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theseus
THESEUS Sohn des Aigeus 1 und der Aithra 1, der Tochter des Pittheus. Sein Name kommt schon in den Lirear-B-Texten vor. Die Analyse der Theseussage ergibt eine Mischung von Ortssagen und Wandermotiven, von historischen Erinnerungen und phantastisch-novellistischen Zügen und fußt auf verlorener alter Epik und Atthidographie. Je nach Ort, Zeit und Schriftsteller wurde sie in verschiedensten Variationen überliefert. In Homers Ilias wird Theseus nur einmal von Nestor erwähnt; 1,265: „Theseus, den Sohn des Aigeus, der den Unsterblichen gleichkam!“; das heißt, dass er schon 800 v. Chr. eine voll ausgebaute Sagenfigur war. ------- DIE THESEUSSAGE Aigeus, der König von Athen, bereits schon in die Jahre gekommen und noch immer ohne Nachkommen, wanderte nach Delphi, um das Orakel wegen seiner Kinderlosigkeit zu befragen. Der Gott weissagte ihm: „Des Schlauches vorstehenden Fuß, Vorzüglichster der Völker, löse nicht, bevor du zur Burg der Athener kommst!“ Er verstand nichts und hoffte, dass sein weiser Freund Pittheus ihm helfen könne. Auf dem Weg dorthin begegnete er in Korinth Kreon, dem König der Stadt, der gerade die Zauberin Medeia verjagen wollte (lies Medeia >). Als Medeia dem Aigeus Kindersegen versprach, sagte er zu, ihr in Athen Asyl zu gewähren. Aigeus wanderte nach Troizen weiter. Sein Freund Pittheus, der König von Troizen, wusste die Deutung des Orakels sofort, sagte aber nichts. Beim Abendmahl füllte Pittheus den Weinschlauch, nämlich Aigeus selbst, mit Wein und legte ihn zu seiner Tochter Aithra in das Bett. Pittheus´ Wunsch, durch die ‚Lösung des Fußes des Weinschlauches‘ einen Erben von Athen als Enkel zu bekommen, ging in Erfüllung. Zufällig schlich sich in dieser Nacht auch Poseidon in Aithras Bett und bis heute weiß niemand wer als Vater erfolgreich war. Nach Pausanias 2,33,1 soll sie während eines Totenopfers für den Wagenlenker des Pelops 1, Sphairos, auf der nach ihm benannten Insel Sphairia von Poseidon überrascht und vernascht worden sein. Als Dank stiftete Aithra einen Tempel der Athena Apaturia, gab der Insel den neuen Namen Hiera, die Heilige, und führte den Brauch ein, dass die Frauen vor der Hochzeit ihren Gürtel in diesem Tempel opfern. ….. Bevor Aigeus abreiste legte er sein Schwert und seine Sandalen unter einen schweren Stein und erklärte, wenn es ein Sohn werde der so stark ist, dass er den Stein fort rollen kann und wenn ihm die Sandalen passen, dann soll er mit den Beweisstücken nach Athen kommen. Kaum war Aigeus nach Athen zurückgekehrt, kam auch schon Medeia auf ihrem Feuerwagen angeflogen. Aigeus heiratete sie und Medeia gebar ihm zwei Söhne. ------ Nach neun Monaten brachte Aithra einen Sohn, Theseus, zur Welt. Er wurde von seinem Großvater Pittheus wie ein Prinz erzogen. Als er sieben Jahre alt war weilte Herakles auf Besuch. Alle Kinder rannten aus Angst vor dem Löwenfell davon, nur Klein-Theseus nahm ein Beil und wollte das Untier erschlagen. Herakles amüsierte sich köstlich. Zwölfjährig wanderte er nach Delphi um Apollon seine Haare zu opfern (Im südindischen Tirumala opfern noch heute ca. 3000 Menschen täglich dem Gott Venkatehswara ihre Haare – es bringt Glück! ). Der Knabe opferte aber nur seine Stirnlocken. Das ergab einen Haarschnitt, der nach ihm Theseis genannt wurde (wohl ein Vorläufer des Bubikopfs). Den Ringkampf beherrschte er meisterhaft und entwickelte ihn von einer reinen Kraftprobe durch Schnelligkeit, Geschicklichkeit und Intelligenz zur hohen Kunst. Sein Idol war Herakles (dieser erledigte zu der Zeit gerade bei Omphale in Frauenkleidern hausfrauliche Geschäfte). Theseus wollte auch ein Held werden! Als Urenkel des Pelops 1, Enkel des weisen Pittheus und Sohn eines Gottes oder Königs besaß er enormes Selbstbewusstsein. Zudem war er außerordentlich klug und stark. Pittheus war klar, dass dieser Jüngling der Sohn eines Gottes war. Theseus glaubte (wie alle Männer) natürlich auch, dass er göttlich sei. Sechzehnjährig rollte er den besagten Stein fort, zog die Sandalen an, band sich das Schwert um und machte sich auf den Weg nach Athen; zum Kummer seiner Mutter nicht über das Meer, sondern zu Fuß über den Isthmos. Auf diesem lebensgefährlichen Weg wollte Theseus sich als Held beweisen. …….. Der erste gefährliche Geselle den er traf war Periphetes, ein Sohn des Hephaistos und der Antikleia, auch Korynetes („Keulenmann“) nannte man ihn. Er hatte von seinem Vater eine eiserne Keule erhalten mit der er allen Vorüberwollenden den Schädel einschlug. Theseus rang ihm die Keule ab, erschlug ihn und nahm die göttliche Keule mit. Die zweite Gefahr war Sinis, der „Räuber“, Sohn des Poseidon oder des Polypemon, des gefürchteten „Strecker“, und der Sylea, der „Plünderin“. Man nannte ihn auch Pityokamptes, den „Fichtenbeuger“. Er überfiel Wanderer, bog zwei hohe Tannen zu Boden und band die Fremden daran fest. Dann ließ er die Bäume los. Beim Hochschnellen der Bäume wurden die Armen zerrissen. Theseus, er hatte von seinem Großvater Pittheus Weisheit und Schlauheit geerbt, überlistete Sinis, band ihn selbst an die Bäume und zerrissen war er. Sinis starke Tochter Perigune flüchtete entsetzt in ein Gebüsch. Theseus beruhigte sie, führte sie in das Haus und versprach ihr ihr kein Leid zuzufügen. Neun Monate später hat sie einen Melanippos 3 entbunden (tatsächlich war er ein Sohn des Kyklops und Enkel des Zeuxippos, wurde aber in die Theseussage eingebaut). Theseus verheiratete Perigune später mit Deioneus 2, dem Sohn des Eurytos 2. Über einen Umweg ging er nach Krommyon weiter und erschlug dort Phaia, die „Graue“, die „Krommyonische Sau“, die gefährliche Riesensau, die schon seit Generationen das Land verwüstete. Auf dem Skeironischen Felsen beim Isthmos begegnete Theseus dem Skiron, einem unguten Gesellen, der die Wanderer zwang ihm die Füße zu waschen und der sie dann plötzlich über eine Felswand in den Abgrund warf, in dessen Tiefe bereits eine riesige Meeresschildkröte, ein Hadestier, wartete, um sie aufzufressen. Theseus täuschte eine Fußwaschung vor, schlug Skiron die Waschschüssel auf den Kopf und warf ihn über jene Felswand, die heute noch Skeironischer Felsen heißt. Er ging weiter nach Eleusis und wurde von König Kerkyon, der „Geschwänzte“, freundlich empfangen. Dieser bärenstarke, geschwänzte König zwang alle Besucher mit ihm zu ringen. Keiner überlebte. Theseus aber, der Erfinder der modernen Ringkampftechnik, hob ihn auf, warf ihn zu Boden, zerschmetterte ihn und vergewaltigte seine Tochter Lysimache 1. Die sechste Gestalt, die den jungen Theseus tödlich gefährdete, war der Schmied Damastes, der „Bezwinger“, er hieß auch Prokrustes, der „Ausstrecker“. Freundlich bot er den Wanderern ein Bett zur Übernachtung an. Nur, wer für das Bett zu groß war, dem hackte er die überragenden Glieder ab, die zu Kurzen streckte er mit schweren Gewichten, jeder musste genau in das Bett passen, keiner überlebte. Theseus überlistete ihn und streckte ihn in seinem eigenen Bett zu Tode. Endlich hatte jemand diesen gefährlichen Weg über den Isthmos von allen Gefahren gereinigt. …… Ruhm eilte ihm voraus. Genau an der Stelle, an der einst Phytalos von Demeter den ersten Feigenbaum erhielt, erwarteten ihn die Nachkommen des Phytalos und reinigten ihn von den vielen notwendigen Morden. Theseus kam nach Athen und wurde begeistert empfangen. Nur Bauarbeiter, die auf dem Dach des Apollontempels arbeiteten, verlachten ihn wegen seines langen ionischen Gewandes und bezeichneten ihn als Mädchen. Ein Ochsengespann brachte gerade einen Wagen Ziegel. Er spannte die Ochsen aus und warf sie, lachend, den verängstigten Arbeitern auf das Dach. Freudig begleitete das Volk von Athen den Helden zum König. Medeia, die kolchische Zauberin und neue Gattin des Aigeus, erkannte trotz der vergangenen 17 Jahre natürlich wer dieser Theseus war und war in tiefer Sorge um die Thronfolge ihrer eigenen Söhne. Schmeichelnd umgarnte sie Aigeus, verleumdete Theseus, behauptete dass er gekommen sei um ihn, Aigeus, zu ermorden, schwatzte dem König Angst ein und überredete ihn, diesen ‚gefährlichen‘ jungen Mann zu vernichten. Obwohl er am Höhepunkt seiner Macht war glaubte Aigeus verängstigt, denn er lebte ja in ständiger Angst vor seinem Bruder Pallas 3 und dessen 50 rachesüchtigen Söhnen. Vor vielen Jahren hatte er sie um die Mitherrschaft betrogen. Theseus erhielt den Auftrag den gefährlichen Stier von Marathon, dem vor Jahren schon Androgeos, der Sohn des kretischen Königs Minos 1 zum Opfer gefallen war, zu töten. Herakles hatte ihn vor 20 Jahren im Auftrag des Eurystheus (achte Arbeit des Herakles) in Kreta gefangen und hier her geschleppt. Der mutige Jüngling stöberte das Vieh auf, fing den göttlichen weißen Stier, den einst Poseidon dem Minos schenkte und der mit Pasiphae den Minotauros gezeugt hatte, und übergab ihn dem König zur Opferung. Theseus´ Triumph war vollkommen, das Volk jubelte ihm zu. Bei der Siegesfeier bewirtete Aigeus den Gast ängstlich, aber gemäß den Regeln der Gastfreundschaft freundlich und reichte ihm einen Becher Wein. Medeia hatte Saft des Schierlingskrautes beigemischt (Sie führte damit die Jahrhunderte lang gültige Hinrichtungsart in Athen ein.). Theseus nahm mit der einen Hand den Becher und reichte Atreus mit der anderen Hand als Beweis seiner Friedfertigkeit sein Schwert. Atreus erkannte das Schwert. „Halt, mein Sohn !“, schrie er, blickte auf die Sandalen des Jünglings, „Trinke nicht !“ und schlug ihm den Becher aus der Hand. Die Stelle des Bodens, auf die sich das Gift ergoss, wurde umzäunt. Medeia und ihre Söhne wurden des Landes verwiesen. Eine andere Version bietet Pausanias 2,3,8: „Medeia, die damals nach Athen kam, vermählte sich mit Aigeus. Als sie aber später dabei ertappt wurde, dass sie sich mit Theseus einließ, floh sie aus Athen.“ ….. Bald nach der Machtergreifung der Söhne des Pandion 2 / II, Nisos 1 erhielt Megara, Aigeus 1, Pallas 3 und Lykos 21 Attika, entmachtete Aigeus 1 seine Brüder Pallas 3 und Lykos 21 und ergriff gewaltsam die Alleinherrschaft in Attika. Lykos, er war ein Seher und sah die Nutzlosigkeit von Widerstand voraus, floh in das Land der Termilai nach Kleinasien und schloss sich Sarpedon 1 an. Das Land wurde nach ihm, Lykien, benannt. Durch die nun auch vom Volk gewünschte offizielle Einsetzung des heldenhaften Theseus als Nachfolger des Aigeus fürchteten natürlich auch Pallas 3 und seine 50 Söhne endgültig von der Mitregentschaft im Königreich Athen ausgeschlossen zu werden. Sie hetzten das Volk auf, planten einen Überfall, zogen gegen Theseus und wollten ihn in eine Falle locken. Leos aus Agnus, ein Überläufer, verriet aber die List und Theseus metzelte die Hälfte seiner Vettern nieder. Pallas und seine überlebenden Söhne ergriffen die Flucht. ….. Eine noch viel größere Gefahr bedrohte jedoch Athen. Nicht lange vor Theseus´ Geburt war Androgeos, der Sohn des kretischen Königs Minos 1 und große Sieger bei den Panathenäischen Spiele, bei Aigeus zu Gast. Aigeus, damals noch ohne Sohn und Nachfolger, hatte aus Neid seinen Tod verursacht. Minos rächte sich, zerstörte zuerst Megara, griff dann Athen an, siegte, und Athen musste sich bereit erklären, alle 9 Jahre 7 athenische Jünglinge und 7 Jungfrauen Kreta auszuliefern. Sie wurden dort dem Minotauros zum Fraß vorgeworfen. Jetzt war es wieder soweit. Theseus erklärte sich bereit als eines der Opfer die Fahrt zu begleiten und versprach den Minotauros zu töten. Athene, die Schutzgöttin Athens, bat Aphrodite ihre schützende Hand über die Jugendlichen zu halten. Aphrodite erhörte Athene. ….. Bevor sie, mit einem schwarzen Segel der Trauer ausgestattet, den Hafen verließen, versprach Theseus seinem Vater Aigeus, bei einer glücklichen Rückkunft ein weißes Segel zu hissen. Kurz nach der Ankunft auf Kreta wurde Ariadne, eine der Töchter des Minos, dem schönen Jüngling Theseus vorgestellt. Eros schoss im Auftrag seiner Mutter zwei Pfeile und sie verliebten sich auf der Stelle unsterblich. Theseus erklärte ihr heimlich seine Absicht, die Tötung des Minotauros und die Flucht, und versprach ihr sicher alles was jung verliebte Männer ihren Angebeteten versprechen. Ariadne gab ihm leise, die Idee hatte der kluge Daidalos (als Athener half er nämlich den Athenern), ein Wollknäuel. Der Minotauros, Ariadnes stierköpfiger Halbbruder, war in einem von Daidalos entworfenen Labyrinth eingesperrt. Theseus knöpfte den Faden an das Tor des Labyrinths, rollte ihn beim Eindringen ab, fand den Stierköpfigen, erschlug ihn und kehrte mit Hilfe des Wollfadens zurück. Mit Ariadne und den von ihr befreiten Jugendlichen eilten sie im Dunkel der Nacht zum Hafen, schlugen, es war eine Idee der Ariadne, den Schiffen des Minos Löcher in die Böden um eine Verfolgung zu verhindern und flüchteten mit dem Schiff des Theseus nach Naxos. Aphrodite schenkte dem Liebespaar eine wunderschöne Zeit; bis eines Nachts Dionysos dem Theseus im Traum erschien und ihm erklärte, dass er, Dionysos, bereits der Ehemann der Ariadne sei. Während Ariadne noch schlief verließ Theseus mit den ihn begleitenden Jugendlichen Naxos und kehrte in seine Heimatstadt zurück. Die Götter bestraften Ariadne für den Verrat an ihrem Vater, der Mitschuld am Tod ihres Halbbruders und dem begangenen Ehebruch mit dem Tod (kaum irgendwo variieren die Erzählungen so wie hier). Im Gefühl des überschwänglichen Glücks vergaß man, wie versprochen, das weiße Segel zu hissen. Als Aigeus das Schiff mit schwarzen Segeln in den Hafen einlaufen sah, stürzte er sich vor Gram von einem Felsen in das Meer, das bis heute seinen Namen trägt - „Ägäisches Meer“. …….. Als Held und Nachfolger seines Vaters auf dem Königsthron von Athen war Theseus am Höhepunkt seiner Macht. Er zentralisierte die Verwaltung seines Reiches, demokratisierte trotz des Widerstandes des Adels, gab königliche Macht an untergeordnete Verwaltungseinheiten ab und bewährte sich als Helfer der Entrechteten (Nicht umsonst bezeichnet man ihn als Begründer der Demokratie.). Die Oberhoheit Athens stärkte er, indem er die Königsmacht in Eleusis dem Hippothoon, dem Sohn des Poseidon und der Alope, dem Enkel des Kerkyon 1, den Theseus auf dem Weg nach Athen getötet hatte, übertrug. Zudem schloss er die Stadt Megara, die unter der Herrschaft seines Onkels Nisos 1 gestanden hatte bis Minos 1 sie zerstörte, in seinen Machtbereich ein. Seinem göttlichen Vater Poseidon zur Ehre erweiterte er auch die vom früheren korinthischen König Sisyphos zur Erinnerung an Melikertes gegründeten Isthmischen Spiele. (Diese Spiele, die sich zu den größten Sportfestspielen neben der Olympiade entwickelten, dürften ca. 1600 Jahre lang durchgeführt worden sein.) ……. Die herakleidische Abenteurerlust hat Theseus jedoch nicht verlassen. Er nahm an der Kalydonischen Eberjagd und an der Argonautenfahrt teil. Den Herakles begleitete er bei seinem Feldzug gegen die Amazonen und als Antiope, auch Hippolyte oder Melanippe genannt, die Königin der Amazonen, ihm in der brutalen Schlacht gegenüber stand, flammte Liebe zwischen den beiden auf. Theseus rang sie nieder, tötete sie aber nicht und entführte sie nach Athen. Abweichend berichtet Hygin fab. 30: „Die Amazone Hippolyte, die Tochter des Ares und der Königin Otrere: er raubte ihr den Amazonengürtel, dann schenkte er die gefangene Antiope dem Theseus.“ (Mader Ludwig: Griechische Sagen. Eingeleitet und neu übertragen von Ludwig Mader. Albatros Verlag, Düsseldorf, 2003) Ein Heer von wütenden Amazonen wollte die Königin befreien, zog gegen Athen, belagerte die Stadt, wurde aber in einer erbitterten Schlacht geschlagen. Die getöteten Frauen wurden am Fuße der Akropolis neben dem Aeropag bestattet. Theseus ließ auf ihrem Grab ein Ehrenmal, das Amazoneion, errichten (Die heute noch bekannte Stelle dürfte sich demnächst zum Wallfahrtsort emanzipatorischer Frauen entwickeln.). Über die Art wie Theseus in den „Besitz“ der Antiope kam wird in verschiedenen Versionen erzählt: - Herakles schenkte sie ihm; Hygin fab. 30 - Theseus raubt sie; Apollodoor frg. Sabbait. 123a. - Pausanias I 2,1: “Kommt man in die Stadt hinein, so ist da ein Grabmal der Amazone Antiope. Von dieser Antiope sagt Pindar, sie sei von Peirithoos und Theseus geraubt worden, der Troizenier Hegias hat aber folgendes auf sie gedichtet. Herakles habe Themiskyra am Thermodon belagert und nicht nehmen können, und Antiope habe sich in Theseus verliebt, denn auch Theseus sei mit Herakles gezogen, und den Ort übergeben. Das hat Hegias gedichtet; die Athener aber sagen, als die Amazonen gekommen seien, sei Antiope von Molpadia erschossen, Molpadia aber von Theseus getötet worden. Und die Athener haben auch ein Grabmal der Molpadia.“ (Pausanias: Reisen in Griechenland. Band 1: Athen, die Bücher I - IV in der Übersetzung von Ernst Meyer. Düsseldorf / Zürich: Artemis & Winkler Verlag, 2001.) - Nach Pindar frg. 175 Bgk. zieht Theseus mit Peirithoos in das Land der Amazonen. Mit Hilfe des Peirithoos, oder seines Wagenlenkers Phorbas, gelingt es Theseus Antiope zu besiegen. - Bei der Belagerung der Amazonen erscheint Antiope als Abgesandte. Theseus lockt sie auf sein Schiff und flieht mit ihr; Bion von Prokonnesos frg. 1, FHG II 19. Antiope starb kurz nachdem sie einen Sohn Hippolytos 1, ein Produkt ihrer Liebe zu Theseus, zur Welt brachte. Vor den itonischen Tor in Athen zeigte man ihr Grabmal. Auch ihr Tod wird in mehreren Variationen erzählt: - Die Amazonen ziehen nach Athen um Antiope zu befreien. Beim Kampf, an der Seite der Athener, wird sie von der Amazone Molpadia getötet (Diod. IV 28.) oder, nach einem Spruch des Orakels, von Theseus selbst getötet und dem Phobos geopfert; Hygin fab.241. - Apollodor E1S17 berichtet, Theseus habe, obwohl er noch mit Antiope 4 verheiratet Phaidra geheiratet. Als man nach der Zeremonie zu Tische lag habe Antiope mit Hilfe der in diesem Fall in Athen anwesenden Amazonen versucht die Anwesenden zu ermorden. Schnell habe man aber die Tore geschlossen und die Angreiferinnen getötet. Theseus selbst, Herakles oder irrtümlich Penthesileia habe Antiope tödlich verletzt. Auch dass sie im Hause des Theseus von seinen Genossen erschlagen wurden erzählt Apollodor frg. Sabbait. Der tief trauernde Theseus ließ das gemeinsame Baby nach Triozen zu Pittheus, dem Urgroßvater, zur Erziehung bringen. ….. Nach einigen Schriftstellern soll Theseus Aigle 5, eines jener Mädchen, das auch als Fraß für den Minotauros bestimmt war und die Meliboia 1e geheiratet haben. Mit Deukalion 1, dem Sohn des Minos 1 und Nachfolgers auf dem Thron von Kreta, vereinbarte er die Hochzeit mit Phaidra, die „Glänzende“, der Schwester des Deukalion 1, eine politische Ehe um der ewigen Feindschaft zwischen Kreta und Athen ein Ende zu bereiten. Akamas 4 und Demophon 2 wurden als Söhne geboren. ….. Jahre später besuchte Hippolytos Athen und ließ sich in die Mysterien von Eleusis einweihen. Phaidra, seine Stiefmutter, verliebte sich in den knabenhaften Schönen, dem das Barthaar erst unter der Nase spross. Nach seiner Rückkehr nach Troizen ließ die vor Liebessehnsucht Schmachtende auf der Akropolis einen Tempel der Aphrodite errichten. Von dort aus konnte sie an schönen Tagen Troizen am Horizont schwach erkennen. ….. Da nun mit der Geburt von Demophon und Akamas 4 die Nachfolge auf dem Thron von Athen geregelt schien, unternahmen Pallas 3, der Onkel des Theseus und seine 25 überlebenden Söhne einen letzten verzweifelten Versuch die Macht doch noch an sich zu reißen. Theseus besiegte sie zuerst, dann tötete er sie alle. Für diese Morde musste sich Theseus in Athen im Delphinion, einem Gericht das über Morde urteilte, verantworten, wurde aber, weil es sich um gerechtfertigte Morde handelte, freigesprochen; Pausanias 1,28,10. Dennoch musste er ein Jahr in die Verbannung und ging mit Phaidra und den Kindern für diese Zeit nach Troizen zu seinem Großvater. ….. Die noch immer innig liebende Phaidra traf Hippolytos wieder. Tief betrübt musste sie erkennen, dass Hippolytos äußerst keusch war, nur der Artemis, der Göttin der Jagd und der Keuschheit, opferte, die Riten der Aphrodite verschmähte und keine Frau, am wenigsten seine Stiefmutter, beachtete. Als ihre Amme sah, wie die Herrin sich in ihrer hoffnungslosen Liebe verzehrte, nahm sie Hippolytos unter Eid und berichtete ihm heimlich von der Liebe der Königin. Der fromme junge Mann war entsetzt, aber durch die Schweigepflicht gebunden. Phaidra, dem Wahnsinn nah, nahm sich das Leben; in ihrer erkalteten Hand hielt sie einen Brief. Theseus, er kam soeben von Delphi zurück, fand die Tote und las den Brief in dem Phaidra den Hippolytos entsetzlich verleumdete: Der Jüngling habe sie vergewaltigt, aus Scham habe sie sich den Tod gegeben (In einer anderen Version offenbarte Phaidra sich selbst, Hippolytos wies sie entsetzt zurück, sie verleumdete ihn bei Theseus und gab sich aus Reue den Tod erst nach dem tragischen Ende des Hippolytos.). Der Beschuldigte schwieg, er hatte den Eid geleistet. In seiner Wut erinnerte sich Theseus an seinen göttlichen Vater: Drei Verfluchungen hatte ihm Poseidon einst geschenkt. Theseus verfluchte seinen Sohn und verwies ihn des Landes. Der Verfluchte hatte die Größe den Eid trotzdem nicht zu brechen und nahm das Los auf sich. Als er die Stadt verließ und mit seinem Gespann dem Meer entlang fuhr, schickte Poseidon aus dem Wasser einen riesigen Stier, die Pferde scheuten, der Wagen kam zum Sturz und Hippolytos wurde von seinen dahinstürmenden Pferden zu Tode geschleift. Euripides, Hippolytos: Theseus tritt auf. BOTE. Ich bringe Botschaft, Theseus, die der Trauer wert, für dich und für die Bürger auch, die in Athen und in den Grenzen des Trozenerlandes wohnen. THESEUS. Was gibt es? Hat ein Unglück, unvorhergesehen, vielleicht die beiden Nachbarstädte heimgesucht? BOTE. Hippolytos, es kurz zu sagen, lebt nicht mehr. Er schaut das Licht noch, freilich nur auf kurze Zeit. THESEUS. Weswegen? Ward ihm jemand feind, dem er die Gattin, wie die des Vaters, mit Gewalt geschändet hat? BOTE. Der eigne Wagen wurde sein Verhängnis - und der Fluch aus deinem Mund, den du zu deinem Vater, dem Herrn des Meeres, gegen deinen Sohn gesprochen. THESEUS. Ihr Götter! Du, Poseidon, ja, du warst zu Recht mein Vater, denn du hast gehört auf meinen Fluch. Doch wie ging er zugrunde? Sprich! Auf welche Weise traf ihn, der mich entehrte, Dikes Keulenschlag? BOTE. Dicht an dem meerbespülten Strande kämmten wir die Mähnen unsrer Rosse mit den Striegeln aus, in tiefem Schmerz. Denn Nachricht war gekommen, daß Hippolytos nicht seinen Fuß mehr setzen dürfe in dieses Land, von dir in bittren Bann getan. Da kam er selber, mit dem gleichen Trauerlied, zu uns an das Gestade. Seinem Fuße folgte in großer Zahl der lieben Freunde Schar. Er hielt nach langer Zeit in seinen Klagen ein und sagte: »Was traure ich? Dem Wort des Vaters muß ich folgen. Die jochbeladnen Pferde schirret an den Wagen, ihr Diener! Keine Heimat habe ich hier mehr.« Da freilich strengte jedermann sich an, und schneller, als einer sagen könnte, führten wir die Rosse mit vollem Zaumzeug unserem Gebieter vor. Vom Wagenrand ergriff er mit der Faust die Zügel und setzte seine Füße in den Lenkerstand. Erst flehte mit erhobner Hand er zu den Göttern: »Zeus, nicht mehr leben will ich, bin ich ein Verbrecher! Mein Vater soll erkennen, daß er Unrecht mir getan, mag ich nun tot sein oder noch das Licht erblicken!« Dabei nahm die Peitsche er zur Hand und trieb gleichmäßig an die Rosse. Dicht am Wagen, den Zügeln nahe, folgten unsrem Herrn wir Diener geraden Wegs auf Argos zu und Epidauros. In eine menschenleere Gegend kamen wir. Da streckt die Küste, jenseits unsrer Landesgrenzen, sich schon zum Meer des Saron hin. Von dort erscholl ein unterirdisch Dröhnen, wie ein Donnerschlag des Zeus, in dumpfem Grollen, schauerlich zu hören. Es reckten Kopf und Ohr zum Himmel auf die Rosse, und Furcht beschlich wie Knaben uns, woher der Lärm denn stamme. Und als wir zum flutumrauschten Strand geblickt, da sahn wir eine wundersame Woge so hoch zum Himmel auf sich türmen, daß die Küste des Skiron meinem Blick entschwand. Den Isthmos und den Fels auch des Asklepios verbarg die Woge. Dann rollte, schwellend, ringsum Gischt in Massen sprühend, sie unter dem Gestöhn des Meeres ans Gestade, wo grad der Wagen mit dem Viergespanne stand. Zugleich mit ihrem dreifach hohen Schwalle setzte sie einen Stier an Land, ein wildes Ungetüm. Von seinem Brüllen dröhnte laut die ganze Gegend und hallte schaurig wider. Denen, die es sahen, erschien das Bild zu furchtbar für ein Menschenauge. Sofort befiel ein wilder Schrecken das Gespann. Doch unser Herr, in dem Beruf der Pferdelenker sehr wohl erfahren, packte mit der Hand die Zügel und zog sie, wie ein Schiffer seinen Rudergriff, den Leib gehängt nach rückwärts an die Riemen. Aber die Rosse stürmten hin, die glutgehärteten Gebisse zwischen ihren Zähnen, kehrten sich nicht an die Hand des Lenkers, nicht an ihre Stränge, nicht an den festgefügten Wagen. Wollte er, als Steuermann, die Fahrt zum weichen Sande lenken, erschien der Stier von vorn, so daß sie wenden mußten, und machte vor Entsetzen scheu das Viergespann. Doch stürmten, rasend, sie den Felsen zu, so folgte er still, dem Wagen nah, bis zu dem Augenblick, da er ein Rad des Fahrzeugs an den Felsen jagte, zum Sturz es brachte und es umwarf. Da gab es ein wirres Durcheinander. In die Höhe flogen die Rädernaben und die Pflöcke auch der Achsen. Der Unglückliche selbst, verstrickt in seine Zügel, von Banden, unauflöslichen, gefesselt, ward geschleift, geschmettert an den Fels sein teures Haupt, sein Fleisch zerrissen. Fürchterlich zu hören, schrie er: »Halt! Meine Krippen haben euch genährt, bringt mich nicht um! Du jammervoller Fluch des Vaters! Wer will kommen und dem besten Helden Rettung bringen? Wir wollten es in großer Zahl, doch blieben wir im Lauf zurück. Und er kam von den Fesseln der geschnittnen Riemen frei - ich weiß nicht, wie - und sank hernieder, nur mit schwachem Lebenshauch noch atmend. Die Pferde und das grause Ungetüm von Stier verschwanden - wo, das weiß ich nicht - im Felsengrund. Ein Sklave bin ich nur in deinem Hause, Herr, doch werde dazu niemals ich imstande sein, zu glauben, daß dein Sohn ein Schurke ist, auch nicht, wenn sich das ganze Weibervolk erhängte und man mit Geschreibsel füllte alles Fichtenholz am Ida. Denn ich weiß: Er ist ein edler Mann! [Euripides: Hippolytos. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 2995 (vgl. Euripides-W Bd. 1, S. 136 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Artemis, die Göttin der Keuschheit, hob die Seele ihres treuen Dieners zu den Sternen, heute das Sternbild Fuhrmann. Sein Leichnam wurde in Athen neben dem von Phaidra gestifteten Tempel der Aphrodite beigesetzt. ……. In jungen Jahren hatte Theseus mit Peirithoos 1, dem Fürsten der Lapithen, nach langer Zeit des Streites den Eid der Verbrüderung besiegelt. Sie galten als das klassische Freundespaar. Gemeinsam erlebten sie viele Abenteuer; u. a. hatte Theseus bei der Hochzeit seines Freundes geholfen die betrunkenen und anmaßenden Kentauren zu verjagen. Leichtsinnig, es kann wohl nur beginnender Altersschwachsinn die Ursache gewesen sein, nahmen sie sich vor je eine Tochter des Zeus zu verführen. Man sagt auch, sie wollten sie heiraten. Für Theseus entführten sie die zwölfjährige Helene, die Tochter des Zeus und der Leda, von Sparta in die attische Stadt Aphidnai. Theseus schwängerte die Kleine und überließ sie der Aufsicht seiner Mutter. Mit dem heiratslustigen Peirithoos stieg er dann in den Hades hinab, um mit ihm die gefährlichste und unnahbarste der Zeustöchter, Persephone, die Göttin der Unterwelt und Frau des Hades, zu entführen. Hades empfing sie freundlich, bat sie auf einem großen Stuhl Platz zu nehmen, bestellte Erfrischungen für die hohen Gäste, hörte sich ruhig den Grund für den Besuch an und, ehe es die beiden bemerkten, waren sie mit Schlangen an den Stuhl Lethe, den Stuhl des Vergessens, gefesselt. Theseus wurde von Herakles befreit als er Kerberos holte und kehrte nach Athen zurück. Peirithoos sitzt heute noch dort und weiß nicht mehr was er wollte. Viel nüchterner überliefert es Pausanias 1,17,4f: „Als Theseus bei den Thesprotern einfiel, um die Frau des Thesproterkönigs zu rauben, verlor er den größten Teil seines Heeres, und er selbst und Peirithoos wurden gefangen. Peirithoos, der seine Heirat betrieb, war mit von der Partie. Der Thesproterkönig hielt sie in Kichyros in Fesseln.“ ….. In der Zwischenzeit wiegelte Menestheus, ein Sohn des Peteos und Enkel des Orneus 2, er hatte mit Theseus den Erechtheus als gemeinsamen Urur- Urgroßvater, das Volk Attikas gegen den abwesenden Theseus auf. Die Brüder der schwangeren Helene, die Dioskuren, zogen mit einem Heer in Attika ein, verwüsteten das Land und befreiten Helene. Die Mutter des Theseus wurde zur Magd degradiert und musste nach Sparta als Dienerin der Helene mitziehen. Akamas 4 und Demophon 2, die noch jugendlichen Söhne des Theseus flüchteten zu Elephenor nach Euboia. Weil Menestheus den Athenern empfohlen hatte nichts gegen die Befreiung der Helene zu unternehmen, erhoben Kastor und Polydeukes ihn zum Herrscher von Athen. Obwohl er in Athen noch viele Freunde hatte, lehnte das Volk der Stadt jetzt den Kindesverführer Theseus bei seiner Rückkehr ab. Seine Versuche wieder an die Macht zu kommen stießen auf heftigen und erfolgreichen Widerstand. ….. Theseus sprach von den zwei noch verbliebenen Flüchen einen feierlich über die Stadt aus und verließ Athen endgültig. Er fuhr zur Insel Skyros, dort herrschte einst sein Großvater Pittheus, zu König Lykomedes 2 und verlangte sein Erbe. Das Volk bejubelte den berühmten Helden, auch Lykomedes 2 empfing Theseus herzlich, stürzte ihn aber bei einem Spaziergang über einen Felsen in den Tod. Es soll ein Unfall gewesen sein, sagte man und genau so erzählte man, dass Menestheus seine Hand im Spiel gehabt haben soll. Weil Menestheus, nun König von Athen, als Freier um Helene den Beistandseid geleistet hatte, musste er in den Krieg gegen Troia. Er wurde in der Endschlacht um die Stadt getötet. Nach dem Fall von Troia kehrte Demophon 2, der ältere Sohn des Theseus, nach Athen zurück und wurde als König anerkannt. ……………………….. Obwohl das Schiff, mit dem Theseus nach Kreta gefahren war, aufbewahrt wurde, vergaß man ihn viele Jahrhunderte lang fast völlig. Während der Kriege gegen die Perser kamen die attischen Soldaten zur Überzeugung, dass bei der Schlacht von Marathon (490 v. Chr.) der Geist des Theseus sie beflügelt und zum Sieg geführt habe. Kimon 2, der große Feldherr und Politiker, eroberte ca. 475 v. Chr. Skyros von den Persern zurück und überführte die angeblichen Gebeine des Theseus nach Athen. Danach verehrte man ihn fast wie einen Gott. …………………………. Loblied auf Theseus Das Schiff mit dem düsteren Bug, das unter den vierzehn stattlichen Jungen und Mädchen ionischen Stamms den schon im Schlachtenlärm bewährten Theseus trug, durchschnitt das kretische Meer. Das weithin glänzende Segel blähte sich unter dem kräftigen Hauch des Nordwinds, dank dem Willen Athenes, der ruhmreichen, aigisschwingenden Göttin. Da sollten die heiligen Gaben der Kypris, der Göttin im Schmuck des reizenden Stirnbands, den Minos verlocken; nicht länger vermochte er seine Hand von einem der Mädchen zurückzuhalten, berührte ihre leuchtenden Wangen. Um Hilfe schrie Eriboia nach dem ehern gewappneten Enkel Pandions. Und Theseus hatte erspäht die Bewegung, er rollte finster sein Auge unter den Brauen, ihm wühlte im Herzen entsetzliche Qual; er sprach: »Du Sprößling des Zeus, des gewaltigsten Gottes, Gerechtigkeit hegst du nicht mehr in deinem Sinnen und Trachten; verzichte, du Halbgott, auf frevle Gewalt! Was immer nach göttlichem Willen das allgewaltige Schicksal uns auferlegt und wie sich die Waage des Rechtes auch neigt: Wir werden als zugewiesene Bürde es tragen, sobald es sich zeigt. Du aber bezwinge dein böses Streben! Dich brachte zwar die tüchtige Tochter des Phoinix zur Welt, das Mädchen mit reizvollem Namen, nachdem sie in Liebe mit Zeus sich vereint an der Schläfe des Ida, gebar dich als Mächtigsten unter den Menschen. Doch bin auch ich ein Göttersohn: Die Tochter des reichen Pittheus gebar mich dem Herrscher des Meeres, Poseidon, und einen Schleier aus Gold verehrten ihr die dunkelgelockten Nereustöchter. Ich rate dir deshalb, Feldherr der Knossier: Meide ein zuchtloses Handeln, das Kummer nur bringt! Ich möchte nicht länger den ewigen, lieblichen Glanz der Eos erblicken, sofern du einem der jungen Menschen dein Wollen aufzwingst. Eher beweisen wir dir die Stärke unserer Fäuste. Den Ausgang wird ein Daimon entscheiden.« So sprach der Held, der Meister im Speerwurf. Es staunte das Schiffsvolk über des Jünglings hohen Mut. Zum Zorne reizte er aber den Schwiegersohn des Helios; der sann auf eine ganz ungewöhnliche List und sagte: »Riesenstarker Vater Zeus, erhör mich! Wenn mich das Mädchen mit leuchtenden Armen, aus Phoinikien, dir gebar, so lasse vom Himmel zucken sogleich den schnellen, vom Feuer umflatterten Blitz als weithin sichtbares Zeichen! Und hat dich gleichfalls als göttlichen Sprossen Aithra aus Troizen dem erderschütternden Gott Poseidon geboren, so hole mir meinen herrlichen goldenen Armschmuck, hier, wieder herauf aus der tiefen Salzflut, spring mutig hinein ins Vaterhaus! Erfahren wirst du, ob der Sohn des Kronos mein Flehen erhört, der Herr des Donners, Gebieter des Alls.« Tatsächlich erhörte der mächtige Zeus sein Gebet, an dessen Wortlaut er nichts zu tadeln entdeckte, und zollte außergewöhnliche Ehre dem teuren Sohne Minos. Ein jeder sollte sie sehen: Er sandte den Blitz. Und Minos, der standhafte Held, gewahrte das ihm willkommene Zeichen, weit streckte empor er zum herrlichen Äther die Arme und sprach: »Da erblickst du, Theseus, ganz deutlich, was Zeus mir gewährt. So stürz dich hinab ins dumpfgrollende Meer! Dein Vater, der Sprößling des Kronos, Poseidon. wird höchsten Ruhm dir verschaffen auf unserer lieblich mit Bäumen bestandenen Erde.« Er sprach es. Des Theseus Mut blieb ungebeugt, der Held betrat das vortrefflich gezimmerte Schiffsdeck und sprang. Das heilige Meer nahm gnädig ihn auf. Zutiefst erstaunte der Sohn des Zeus und gab den Befehl, das kunstreich gebaute Schiff vor dem Winde zu halten; doch wies das Schicksal in andere Richtung. Hineilte geschwind das Fahrzeug; der kräftige Nordwind trieb es voran. Gezittert hatten die jungen Athener, als Theseus den Sprung in die Fluten gewagt, und Tränen vergossen aus ihren lieblichen Augen, gewärtig schwerer Schicksalsschläge. Indessen trugen Delphine, die Meeresbewohner, den mutigen Theseus zum Schlosse des Vaters, des Herrn der Rosse; dort betrat der Held den Göttersaal. Darin erblickte er die stattlichen Töchter des segenreichen Nereus und erschrak: Von ihren glänzenden Leibern erstrahlte es wie Feuersglut, um ihre fliegenden Haare wanden sich goldendurchflochtene Bänder, und heiter ergötzten sie sich am Reigentanz auf ihren regsamen Füßen. Auch seines Vaters teure Gemahlin erblickte er, die achtunggebietende, großäugige Amphitrite, in ihrem lockenden Palast. Sie warf ihm einen purpurnen Mantel über und legte um sein dichtes Haar ihm eine tadellos geflochtene Kette, eng durchwunden von Rosen; einst hatte ihr, bei der Hochzeit, die listige Aphrodite das Stück geschenkt. Von dem, was Götter wünschen, ist nichts unglaubwürdig für verständige Menschen: Dicht neben des Schiffes schlankem Hinterdeck tauchte Doch bin auch ich ein Göttersohn: Die Tochter des reichen Pittheus gebar mich dem Herrscher des Meeres, Poseidon, und einen Schleier aus Gold verehrten ihr die dunkelgelockten Nereustöchter. Ich rate dir deshalb, Feldherr der Knossier: Meide ein zuchtloses Handeln, das Kummer nur bringt! Ich möchte nicht länger den ewigen, lieblichen Glanz der Eos erblicken, sofern du einem der jungen Menschen dein Wollen aufzwingst. Eher beweisen wir dir die Stärke unserer Fäuste. Den Ausgang wird ein Daimon entscheiden.« So sprach der Held, der Meister im Speerwurf. Es staunte das Schiffsvolk über des Jünglings hohen Mut. Zum Zorne reizte er aber den Schwiegersohn des Helios; der sann auf eine ganz ungewöhnliche List und sagte: »Riesenstarker Vater Zeus, erhör mich! Wenn mich das Mädchen mit leuchtenden Armen, aus Phoinikien, dir gebar, so lasse vom Himmel zucken sogleich den schnellen, vom Feuer umflatterten Blitz als weithin sichtbares Zeichen! Und hat dich gleichfalls als göttlichen Sprossen Aithra aus Troizen dem erderschütternden Gott Poseidon geboren, so hole mir meinen herrlichen goldenen Armschmuck, hier, wieder herauf aus der tiefen Salzflut, spring mutig hinein ins Vaterhaus! Erfahren wirst du, ob der Sohn des Kronos mein Flehen erhört, der Herr des Donners, Gebieter des Alls.« Tatsächlich erhörte der mächtige Zeus sein Gebet, an dessen Wortlaut er nichts zu tadeln entdeckte, und zollte außergewöhnliche Ehre dem teuren Sohne Minos. Ein jeder sollte sie sehen: Er sandte den Blitz. Und Minos, der standhafte Held, gewahrte das ihm willkommene Zeichen, weit streckte empor er zum herrlichen Äther die Arme und sprach: »Da erblickst du, Theseus, ganz deutlich, was Zeus mir gewährt. So stürz dich hinab ins dumpfgrollende Meer! Dein Vater, der Sprößling des Kronos, Poseidon. wird höchsten Ruhm dir verschaffen auf unserer lieblich mit Bäumen bestandenen Erde.« Er sprach es. Des Theseus Mut blieb ungebeugt, der Held betrat das vortrefflich gezimmerte Schiffsdeck und sprang. Das heilige Meer nahm gnädig ihn auf. Zutiefst erstaunte der Sohn des Zeus und gab den Befehl, das kunstreich gebaute Schiff vor dem Winde zu halten; doch wies das Schicksal in andere Richtung. Hineilte geschwind das Fahrzeug; der kräftige Nordwind trieb es voran. Gezittert hatten die jungen Athener, als Theseus den Sprung in die Fluten gewagt, und Tränen vergossen aus ihren lieblichen Augen, gewärtig schwerer Schicksalsschläge. Indessen trugen Delphine, die Meeresbewohner, den mutigen Theseus zum Schlosse des Vaters, des Herrn der Rosse; dort betrat der Held den Göttersaal. Darin erblickte er die stattlichen Töchter des segenreichen Nereus und erschrak: Von ihren glänzenden Leibern erstrahlte es wie Feuersglut, um ihre fliegenden Haare wanden sich goldendurchflochtene Bänder, und heiter ergötzten sie sich am Reigentanz auf ihren regsamen Füßen. Auch seines Vaters teure Gemahlin erblickte er, die achtunggebietende, großäugige Amphitrite, in ihrem lockenden Palast. Sie warf ihm einen purpurnen Mantel über und legte um sein dichtes Haar ihm eine tadellos geflochtene Kette, eng durchwunden von Rosen; einst hatte ihr, bei der Hochzeit, die listige Aphrodite das Stück geschenkt. Von dem, was Götter wünschen, ist nichts unglaubwürdig für verständige Menschen: Dicht neben des Schiffes schlankem Hinterdeck tauchte ganz plötzlich der Held wieder empor. Ach, in welchen Erwartungen störte er den Feldherrn von Knossos, indem er den Wogen mit trockenem Körper entstieg, ein Wunder für jedermann! Die Göttergeschenke umstrahlten seine Glieder, die Meeresjungfraun auf ihren prächtigen Thronen erhoben vor Freude frisch ihr Jubelgeschrei, aufrauschte die See. Und die jungen Athener umdrängten Theseus und begannen mit reizenden Stimmen den Lobgesang. Beherrscher von Delos, freue dich herzlich der Reigen des Volkes von Keos und schenke in seinem edlen Streben ihm gottbewirktes Gelingen! [Bakchylides: [Lieder]. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 2792 (vgl. Griech. Lyrik, S. 277 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Ein weiteres Loblied auf Theseus CHOR König der heiligen Stadt Athen, Herr der behaglich lebenden Ioner, warum ließ die Trompete aus ehernem Mund eben den Kriegsruf erschallen? Schließt ein feindlicher Feldherr um die Grenzen unseres Landes den Ring? Oder treiben Plünderer, Unheil stiftend, gegen den Widerstand unserer Hirten Schafherden fort mit Gewalt? Oder welch andere Sorge zerfleischt dein Herz? Sprich! Denn ich glaube: wenn irgendeinem der Sterblichen, stehen dir, du Sohn Pandions und Kreusas, junge, tapfere Mannschaften helfend zur Seite. AIGEUS Eben kam ein Bote zu Fuß die lange Strecke vom Isthmos her, meldet kaum glaubliche Taten, die ein gewaltiger Held verübt: Den dreisten Sinis, den stärksten der Menschen, Sohn des Kroniden von Lytai, des Erderschütterers, tötete er, desgleichen erlegte er das menschenmordende Wildschwein aus den Wäldern von Krommyon und den gottlosen Riesen Skiron, setzte ein Ende den Ringkämpfen Kerkyons. Und Prokoptas ließ den mächtigen Hammer Polypemons fallen: Mit einem Stärkeren mußte er sich messen. Ich frage mich voller Sorge: Zu welchem Ziel soll das noch führen? CHOR Wer ist dieser Mann, nach Auskunft des Boten, woher kommt er? Welch eine Rüstung trägt er? Führt er, mit allem Werkzeug des Krieges, etwa ein riesiges Heer? Oder streift er allein, mit wenigen Dienern, einem unsteten Wanderer gleich, durch die Fremde, er, so kraftvoll und streitbar und mutig, daß er den riesigen Kräften solcher Unholde Einhalt gebot? Sicher begeistert ein Gott ihn, von den Verächtern des Rechtes Sühne zu fordern! Leicht gerät ja sonst ein rastloser Kämpfer auch einmal in Not. Im weiten Raume der Zeit findet alles sein Ende. AIGEUS Nur zwei Helden, berichtet der Bote, begleiten ihn; um die stattlichen Schultern trägt er ein Schwert - - - - - - - - - - - - zwei geglättete Speere in den Fäusten, einen, nach Art der Spartaner, vortrefflich geschmiedeten Helm auf den rotblonden Locken, einen purpurnen Leibrock um die Brust, darüber einen krausen thessalischen Mantel. Aus den Augen funkelt ihm hell die lemnische Flamme. Fast ein Knabe noch ist er, eben mannbar geworden, liebt indessen nur Kurzweil des Ares, Kampf und ehern dröhnende Schlacht. Nach Athen fuhrt ihn sein Weg, einer Gemeinde, die Festfreuden schätzt. [Bakchylides: [Lieder]. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 2797ff (vgl. Griech. Lyrik, S. 281) (c) Aufbau-Verlag]