz und beschwerte reichlich sich beide Fäuste mit schneidenden Wurfspießen, funkelnd hoch auf dem Haupte den Helm, überragt vom Buschen aus Roßhaar, sprengte dann mitten zwischen die Heere. Es rangen in seinem Herzen bittere Scham und Wut und schmerzliche Trauer, [leidenschaftliche Liebe, Bewußtsein des eigenen Wertes.] Dreimal rief er mit schallender Stimme Aeneas, und dieser hörte sogleich und erkannte die Stimme und betete freudig: »Gönnten der Vater der Götter es mir und der hohe Apollo, daß du zum Zweikampf dich stellst!« Darauf trat er entgegen dem Feind mit erhobener Lanze. Aber Mezentius rief: »Nachdem du den Sohn mir entrissen, schreckst du mich nicht mehr. Du konntest nur damit vernichtend mich treffen. Sterben erschreckt mich durchaus nicht, ich nehme nicht Rücksicht auf Götter. Schweig nur! Ich komme, zum Tode bereit, und bringe dir vorher diese Geschenke noch!« Damit warf er den Spieß auf den Gegner, einen zweiten und dritten, umkreiste zu Pferde in weitem Ring, wie im Fluge, den Feind. Doch hielt der vergoldete Schutzschild. Dreimal umritt der Etrusker linkshin den stehenden Troer, ununterbrochen schleudernd, und dreimal drehte Aeneas sich mit dem Schilde, der furchtbar von haftenden Wurfspießen starrte. Länger nicht wollte er warten, so viele Geschosse aus seinem Schilde nicht reißen; auch wurde die ungleiche Kampfart ihm lästig. Scharf noch erwog er die Weise des Angriffs, dann stürmte er plötzlich vorwärts und schleuderte zwischen die Schläfen des Rosses die Lanze. Hochauf bäumte das Tier sich, schlug mit den vorderen Hufen zuckend die Luft, warf ab den Reiter und stürzte, nach vorne sich überschlagend, auf ihn mit verrenktem Buge und hilflos. Himmelan flackerte wild das Geschrei der Latiner und Troer. Vorwärts eilte Aeneas und riß das Schwert aus der Scheide: »Wo verweilt jetzt der tapfre Mezentius, wo sein verwegnes Ungestüm?« Aufwärts blickte der Tusker, gewahrte den Himmel, kam zur Besinnung wieder und gab ihm zur Antwort: »Weswegen schreist du mich an, du verbitterter Gegner, und drohst mich zu töten? Du erschlägst mich zu Recht, ich zog in den Kampf auch mit diesem Vorsatz, mein Lausus vereinbarte kein Gewähren von Gnade. Eines gewähre mir, bitte, gewährt man Besiegten noch etwas: Laß mich bestatten. Ich weiß, daß der zornige Abscheu der Meinen rings mich bedroht. Beschütze mich gegen die Wütenden, bitte, gönne ein Grab mir, meinem Sohne zur Seite!« So sprach er, bot dann mit vollem Bewußtsein die Kehle dem feindlichen Schwertstoß, ließ mit dem Blut, das die Rüstung benetzte, sein Leben verströmen.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17968 (vgl. Vergil-W, S. 406 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Die Schlacht war zu Ende. Die überfallenen Troianer und die mit ihnen verbündeten Tyrrhener hatten gesiegt, doch Latium war noch nicht eingenommen, Turnus lebte noch. ….. Am Morgen nach der Schlacht ließ der um seine toten Freunde trauernde Aineias zur Ehre der Götter einen Eichenstamm auf einem Hügel aufstellen und behängte ihn mit den funkelnden Waffen des Königs Mezentius. Dann versammelte er seine Krieger um sich und ermahnte sie; Aeneis 11,14ff: „»Großes erreichten wir schon, Kameraden. Das Kommende brauchen wir nicht zu fürchten. Hier, die dem Stolzen entrissene Beute, Erstling des Sieges, ist der Mezentius, wie ich ihn formte. König Latinus erwartet uns jetzt und die Festung Laurentum. Macht euch gefaßt auf die weiteren Kämpfe, erwartet sie mutig: Wenn uns die Götter ermächtigen, unter den Feldzeichen unsre Mannschaft in Marsch zu setzen, dann sollte uns nicht Überraschung lähmen, nicht furchtsame Stimmung am raschen Handeln uns hindern. Laßt uns inzwischen ins Erdreich betten die toten Gefährten, einziges Ehrenrecht, das uns die Tiefe des Acheron einräumt. Auf denn, die Seelen der Helden ehrt mit den letzten Geschenken, sie, die mit ihrem Blute das Vaterland neu uns erwarben! Pallas vor allem geleitet zur trauernden Stadt des Euander; trotz der bewiesenen Tapferkeit raffte des Unheils tiefdunkler Tag ihn dahin und ließ ihn erlöschen in grausamem Tode.« Derart sprach er in Tränen und kehrte zurück zu dem Hause, wo der betagte Akoites neben dem Leichnam des Pallas treulich wachte, der Alte, der dem Parrhasier Euander einstmals die Waffen nachtrug, dann unter weniger guten Vorzeichen als Erzieher dem teuren Königssohn folgte.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17978 (vgl. Vergil-W, S. 412 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Tief trauernd verabschiedete Aineias den gefallenen Jüngling Pallas; Aeneis 11,41ff: „Schneeweiß das Antlitz des Pallas, der Kopf gestützt auf ein Kissen, zart noch die Brust mit der Wunde, die unter ausonischem Speerwurf aufklaffte: Dieser Anblick bewegte Aeneas zu Tränen. »Hat dich Fortuna mißgönnt mir, du armer Junge, trotz ihres heiteren Kommens?« so rief er. »Du solltest mein Reich nicht mehr sehen, nicht mehr in siegreicher Rückkehr die Wohnstatt des Vaters erreichen! Daß es dir derart erginge, das hatte beim Aufbruch ich deinem Vater gewiß nicht verheißen, als er mit fester Umarmung mich in den Kampf um die Herrschaft entließ und sorgenvoll mahnte: seien doch Helden aus hartem Geschlecht im Kampf zu bezwingen. Heute noch spricht er vielleicht, getäuscht von grundloser Hoffnung, fromme Gelübde und häuft auf Altären reichliche Gaben, während wir schon den Leichnam des Jungen, der keinem der Götter etwas mehr schuldet, traurig mit fruchtlosen Ehren geleiten. Armer, du wirst den entseelten Körper des Sohnes erblicken! Dies ist unsere Heimkehr, unser erhoffter Triumphzug? Dies mein gegebenes Wort? Doch keineswegs schändliche Wunden siehst du am Sohn, Euander, du brauchst nicht den Tod dir zu wünschen, um zu entgehen der Schmach, daß der Sohn überlebte! Ach, welche Stütze verliert Ausonien, welche auch du, mein Iulus!« Nach der Klage ließ er den mitleiderregenden Leichnam aufheben, gab ihm noch tausend aus allen Truppen erwählte Männer mit auf den Weg, ein Ehrengeleit auf dem letzten Gang und Genossen der Trauer des Vaters, für diesen ein karger Trost im entsetzlichen Schmerz, doch Pflicht gegenüber dem Greise. Andere flochten voll Eifer aus Erdbeerbaumzweigen und schlanken Ruten des Eichbaums ein weiches Lager als Bahre und wölbten sorglich darüber ein Schutzdach aus schattenspendenden Blättern. Hoch auf das ländliche Polster bettete jetzt man den Jüngling. Ebenso sehen, gepflückt von Mädchenhand, zarte Levkojen oder auch langsam welkende Schwertlilien aus, die noch immer leuchtende Buntheit der Farben und Schönheit der Form sich bewahren, wenn auch die Mutter Erde nicht länger mit Nahrung sie kräftigt. Nunmehr brachte Aeneas noch zwei Gewänder, die purpurn strahlten und golden; die Königin Dido hatte sie einstmals selber gefertigt, voll Freude am Schaffen, mit eigenen Händen diese Gewebe durchwirkt mit feinen goldenen Fäden. Eines von ihnen legte Aeneas dem Leichnam, als letzte Ehrung, jetzt an, und umhüllte das Haar, das die Flammen verzehren sollten, und häufte noch Beutegut aus dem Kampf um Laurentum, ließ es in langer Reihe als Auszeichnung mitführen, jene Pferde und Waffen dabei, die Pallas den Gegnern entraffte, mit auf den Rücken gefesselten Händen die Feinde - den Schatten wollte er darbringen sie, mit Opferblut tränken die Flammen -, doch an der Spitze des Zuges Pfähle voll feindlicher Waffen, daran geheftet die Namen derer, die kämpfend sie trugen. Mitgeführt ward auch der arme Akoites, geschwächt schon vom Alter, schlug mit den Fäusten die Brust sich, zerkratzte dann wieder mit seinen Nägeln das Antlitz, warf sich zuweilen auch lang auf die Erde. Kampfwagen rollten im Zuge, vom Rutulerblute besudelt. Schmucklos stapfte das Streitroß Aithon einher, in den Augen Tränen, die ihm in großen Tropfen das Antlitz benetzten. Lanze und Helm auch des Toten trug man, das andre gehörte Turnus, dem Sieger. Dann folgten in Trauerkolonne vollzählig Teukrer, Tyrrhener, Arkader, die Waffen umgekehrt tragend. Eine beträchtliche Strecke lang rückten sie vor, bis Aeneas anhielt und bitterlich stöhnend den Abschiedsgruß aussprach: »Die gleiche schreckliche Kriegsnot ruft uns von hier aus zurück zur Bestattung anderer Toter. Sei ewig gegrüßt mir, du teurer Held Pallas, lebe auf ewig mir wohl!« Er sprach nicht weiter, er wandte wieder den hohen Wällen sich zu und begab sich ins Lager.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17980 (vgl. Vergil-W, S. 413 ff.) (c) Aufbau-Verlag]. ….. Als Aineias in sein Lager zurückkam erwarteten ihn bereits Abgeordnete der Latiner. Der alte Drances bot dabei dem Aineias Verrat an; 11,101ff: „Eingetroffen waren indes aus Laurentum schon Boten, waren mit Zweigen des Ölbaums bekränzt und äußerten Bitten: Freigeben möge die Leichen er, die als Opfer der Waffen noch auf dem Schlachtfelde lägen, und ihre Bestattung erlauben; kämpfe doch niemand gegen Besiegte, die nicht mehr die Sonne sähen. Er möge die einstigen Schwäger und Gastfreunde schonen. Freundlich erfüllte Aeneas ihnen die Bitte, die keiner abschlagen durfte, und fügte hinzu noch folgende Worte: »Was für ein unverdient grausames Lob hat euch, ihr Latiner, so in den Krieg verwickelt, daß ihr uns die Freundschaft verweigert? Frieden erfleht ihr von mir für Tote, für Opfer des Kriegsgotts? Lebenden würde ich gern den Frieden gewähren. Nur deshalb kam ich hierher, weil das Schicksal mir Heimat und Wohnsitz zuwies; keineswegs führe ich Krieg mit dem Volk. Fürst Latinus zerstörte unsere Freundschaft, gewährte den Waffen des Turnus den Vorrang. Hätte sich Turnus doch lieber dem Tode gestellt! Wenn er wirklich nur mit Gewalt die Kämpfe beenden, die Teukrer verjagen möchte, dann sollte mit mir er, mit diesen Waffen, sich messen! Jener besäße sein Leben dann noch, dem göttliche Hilfe oder die eigene Faust es verschaffte. Wohlan denn, verbrennt jetzt euere armen Gefallenen!« Schweigend bestaunten sie seine Worte und wechselten lange untereinander nur Blicke. Endlich ergriff der betagte Drances das Wort, der schon immer gegen den jungen Turnus erbitterte Vorwürfe aussprach: »Troischer Held, schon bedeutend durch Ruhm, noch größer durch tapfre Taten, wie kann ich mit passendem Lob dich zum Himmel erheben? Was bewundre zuerst ich: Gerechtigkeit? Leistung im Kämpfen? Gern überbringen wir deine Erklärung in unserer Hauptstadt, wollen dich, weist uns das Schicksal den Weg, mit König Latinus wieder verbünden. Suche sich Turnus andere Partner! Mithelfen wollen wir gern bei dem Bau der verheißenen Mauern, gern auch für Troja Steinblöcke schleppen auf unseren Schultern.« Diesem Versprechen zollten die Boten einstimmig Beifall. Waffenstillstand, zwölf Tage lang, wurde vereinbart.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17983 (vgl. Vergil-W, S. 415 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Friedlich bestatteten beide Seiten ihre Toten. Während König Latinus, er erkannte die Aussichtslosigkeit der Lage, im Rat des verzweifelten und bereits rebellierenden Volkes Friedensverhandlungen vorschlug und Turnus heftig für die Fortführung des Krieges eintrat, zog Aineias seine Krieger zusammen und bereitete einen Angriff auf die Stadt vor. Entsetzen erfasste die Latiner. In höchster Eile rüstete man sich für die Verteidigung. Mit seinen Verbündeten griff Aineias die Stadt an. Die Latiner verteidigten sich verzweifelt – vergebens. Am Ende der entsetzlichen und verlustreichen Schlacht, bei der sie ihre besten Kämpfer und Verbündeten verloren hatten, flüchteten die überlebenden Latiner hinter die Mauern ihrer Stadt. Die Tore wurden geschlossen, wer sich noch außerhalb der Mauern befand wurde niedergemetzelt. Auch diese Schlacht war verloren - doch Turnus, der entscheidende Gegner im Kampf um die Herrschaft in Italien und um die Hand der Lavinia, lebte immer noch. ….. Sorgenvoll erkannten die vom Kampf ermüdeten Latiner, dass der Kriegsgott Mars nicht auf ihrer Seite stand und blickten vorwurfsvoll auf Turnus. Unbändigen Zorn und glühenden Mut erfasset den Geforderten und er sprach zum König; Aeneis 12,11ff: »Turnus kennt kein Zögern. Kein Anlaß nötigt das feige Volk des Aeneas zum Widerruf oder zum Bruch der Verträge. Antreten will ich zum Zweikampf. Opfre denn, Vater, und schließe gleich den Vertrag! Ich werde den Dardaner, Flüchtling aus Asien, hier mit der Rechten zum Tartarus schicken - Zuschauer seien alle Latiner! Ich tilge, allein, die Schande des Volkes, oder er schalte als Sieger, werde Lavinias Gatte!« [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18030 (vgl. Vergil-W, S. 444) (c) Aufbau-Verlag] Gelassen hörte König Latinus die Worte, wankte, dachte an die Vorhersagen, befürchtete den Tod des Turnus und schlug vor mit Aineias einen Frieden zu schließen. Doch Turnus erblickte die weinende Lavinia, die Liebe verwirrte ihn, steigerte seine Kampfeslust und entschlossen befahl er seinem Kampfgefährten Idmon 3; Aeneis 12,16ff: »……Idmon, folgende Botschaft melde dem phrygischen Herrscher, die ihm doch schwerlich gefällt: Wenn morgen am Himmel Aurora naht auf dem purpurnen Wagen und rötlich schimmert, dann möge nicht er die Teukrer gegen die Rutuler führen! Die Waffen beider sollen jetzt ruhen, wir wollen den Krieg durch Zweikampf entscheiden. Derart wollen wir nun um die Hand Lavinias werben.« [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18034 (vgl. Vergil-W, S. 446) (c) Aufbau-Verlag] Freudig nahm Aineias die Aufforderung an ließ dem König eine klare Antwort und die Friedensbedingungen überbringen. ….. Sofort nach dem Anbruch des Tages stellten sich die Heere des Turnus und des Aineias und alle ihre Verbündete vor der Stadt geordnet um einen ausgemessenen Platz auf, um dem Zweikampf beizuwohnen. ….. Auf einem Berg, der heute Albanus heißt, saß jedoch Juno, die Gemahlin des Jupiter, überblickte das Geschehen und hatte berechtigt Angst, dass die von ihr gehassten Troianer bei einem Sieg des Aineias die Beherrscher von Latium und später die Beherrscher der Welt werden könnten. Sie wandte sich – von Göttin zu Göttin – an die Nymphe Iuturna, die Schwester des Turnus und forderte sie auf ihrem Bruder beizustehen. ….. Kaum waren die Heere friedlich aufgestellt, die Lanzen steckten im Boden, erschienen König Latinus und Aineias um die Eide zu schwören und Opfer darzubringen. Aineias betete mit gezogenem Schwert; Aeneis 12,77ff: »Zeugen meines Gebetes seien die Sonne und dieses Land hier, um dessentwillen so vieles ich aushalten mußte, du auch, allmächtiger Vater, und deine Gemahlin - du, Göttin, schenk mir doch endlich, endlich Gnade! -, auch du, hochberühmter Mars, der du sämtliche Kriege, Vater, verantwortlich leitest; Quellen und Flüsse auch rufe ich an und die Heiligkeit dieses machtvollen Äthers, euch Gottheiten auch des blaugrauen Meeres: Sollte das Schicksal den Sieg dem Ausonier Turnus verleihen, ziehen, getreu dem Vertrag, die Besiegten zur Hauptstadt Euanders, räumt auch Iulus das Feld, ergreifen niemals die Troer aufsässig Waffen und ziehen gegen das Reich hier zu Felde. Aber gewährt Victoria uns den glücklichen Ausgang - wie ich es hoffe und wie auch die Götter es eher versichern -, will ich den Teukrern niemals Italer untertan machen, auch nicht selber die Macht erstreben; in Freiheit, mit gleichen Rechten, so sollen sich beide Völker auf ewig verbünden. Götter und Kulte gewähre ich. Schwiegervater Latinus übe die Macht, wie gewohnt, in Frieden und Krieg. Die Trojaner werden die Hauptstadt mir bauen, den Namen Lavinia ihr geben.« [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18040 (vgl. Vergil-W, S. 449 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Mit der erhobenen Rechten, den Blick richtete er gegen den Himmel, betete auch der König. Dann wurden über dem Feuer die Opfertiere geschlachtet. ….. Mit zunehmender Sorge erkannten die Rutuler den Unterschied zwischen dem riesigen und vor Kraft strotzendem Aineias und dem doch noch jugendlichen Turnus, dem, als er zum Altar schritt, die Angst das Gesicht erbleichen ließ. Iuturna erkannte die Gelegenheit und schritt in der Gestalt des Camers, eines angesehenen und immer kampfbereiten Rutulers, durch die Reihen der Kämpfer und wiegelte sie auf entgegen den Schwüren des Königs den Kampf zu eröffnen. Zudem schickte sie als Zeichen des Sieges einen Adler der einen Schwan erfasste und einen Schwarm von Vögeln verjagte. Die Rutuler, irregeleitet, glaubten das Zeichen zu erkennen, jubelten, der Vogelschauer Tolumnius rief zum Kampf auf, stürzte vor, warf die erste Lanze und traf einen arkadischen Jüngling. Ein wildes Geschrei erhob sich, eine brutale Schlacht begann. Die Altäre wurden überrannt, König Latinus erfasste die durch den Vertragsbruch geschändeten Götterbilder und ergriff die Flucht. Aeneis 12,312ff: „Waffenlos aber streckte der fromme Aeneas die Rechte, suchte, entblößten Hauptes, die Seinen zur Ordnung zu rufen: »Wohin stürmt ihr? Was soll die Feindschaft, die plötzlich hier ausbricht? Zügelt die Wut! Schon gilt der Vertrag, die Bedingungen alle wurden vereinbart. Nur ich bin künftig zum Kämpfen berechtigt. Laßt mich und fürchtet euch nicht! Ich sichre das Bündnis mit meiner Hand, das vollzogene Opfer verspricht mir den Zweikampf mit Turnus.« Während der Worte, noch während des Aufrufs zu ernster Besinnung, schwirrte ein Pfeil befiedert gegen den Helden. Den Schützen kannte man nicht, nicht den Windstoß, der zügig die Waffe herantrieb, nicht, wer den Rutulern solchen Ruhmesglanz schenkte, der Zufall oder ein Gott. Nicht gelöst ward jemals das Rätsel des Vorfalls, niemand brüstete sich, Aeneas verwundet zu haben. Turnus sah Aeneas den Kampfplatz verlassen, erkannte auch die Verwirrung der Feldherrn. Jäh packte ihn glühende Hoffnung. Rosse und Waffen verlangte er gleich, sprang ohne Bedenken stolz auf den Streitwagen, griff zu den Zügeln. In rasendem Fahren riß er zahlreiche tapfere Helden tödlich zu Boden, ließ sie halbtot sich wälzen, zermalmte feindliche Haufen oder erlegte Fliehende noch mit hastig errafften Lanzen.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18047 (vgl. Vergil-W, S. 453 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Mit aller Kraft versuchte sich Turnus, todbringend, einen Weg zum verletzten Aineias zu schlagen. Doch der stark Blutende wird von den Seinen in das schützende Lager gebracht. Wütend versucht er den Pfeil aus dem Fleisch zu ziehen, vergebens, und verlangt, dass die Wunde mit dem Schwert erweitert wird damit er, befreit vom Geschoß, sofort in die Schlacht zurückkehren kann. Der greise Heiler Japyx, Apollon war einst ich ihn verliebt und hatte ihm als Dank die Gabe der Heilkunst verliehen, versuchte verzweifelt, aber vergebens, den Pfeil zu entfernen. Die gegnerischen Kämpfer, mit ihnen Turnus, rückten näher; schon flogen die ersten Pfeile und Lanzen in das Lager, die Kämpfer des Aineias begannen zu fliehen, da erbarmte sich Venus ihres vor Schmerzen stöhnenden Sohnes; Aeneis 12,413ff: „Venus indes, von den unverdienten Qualen des Sohnes schmerzlich getroffen, pflückte vom Ida auf Kreta das Heilkraut Diptam, das fleischig beblätterte Stiele und purpurne Blüten treibt. Auch die Wildziegen wissen die Heilkraft der Pflanze zu schätzen, haften in ihrem Rücken befiederte Pfeile von Jägern. Düster in Wolken verborgen, so brachte die Göttin das Diptam her vom Gebirge, preßte den Saft in ein schimmerndes Becken voller Frischwasser, heimlich die Heilkraft zu fördern, und setzte starke Ambrosia zu und köstlich duftendes Allheil. Umschläge machte damit der greise Iapyx, noch ohne Wissen um göttliches Eingreifen. Aber ganz plötzlich versiegte jeglicher Schmerz, auch strömte nicht länger das Blut aus der Wunde. Auch das Geschoß gehorchte der Hand, es glitt aus dem Einschnitt, zwanglos; die Kräfte begannen sich frisch wie früher zu regen. »Schnell, bringt Waffen dem Helden! Was steht ihr untätig?« Iapyx rief es und spornte als erster den Mut zum Kampf mit dem Gegner. »Deine Genesung, Aeneas, verdankst du nicht menschlichem Mühen, auch nicht der ärztlichen Kunst, nicht meiner Geschicklichkeit. Vielmehr wirkte ein Gott und befähigt dich wieder zu höherer Leistung!«“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18053 (vgl. Vergil-W, S. 457 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Voller Eile ließ sich Aineias wieder in seine Rüstung kleiden und stürzte wütend, begleitet von seinen Gefährten, geordnet in Reih und Glied, in die Schlacht. Die Erde erbebte. Da erblassten Turnus und seine Kämpfer, eisiges Zittern erfasste sie. Aber keinen der latinischen Kämpfer bedrohte Aineias – er suchte nur Turnus. Entsetzt erkannte die göttliche Nymphe Iuturna die Gefahr, bestieg den Streitwagen ihres Bruders Turnus, warf den Lenker Metiscus vom Wagen, übernahm, verwandelt in die Form des Metiscus, das Gefährt, wich jedem Nahkampf aus und suchte ihr Heil in der Flucht. Aineias suchte Turnus. Und jedes Mal wenn er ihn erspähte und ihn zum Kampf stellen wollte lenkte Iuturna den Wagen da und dorthin und Turnus entschwand. Der vor Wut erhitzte Aineias verzweifelte. In diesem Moment….; Aeneis 12,485ff: „Aber da führte Messapus behend gerade in seiner Linken zwei biegsame Speere mit eiserner Spitze. Den einen schleuderte er jetzt mit sicherem Wurfe gegen Aeneas. Dieser verharrte sogleich und duckte mit federnden Knien hinter den Schild sich. Doch riß ihm der sausende Spieß noch die Röhre fort von der Helmspitze, fegte ihm damit den Buschen vom Haupte. Da übermannte den Helden der Zorn. Nach dem tückischen Angriff, auch überzeugt, das Gespann des Turnus fliehe absichtlich, flehte er Jupiter und den Altar an als Zeugen des Rechtsbruchs, stürzte dann endlich sich selbst auf die Feinde. Begünstigt vom Kriegsgott, metzelte wild und unterschiedslos er die Gegner jetzt nieder, schreckenerregend, ließ die Erbitterung zügellos wüten.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18058 (vgl. Vergil-W, S. 460) (c) Aufbau-Verlag] Während er Sucro, Talos, Tanais, Cethegus und Onites niedermetzelte, gab ihm seine göttliche Mutter Venus den Einfall gegen die Mauern der ungeschützten Stadt der Latiner vorzustoßen, sie anzugreifen und sie damit zu verwirren. Aineias rief seine Heerführer zu sich und befahl; Aeneis 12,565ff: »Was ich jetzt sage, verträgt kein Zögern. Jupiter hilft uns. Keiner verhalte sich säumig, weil ich mich so plötzlich entschließe! Heute zerstöre die Stadt ich, den Kriegsgrund, das Reich des Latinus, wollen die Feinde den Zügel nicht tragen, des Siegers Befehle ausführen - mach ich dem Erdboden gleich die qualmenden Bauten! Soll ich noch warten, bis Turnus geruht, nach einer erneuten Schlappe sich wieder, besiegt, zum Kampfe zu stellen? Laurentum bleibt doch der Ursprung, ihr Troer, und Zielpunkt des gottlosen Haders! Fackeln zur Hand! Erzwingt die Vertragstreue kämpfend, durch Flammen!« [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18062 (vgl. Vergil-W, S. 462 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Sofort wurden Leitern und Fackeln angeschafft, Feuer entfacht, die Heerscharen angewiesen und mit dem Sturm auf die Stadt begonnen. Die Bürger erfasste Panik. Mit Entsetzen sah Amata, die Königin, den Ansturm der Krieger des Aineias, die erste Brände in der ungeschützten Stadt, da glaubte sie auch Turnus sei schon tot, ihr Geist verwirrte sich und sie nahm sich, ihrer Schuld bewusst, mit dem Seil das Leben. Lavinia, ihre Tochter schrie auf, der alte König …..Aeneis 12,612ff: „……………………………. Latinus, vom Schicksal der Gattin wie vom Verderben der Hauptstadt bestürzt, zerriß sich die Kleider, streute, sich selbst zu entstellen, Schmutz über die silbernen Haare, machte sich bittere Vorwürfe, nicht den Trojaner Aeneas längst schon empfangen, dem Staat als Verwandten gewonnen zu haben.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18065 (vgl. Vergil-W, S. 464) (c) Aufbau-Verlag] ….. Zur gleichen Zeit kämpfte Turnus am Rande des Schlachtfeldes. Iuturna, noch immer in der Gestalt des Metiscus, hatte ihn immer wieder herausgeführt; doch plötzlich hört er das Geschrei aus der Stadt, sieht die lodernden Flammen und erklärt seiner Schwester, dass er sie schon längst erkannt habe. Bereits schwer verletzt kämpfte sich der Rutuler Saces durch die Schlacht und bestürmte Turnus; Aeneis 12,649ff: „»Turnus, nur du kannst Rettung noch bringen, erbarm dich der Deinen! Blitzstrahlen schleudert gewappnet Aeneas und droht schon, er wolle stürzen Italiens ragende Burgen, sie völlig vernichten! Brandsätze fliegen schon in die Gebäude. Dich suchen die Blicke aller Latiner. Unschlüssig zaudert noch König Latinus, wen er als Schwiegersohn rufen, mit wem er sich einigen solle. Außerdem legte die Königin, deine sicherste Stütze, Hand an sich selber, entzog vor Bestürzung dem Licht sich des Lebens. Nur noch Messapus leistet, mit ihm der tapfre Atinas, Widerstand vor den Toren. Die feindlichen Heerscharen haben dicht sie umringt, gleich eisernen Saaten starren die blanken Klingen. Du aber durchfährst mit dem Wagen verödete Auen!«“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18067 (vgl. Vergil-W, S. 465 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Scham, Trauer und Wut, und heftige Liebe, vom Zorn geschürt, mischten sich mit dem Bewusstsein der eigenen Tapferkeit und Turnus stürzte sich in die Reihen, kämpfte sich durch bis an die Mauer der Stadt und schrie mit schrecklicher Stimme; Aeneis 12,692ff: »Aufhören, Rutuler - länger nicht schießen, Latiner! Wie immer sich das Geschick auch wendet: Nur mich betrifft es! Ich selber sühne für euch den Vertragsbruch und suche im Kampf die Entscheidung, eine gerechtere Lösung!« So rief er, Platz machten ihm alle. …“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18069 (vgl. Vergil-W, S. 467 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Die Heere legten die Waffen nieder, Aineias und Turnus standen sich gegenüber, zwei Männer aus verschiedenen Erdteilen, bereit zum alles entscheidenden Kampf um die Herrschaft in Italien und um die Hand einer Frau. Die Lanzen wurden geworfen, die Schilde krachten aufeinander, die Erde bebte und während sie die Klingen kreuzten nahm Gottvater Jupiter die Waage in die Hand und legte die Lose hinein. Krachend zerbrach das Schwert des Turnus an der Rüstung des Aineias, ein Gott hatte sie gefertigt – Vulcanos. Waffenlos ergriff Turnus die Flucht. Runde um Runde, hier hin und dorthin jagte ihn Aineias, doch seine Verletzung am Fuß hinderte ihn. Um ihn dennoch zu erreichen versuchte er seine in einer Eiche steckende Lanze aus dem Holz zu ziehen. In panischer Angst bat Turnus den Gott Faunus die Lanze nicht frei zu geben, da trat Iuturna an ihn heran und reichte ihrem Bruder ein geheiligtes Schwert. Venus war empört und gab ihrem Sohn sofort die Lanze frei. Wieder bewaffnet standen sich beide keuchend zum Treffen mit Gott Mars gegenüber. Göttin Juno, auf einer gelben Wolke sitzend, und Gottvater Jupiter beobachteten das Geschehen; Aeneis 12,790ff: „Aber der Herr des Olympus, der Stätte der Allmacht, befragte nunmehr Juno, die hoch von schimmernder Wolke dem Zweikampf zuschaute: »Worauf läuft es hinaus? Was bleibt jetzt noch übrig? Weißt du doch schon, nach eigenem Zeugnis: Aeneas, als Heros, ist für den Himmel bestimmt, zu den Sternen erhebt ihn das Schicksal. Was noch bezweckst, was erhoffst du, daß du in eiskalten Wolken still dich verbirgst? Darf etwa der Mensch verwunden die Gottheit? Darf denn ein Turnus - Juturna vermag nichts ohne dein Zutun! - wiederbekommen sein Schwert, ein Besiegter noch Kräfte gewinnen? Halte doch endlich Ruhe und füge dich meinem Ersuchen! Aufreiben soll dich nicht länger solch bitterer Schmerz, auch nicht länger qualvoller Gram mich aus deinem lieblichen Munde betrüben. Stehen wir jetzt doch am Ziel! Du konntest zu Land und zu Wasser hetzen die Troer und einen entsetzlichen Kriegsbrand entfachen, eine Familie entehren, durch Trauer die Hochzeit vergällen. Mache jetzt Schluß, ich befehle es dir!« Auf Jupiters Mahnung gab, mit niedergeschlagenem Blick, die Saturnierin Antwort: »Weil mir dein Streben bekannt ist, erhabener Jupiter, mußte, wider Willen, ich Turnus und seine Heimat verlassen. Andernfalls sähest du mich nicht im Himmel jetzt sitzen und alle möglichen Kränkungen hinnehmen, nein, von Flammen umlodert, stünde ich mitten im Schlachtgewühl, peitschte die Troer zu harten Kämpfen! Juturna riet ich, jawohl, dem Bruder in seinen Nöten zu helfen, und billigte, daß sie sein Leben noch stärker schützte, nicht freilich durch Einsatz von Waffen, durch Schießen mit Pfeilen, was ich beschwöre beim Strome der Styx, der niemals versöhnten, die auch für Götter als einzigartige Schwurzeugin waltet! Abtreten will ich nunmehr, verlasse voll Abscheu den Kampfplatz. Eins noch gewähre mir, bitte - es wird nicht vom Schicksal verboten -, so zu Latiums Gunsten wie auch zur Ehre der Deinen: Schließen sie, meinetwegen, jetzt Frieden bei glücklicher Hochzeit, gründen die Einheit gemäß den Bedingungen ihres Vertrages, laß nicht die Landeskinder den uralten Namen 'Latiner' wechseln, sie Troer nicht werden, mit Namen gar 'Teukrer' noch heißen, auch nicht die Muttersprache verlieren, die Volkstracht nicht ändern! Latium lebe, auch Albas Königtum zahllose Jahre, unverwandt herrsche das Römergeschlecht dank italischer Tatkraft! Troja sank, so lasse versunken es sein samt dem Namen!« Lächelnd entgegnete ihr der Schöpfer der Welt und der Menschen: »Jupiters wirkliche Schwester bist du, ein Kind des Saturnus: Derart gewaltig vermagst du, ganz unversöhnlich, zu grollen! Laß jetzt verrauchen die Wut, du hast sie nicht weiterhin nötig; deine Wünsche erfülle ich, lasse den Sieg dir, freiwillig. Muttersprache wie Denkart soll den Ausoniern bleiben, bleiben der Name auch. Nur als ein Teil des latinischen Volkes sollen die Teukrer sich ansiedeln. Bräuche und Gottesdienst werde selber ich stiften, der Sprache nach sie zu Latinern nur machen. Nachkommen dieser Verbindung mit echt ausonischem Blute wirst du an Pflichtgefühl Menschen wie Götter einst weit übertreffen sehen; kein anderes Volk wird Ehren dir zollen wie dieses!« Zustimmend nickte Juno. Befriedigt wurde sie andern Sinnes, verließ die Wolke, verschwand vom Himmelsgewölbe.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18075 (vgl. Vergil-W, S. 470 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Nun griff Jupiter entscheidend in den Kampf ein; Aeneis 12, 845ff: „Anderen Plänen widmete jetzt sich der Vater der Götter, wollte Juturna trennen von ihrem kämpfenden Bruder. »Gräßliche« heißen zwei furchtbare Zwillingsschwestern; zusammen mit dem Unterweltsscheusal Megaera hatte die finstre Nacht sie geboren; sie waren genauso wie jene mit eklen Knäueln von Schlangen umwunden und trugen auch windschnelle Flügel. Dienstbereit warten sie stets an Jupiters Thron, in des harten Herrschers Palast, und steigern die Angst der elenden Menschen, falls der Beherrscher der Götter Seuchen und schreckliches Sterben androht, auch Städte zur Strafe heimsucht mit Schrecken des Krieges. Jupiter schickte jetzt eine der Schwestern geschwind von dem hohen Himmel herab, der Juturna vor Augen als Botin von Unheil. Eilig entflog sie und schoß mit wirbelnden Schwingen zur Erde. Ebenso gleitet, geschnellt von der Sehne, ein Pfeil durch die Wolken, den ein Parther oder Kydone mit tödlichem Gifte tränkte, bevor er ihn abschoß zum Schlagen unheilbarer Wunden; schwirrend durchsaust er, von keinem gesehen, die flüchtigen Schatten: derartig flog die Tochter der Nacht und erreichte die Erde. Als sie das troische Heer und die Scharen des Turnus erblickte, ließ sie geschwind sich zusammenschrumpfen zur Eule, dem Vogel, der zuweilen auf Grabstätten hockt und verödeten Dächern, dabei die nächtlichen Schatten durchgellt mit leidigen Schreien. Turnus vor Augen, schwirrte das Scheusal bald hierhin, bald dorthin, streifte dabei auch mit seinen flatternden Schwingen den Schutzschild. Starres Entsetzen lähmte, wie niemals früher, den Helden, sträubte die Haare vor Schrecken und ließ die Stimme ihm stocken. Aber Juturna erkannte von fern schon am Schwirren der Flügel deutlich die Gräßliche, raufte, in schmerzlichem Mitleid, die Haare, riß mit den Nägeln ihr Antlitz sich blutig und schlug mit den Fäusten trommelnd die Brüste. »Wie kann dir, mein Turnus, die Schwester noch helfen? Was bleibt übrig mir noch, der Geschlagenen? Kann ich dein Leben irgend verlängern? Kämpfen mit einem so schrecklichen Untier? Aufgeben muß ich den Widerstand. Steigert, ihr greulichen Vögel, nicht mein Entsetzen! Ich kenne genau das Rauschen der Schwingen, diesen todbringenden Laut; die grausame Weisung des edlen Jupiter höre ich. Lohnt er mir so, was ich preisgab als Mädchen? Wozu verlieh er mir ewiges Leben? Entzog mich dem Zugriff lindernden Todes? Ich könnte mich sonst ja vom bitteren Kummer lösen, ins Reich der Schatten den armen Bruder begleiten! Ich - unsterblich! Vermag mir mein Leben noch Freuden zu bieten ohne dich, Bruder? Kann nicht das Erdreich zu hilfreichem Abgrund aufklaffen, mich, die Göttin, hinab zu den Manen entführen?« Bitterlich weinend verhüllte die Nymphe ihr Haupt mit dem bläulich schimmernden Schleier und tauchte hinein in die Tiefe des Stromes.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18078 (vgl. Vergil-W, S. 472 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Grauenvoll war der Endkampf; Aeneis 12,911ff: „Wie wir im Traum, wenn uns einschläfernd nächtliche Ruhe die Augen schloß, uns einbilden, eifrig, doch zwecklos längere Strecken laufen zu wollen und trotz erhöhter Anstrengung kraftlos niederzusinken, die Zunge uns stockt, die genau uns bekannten Kräfte des Körpers versagen, kein Laut uns gelingt, nicht ein Wörtchen: derart vereitelte jetzt die gräßliche Göttin dem Turnus jegliche noch so wackre Bemühung. Seine Gedanken kreuzten sich wirr, er blickte zur Stadt, zu den Rutulern, schwankte furchtsam, erzitterte vor dem Drohen der Lanze, erspähte keinerlei Fluchtweg, auch keinerlei Bahn zu kraftvollem Angriff, sah auch den Kampfwagen nicht, nicht die Schwester, die sicher ihn lenkte. Aber da hatte Aeneas bereits den günstigen Zielpunkt scharf im Visier und schleuderte, unter dem Einsatz des ganzen Körpers, den tödlichen Speer auf den zaudernden Gegner. So schwirrten niemals die Blöcke des Mauergeschützes, zischten auch niemals zuckende Blitze. Die Lanze, Trägerin grausamen Unheils, flog, vergleichbar der finsteren Sturmbö, durchschlug erst den untren Rand an dem siebenschichtigen Schutzschild, darauf den verstärkten Saum des gepanzerten Hemdes und bohrte sich tief in den Schenkel. Turnus, bezwungen vom wuchtigen Aufprall, sank in die Knie. Aufschreiend fuhren die Rutuler hoch, rings dröhnten die Berge alle, und weithin hallten vom Hochwald die Wehklagen wider. Turnus, am Boden, demütigen Blickes, streckte die Rechte bittend nach vorn: »Ich verdiene mein Los, erflehe nicht Gnade. Nutze dein Glück! Und vermag dich das Schicksal meines geprüften Vaters zu rühren, bitte - du hattest ja selber solch einen Vater, Anchises -: Erbarm dich des alten Daunus, den Meinen gib mich zurück jetzt oder, sofern du das vorziehst, den toten Körper. Du siegtest, mich sehen die Völker Italiens die Hände heben als völlig Geschlagenen. Dein ist Lavinia. Treibe aber den Haß nicht zu weit!« Aeneas stand mit gezücktem Schwerte, erbittert, mit rollenden Augen. Noch hemmte er seine Rechte, er schwankte. Schon wollten die Worte zur Milde ihn stimmen. Aber da glänzte zum Unglück, hoch auf des Geschlagenen Schulter, prächtig das Wehrgehenk mit den goldenen Buckeln, der Schwertgurt früher des jungen Pallas, den Turnus besiegt und erschlagen hatte. Jetzt trug er das herrliche Schmuckstück sich selbst zum Verderben. Starrte Aeneas doch wie gebannt auf die Beute, ein Mahnmal wütenden Schmerzes. Dann rief er mit schrecklicher Stimme, von wilder Rachgier entflammt: »Du willst mir entschlüpfen - und trägst noch die Beute, die du den Meinen entrissest? Pallas erschlägt dich jetzt, Pallas sühnt jetzt mit deinem Blut die Verbrechen, die du begingest!« Damit stieß er, glühend vor Zorn, in die Brust ihm die Klinge. Unter der Kälte des Todes erschlafften die Glieder des Turnus, unwillig stöhnend entwich sein Geist hinab zu den Schatten. [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 18082 (vgl. Vergil-W, S. 475 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Der Wille des Götterkönigs Jupiter war damit erfüllt: Aineias erhielt Lavinia, die einzige Tochter und Erbin des latinischen Königs Latinus, zur Frau und wurde als Schwiegersohn Nachfolger des Latinus. Der aus Troia mitgebrachte Sohn Ascanius, der später Julus genannt wurde, gründete Alba Longa, Roms Mutterstadt, und wurde der Stammvater des Geschlechtes der Julier aus dem Julius Cäsar und Augustus hervor gingen. Aineias Sohn mit Lavinia, Silvius, wurde der erster der legendären Könige von Alba Longa und Stammvater von Romulus und Remus, den Gründern von Rom. In einem späteren Kampf mit den Rutulern und Mezentius wird Aineas getötet, bzw. entschwindet, und wird zum Gott: Jupiter Indiges. ….. Nach seinem Tod wurde Aineias vergöttlicht; Ovid met. 14,480ff: „Jetzt aber hatte der Wert des Aeneas sämtliche Götter, Selbst auch Juno, bewegt, langwierigem Groll zu entsagen, Als nun, da die Gewalt für den Knaben Iulus genügend Feststand, reif für den Himmel erschien der kytherische Heros. Venus verwendete sich bei den Himmlischen, und des Erzeugers Hals umschlang sie und sprach: »Mein Vater, du warst mir ja niemals Unfreundlich oder hart, sei jetzt zu Willen der Bitte: Meinem Aeneas verleih, der dich aus unserem Blute Zum Großvater gemacht, o Gütigster, göttliche Würde! Sei sie gering, nur mach ihn zum Gott! Es genügt, daß er einmal Sah das gefürchtete Reich, einmal durch stygische Flut fuhr.« Beifall gibt ihr der Rat, und die Königin selber bewahrt nicht Regungsloses Gesicht und erlaubt es mit freundlichem Munde. Und der Erzeuger darauf: »Wert seid ihr der himmlischen Gabe, Du, die begehrt, und für den du begehrst. Nimm, Kind, das Gewünschte.« Jupiter sprach's. Sie dankt voll Freude dem gütigen Vater; Dann, vom Taubengespann durch wehende Lüfte gezogen, Steigt sie herab am laurentischen Strand, wo zwischen dem Schilfrohr Zum nah liegenden Meer mit den Wellen Numicius hinschleicht, Und sie gebietet, daß der, was dem Tode gehört von Aeneas, Spüle hinweg und der See zuführe im schweigenden Laufe. Venus' Geheiß vollbringt der Gehörnte: mit seinen Gewässern Wäscht und schwemmt er und nimmt, was Sterbliches war an Aeneas, Alles hinweg. Standhielt dem Bespülen sein besseres Wesen. Ihn, den Geläuterten, salbt mit göttlichem Dufte die Mutter, Und mit ambrosischem Saft, zu lieblichem Nektar gemenget, Naht sie dem Mund und macht ihn zum Gott, der bei des Quirinus Volk nun Indiges heißt und Tempel besitzt und Altäre.“ [Ovid: Verwandlungen (Metamorphoses). Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 13108 (vgl. Ovid-W Bd. 1, S. 353 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. ….. Homer Ilias 20. Gesang, 300ff: Im Kampf um Troia hat Aineias Achilleus, den stärksten der Achaier, zum Zweikampf gefordert. Es entsteht ein fürchterlicher Kampf. Als Aineias die Niederlage und damit der sichere Tod drohte, sprach Poseidon zu den diesen grauenhaften Kampf beobachtenden Göttinnen und Göttern: „ ............. Auf, so lasset uns denn der Todesgefahr ihn entführen, daß nicht auch der Kronide in Zorn gerät, wenn Achilleus ihn erschlägt; DENN ES IST IHM VOM SCHICKSAL BESTIMMT ZU ENTKOMMEN, DASS DAS GESCHLECHT DES DARDANOS NICHT OHNE SAMEN UND SPURLOS UNTERGEHE, DEN ZEUS VOR ALL SEINEN GÖTTERN GELIEBT HAT, DIE VON IHM SELBER STAMMTEN SOWIE VON STERBLICHEN FRAUEN. DENN SCHON IST DES PRIAMOS STAMM VERHASST DEM KRONIDEN; NUN ABER WIRD DES AINEIAS GEWALT DIE TROER BEHERRSCHEN UND DIE KINDESKINDER, DIE SPÄTER NOCH GEBOREN WERDEN.“ Poseidon hüllt die Kämpfenden in einen Nebel, entführt Aineias und rettet ihm so das Leben. Die Rettung des Aineias beim Untergang von Troia und seine Flucht werden verschieden überliefert. ........ Aineias, über den Vater in der siebten Generation direkt von Zeus, dem König der Götter, abstammend, als Mutter hatte er die Göttin der Erotik, Aphrodite, wurde zum Held vieler verlorener früher Epen, die jedoch von Proklos (5 Jh. v. Chr.) zum Teil überliefert wurden. Stesichoros (ca. 640 – 560 v. Chr.) führte in heroischen Hymnen als erster das politisch ungeheuer folgenschwere Motiv der Westfahrt des Aineias ein. Hellanikos von Myrtilene verherrlichte ihn in dichterischer Form als Urvater von Rom. Bei ihm ist er mit Lavinia als Ehefrau der Stammvater der legendären Könige von Alba Longa bis Romulus und Remus. Wichtiger als diese langsame literarische Wanderung des Aineias-Mythos ist jedoch der Beweis von Bömer, dass er bereits im 6. Jh. v. Chr. in etruskischen Mythen bekannt und von dort nach Rom „gewandert“ sein muss. Quintus Ennius (239 – 169 v. Chr.) beschreibt in den Büchern 1 – 3 seiner „Annales“ die Geschichte des Aineias, wird aber in seiner Bedeutung durch die ungeheuere Wirkung der „Aeneis“ von Vergil (70 – 19 v. Chr.) abgelöst. Durch Vergil´s Anbindung des Hauses der Julier (Julius Cäsar, Augustus) über das Geschlecht der Julier und Julus / Askanius an Aeneas, ermöglicht durch die oben angeführten Worte des Poseidon in der Ilias, wurde dieser Familie literarisch eine mythische Abstammung von Zeus und Aphrodite bewiesen, von der sie einen realer Machtanspruch auf die Herrscherwürde ableiten konnte. ………. Einschub: Aineias war und ist mythischer Stammvater aller Monarchen die ihren Machtanspruch genealogisch und / oder in ihrem Glauben von einer Göttlichkeit ableiten – die so genannten göttlich Auserwählten: A. Im Römischen Reich ab Augustus. Augustus konnte seien Machtanspruch auf seine Abstammung von Aineias zurückführen. Über Aineias, seine Mutter war die Göttin der Liebe und Tochter des Zeus, sein Vater Anchises stammte über Kapys 1 – Assarakos – Erichthonios 2 – und Dardanos 1 direkt von Zeus ab, wurde Augustus genealogisch mit Aphrodite und Zeus verbunden: ER STAND IN DER GNADE DER GÖTTER. Solche Machtanspruchskonstellationen wurden für die meisten römischen Kaiser gebastelt (Vespasian z. B. wurde so zum Nachkommen des Herakles). Und es funktionierte, sofern sich die Kaiser nicht selbst gleich zu Göttern erheben ließen (z. B. Domitian) oder vorher umgebracht wurden. B. Im Bereich der römisch-katholischen Kirche. Durch den allmählichen Machtverlust der griechisch–römischen Religion und der endgültigen Religionsfreiheit seit dem Mailänder Edikt vom 20. Februar 313, erhob Konstantin der Große den Anspruch, dass er „Kaiser von Gottes Gnaden“ sei. Mit dem Aufstieg des Christentums und dem religiösen Alleinanspruch ab 392, wandelte die katholische Kirche den von Zeus und Aphrodite abgeleiteten Machtanspruch der römischen Kaiser in ein römisch-katholisches „Königtum von Gottes Gnaden“ um. Jesus hatte ja keinen Sohn, also war eine direkte mythisch-religiöse Anbindung an den Gott der Chrissten nicht möglich. Während der Amtszeit des Papstes Simplicio (468-483) erfolgte die Absetzung des letzten römischen Kaisers Romulus Augustulus durch Odoakar im Jahre 476 und damit das Ende des weströmischen Kaiserreiches. Italien geriet unter die Herrschaft des Königs Odoakar, der dem arianischen Glauben anhing, wahrscheinlich von Theoderich dem Großen eigenhändig 493 ermordet und in der Herrschaft abgelöst wurde. Die Kluft, die sich zwischen dem Westen und Osten auftat, ließen den Papst und die römische Kirche zum Zentrum der Politik und des öffentlichen Lebens im Westen aufsteigen. Die kath. Kirche nützte die Situation. Papst Gelasio I (492-496) definierte die Beziehung zwischen der Kirche und dem Staat neu indem er die Doktrin der zwei Gewalten begründete die unter der Bezeichnung „gelasianisches Prinzip“ im gesamten Mittelalter Gültigkeit hatte und noch Gültigkeit bis heute hat: - Privataudienz des Otto Habsburg beim Papst, - Seligsprechung des Kaisers Karl I, - Privatbesuch des Papstes beim Fürst von Liechtenstein, - im Jahre 2011 küsste in Madrid der spanische König dem Papst die Hand. Dieses Prinzip definierte den Vorrang der geistlichen Autorität gegenüber der weltlichen Gewalt auf geistigem Gebiet. Der erste von einem Patriarchen Gesalbte / Gekrönte war Leo I der im Jahre 457 in Konstantinopel zum Kaiser des Oströmischen Reiches gesalbt / gekrönte wurde. In der Weihnachtsnacht des Jahres 497, 498, 499 oder 507 (die Daten sind fraglich) konvertierte der Frankenkönig Chlodwig, der erste Merowinger, zum katholischen Glauben und wurde von den Päpsten Anastasio II oder Symmachus anerkannt. Damit begann in der Fortsetzung des Gottesgnadentums der römischen Kaiser im Machtbereich der röm.-kath. Kirche das reine Gottesgnadentum christlicher Prägung: CHLODWIG, UND MIT IHM ALLE SEINE NACHFOLGER, STANDEN JETZT IN DER GNADE DES GOTTES DER CHRISTEN. DIE MEROWINGER WAREN DIE GÖTTLICH BEGNADETE FAMILIE. Heute noch legen demokratisch gewählte griechische Staatspräsidenten vor dem Patriarchen den Amtseid ab. Erstmals gebrochen wurde dieser Machtanspruch einer „göttlich begnadeten Familie“ vom Papst Zaccaria im Jahre 751. Er gab die Zustimmung zur Absetzung des letzten Merowingerkönigs Childerich III durch Pippin den Kurzen. Pippin und seine beiden Söhne Karlmann und Karl erhielten im Auftrag von Papst Zacharias vom heiligen Bonifazius durch Salbung die heilige Sanktion und wurden damit zu Königen „von Gottes Gnaden“. Dieses Gottesgnadentum der französischen Könige dauerte von 497/498/499 bis zum Jahre 1792 und von 1814 bis 1830, dazwischen das Kaisertum Napoleons von 1804 bis 1814 und endete mit Napoleon III, 1852 bis 1870. ….. Am 25.12.800 schlug bei einer Messe im Petersdom die Geburtsstunde des „Heiligen römischen Reiches“. Mit der Salbung des Frankenkönigs Karl am 25.12.800 durch Papst Leo III zum Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches“ erfolgte neben dem öströmischen Kaisertum eine Neuauflage des 476 untergegangenen westlichen Kaisertums: KARL ERHIELT DURCH SALBUNG DIE HEILIGE SANKTION UND STAND DADURCH ALS KAISER IN DER GNADE DES GOTTES DER CHRISTEN. Dieses christliche „Kaisertum von Gottes Gnaden“ unter der geistigen Vorherrschaft der Päpste existierte von 800 bis zum 06.08.1806 und als Kaisertum von Österreich von 1804 bis 1918. Der von Gelasio I begründete Machtanspruch erstreckte sich über alle königlichen Familien Europas; Beispiel: Heinrich IV von Frankreich konnte 1593 nur durch einen Übertritt zum kath. Glauben König von Frankreich werden („Paris ist eine Messe wert.“). In der Literatur lebte jedoch der griechisch-römische Machanspruchsgedanke immer wieder auf. In einer eigenen germanischen Genealogie führte um ca. 825 Frechulph von Lisieux den Herrschaftsanspruch der französischen Könige auf einen legendären Francius, ein Nachkomme des Priamos, zurück und bindet die königlich-kaiserliche Familie damit an Zeus. Geoffrey of Monmouth (ca. 1100 – 1154) erstellte um ca. 1139 eine Genealogie (Historia regum Britaniae), die den Herrschaftsanspruch des englischen Königshauses auf Brutus, einen Enkel des Aineias, zurückführt, damit an Aphrodite und Zeus bindet, und die mit Cadwallon, dem König von Nordwales, der von 625 bis 634 regiert haben soll, endet. ….. Nutznießer dieses überholten, rein mythisch-religiösen Gedankengutes sind heute noch die europäischen Monarchien mit ihren jeweiligen Entstehungsgeschichten. Ebenso all jene Menschen die Glauben mit Wissen verwechseln, die glauben im Besitz der Wahrheit zu sein und daraus einen Machtanspruch ableiten.