eine gesamtgenealogie der griechisch-mediterranen mythologie
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polyhymnia
POLYHYMNIA „Die Liederreiche“, „die Vielpreiserin“. Eine der neun Musen, Tochter der Mnemosyne und des Zeus. In der späten hellenistischen Zeit wurden ihr die Bereiche Barbiton, Tanz, Gesang, Pantomime und Geometrie zugeteilt. Sie wird auch Polhymnia genannt; Apollodor 1,13. ….. Die Muse (Musen, Musai): „Die Erinnernde“, „Die Sinnende“. Die Göttin Mnemosyne, „Das Gedächtnis“, eine Titanin, die Tochter des Uranos und der Gaia, die Personifizierung des Gedächtnisses und der geschauten Erinnerung, ist die Mutter der Musen, Zeus ist der Vater; Hesiod theog. 135. ….. Mnemosyne wurde fast nur abstrakt wahrgenommen und gedacht und selten verkörpert wie andere Person-Bereicheinheiten, z. B. Hera. ….. Beim Hochzeitsfest fragte Zeus die Götter was noch fehle. Sie antworteten: „Die Rühmenden.“ Daraufhin zeugte er mit seiner Gattin Mnemosyne, dem Gedächtnis, die Musen; Hesiod theog. 53ff: „Diese gebar in Pierien, dem Kronossohn und Vater der Musen in Liebe vereint, Mnemosyne (Gedächnis), die an den Hängen des Eleuther waltet; sie schenken Vergessen der Übel und Trost in Sorgen (Lesmosyne). Neun Nächte nämlich einte sich ihr der Rater Zeus und bestieg fern von den Göttern ihr heiliges Lager; als aber die Zeit kam, die Monate im Wandel der Jahreszeiten vergingen und viele Tage vollendet waren, gebar sie neun Mädchen von gleicher Art, deren Herz in der Brust am Gesang hängt und deren Sinn frei von Kummer ist; ...“. Nach Ovid met. 6,108f erschien Zeus in der Gestalt eines Hirten: „Auch Asterië malt sie, gefaßt von dem ringenden Adler; Leda bildet sie auch, wie der Schwan sie deckt mit den Flügeln; Dann, wie Jupiter, sich in der Hülle des Satyrs versteckend, Füllte mit doppelter Frucht die reizende Tochter des Nykteus; Wie er Amphitryon war, da er dir, Tiryntherin, nahte; Wie er Danaë täuschte als Gold, als Feuer Aegina, Deos Tochter als bunte Schlang, als Hirt Mnemosyne.“ [Ovid: Verwandlungen (Metamorphoses). Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 12721 (vgl. Ovid-W Bd. 1, S. 133) (c) Aufbau-Verlag] ….. Diese neun Musen, die Göttinnen der Künste und Wissenschaften, sind ohne ihre Mutter, das Gedächtnis, und dem Erbteil ihres Vaters, der göttliche Eingebung, nicht möglich. Mnemosyne wurde göttlich verehrt und hatte ein Standbild im Alea-Tempel in Tegea; Pausanias 8,47,3. In der Orphik wurde sie dem Leben gleichgesetzt. ...... In späterer Zeit wurden Zeus und Mnemosyne noch die Personifizierungen von Aufmerksamkeit, Übung und Redeübung (Melete), Erinnerung (Mneme) und Gesang (Aoide) als Kinder zugedacht Vor der Erfindung der Schrift war das Gedächtnis das einzige Instrument der Überlieferung von Literatur und Musik. Musik und Text wurde mit Hilfe der Musen (Göttliche Eingebung) erdacht, geübt (Melete), durch das Gedächtnis (Mnemosyne) gespeichert, von Lehrern an Schüler weitergegeben, von diesen mit Aufmerksamkeit (Melete) und Übung (Melete) gelernt und aus der Erinnerung (Mneme) als Gesang (Aoide) wiedergegeben. Die Fähigkeit Musik aufzuschreiben wurde erst sehr spät entwickelt, bedurfte aber auch der Küsse der Musen. Die Aoiden (Sänger, die eine bestimmte Gattung der Musik sangen und vorführten), verwandt mit den Minnesängern späterer Zeiten, brauchten, um die komplizierten Zusammenhänge und die langen Geschichten der Götter- und Heroenwelt gestalten und vortragen zu können zuerst den Kuss der Musen, dann Melete, Mneme, Aoide und übergeordnet die Mutter, Mnemosyne, das Gedächtnis. …………… Ganz in der Nähe des Olymp wohnten die Musen, zusammen mit den drei Grazien und dem Himeros, dem Gott der Liebessehnsucht. Dort tanzten sie ihre Reigen und rühmten mit herrlichem Gesang aller Dinge Gesetze und das edle Wesen der Götter. Himmlische Weisen singend zogen sie, immer wieder, eingehüllt in leichte Nebel, begleitet von der Liebessehnsucht und den Grazien, auf den Olymp und erfreuten die Götter. Bei den Festen der Götter waren sie immer anwesend und erfreuten alle mit Gesang und Reigen; Homer Ilias 601ff: „Also schmausten sie da den ganzen Tag, bis die Sonne Sank; nicht mußte ihr Herz gebührender Speise entbehren, Nicht der Leier, der überaus schönen, die spielte Apollon, Noch der Musen, die wechselnd sangen mit lieblicher Stimme.“ Apollon, in seiner Funktion als Gott der Musik, stand in einem besonderen Nahverhältnis zu den Musen. Eumelos frg. 17 nennt Apollon als Vater von drei Musen: Kephiso, Apollonis und Borysthenis. ...... Der Begriff „Musai“ ist etymologisch umstritten. Dass dieses Wort urindogermanisch ist, gilt als erwiesen. Die Deutungen „Erinnernde“ und „Sinnende“ sind vorherrschend. Selbst Homer vereint beide Begriffe in den Musen; Ilias 2,485f: „Göttinnen seid ihr ja, wißt alles, allgegenwärtig, Unser Wissen ist nichts, wir hören allein die Kunde -, ...“ – Wissen ist Erinnerung, die Musen, als die sich „Erinnernden“. Ilias 2,491f: „.... Wenn ihr olympischen Musen, des Zeus, des Halters der Ägis, Töchter, mich nicht daran mahntet, wie viele nach Ilion kamen.“ – die Mahnung entspringt dem Sinnen, die Musen, als die „ Sinnenden“. Neben dem Begriff Musai wurde auch Mneiai, die Mehrzahl von Mnemosyne, verwendet, weil ursprünglich Mnemosyne und Musai nebeneinander gedacht wurden und erst später in Mutter und Töchter (gleich wie bei Demeter und Persephone) getrennt wurden. ...... Die Zahl der Musen schwankte beachtlich: 2,3,4,5,7,9 und mehr wurden genannt. Genau so unterschiedlich teilten die Schriftsteller den Musen in ihrer Entwicklung von den unbekannten Anfängen bis zur römischen Kaiserzeit ihre Wirkungsbereiche zu. Eine Fixierung auf die Zahl neun ergab sich durch Hesiod theog. 75ff. 800 Jahre später, in römischer Zeit, erfolgte, auch noch vage, eine endgültige Zuordnung der einzelnen Musen zu einer bestimmten Kunstgattung und Wissenschaft. Mit Hesiod und der Zuordnung aus der römischen Zeit ergeben sich: 1. Kalliope (die Schönstimmige) – Saitenspiel, heroische Dichtung, Epik; sie galt als Hauptmuse. 2. Kleio (die Rühmende) – Geschichte, Kithara. 3. Melpomene (die Sängerin) – Tragödie, Trauergesang, lesbisches Lied. 4. Euterpe (die Erfreuende) – Flötenmusik. 5. Erato (die Liebliche) – Gesang und Tanz. 6. Terpsichore (die Reigenfrohe) – Lyra. 7. Urania (die Himmlische) – Sternkunde; sie war die einzige, deren Wirkungsbereich immer unverändert blieb. 8. Thaleia (die Festliche) – Komödie, Unterhaltung. 9. Polyhymnia (die Liederreiche) – Barbiton, Tanz, Pantomime, Geometrie. Viele Dichter behaupteten, eine eigene Muse besessen zu haben und nur diese habe sie geküsst, ein Umstand, der die Zahl der Musen natürlich unendlich steigen lässt. Aber auch das entspricht natürlich der dichterischen Freiheit und Phantasie. ...... Nicht nur in Pierien, nahe dem Olymp, wohnten die Musen, auch auf dem Parnassos bei Delphi, dem Helikon in Boiotien und auf dem Berg von Korinth hatten sie Wohnstätten und Tanzplätze, eng verbunden mit den dortigen Quellen, aus denen das Wasser genau so hell und klar und das Herz erfreuend sprudelt wie die guten Gedanken aus den von den Musen Geküssten – Mozart zum Beispiel. Dementsprechend spricht man von den olympischen, delphischen, helikonischen oder auch ilisiadischen Musen, denn auch am Fluss Ilisos bei Athen hatten sie einen Altar. Die Sikyoner nannte eine ihrer drei Musen Polymatheia. Aratos nennt die Nymphe Plusia als Mutter der Musen; bei ihm heißen sie Arche, Melete, Thelxinoe und Aoide. ........ Die Delphier kannten die olympischen Musen, bei ihnen existierten aber drei weitere, die nach den drei Teilen des Weltalls benannt wurden: Nete, Mese und Hypate. ……. Die Musen konnten auch böse sein: Thamyris, der große Sänger, er war der erste Mann, der sich in einen Mann, Hyakinthos, verliebte, sang so schön, dass er den Sängerwettkampf in Delphi gewann. Seine Berühmtheit als Sänger machte ihn selbstherrlich. Er lud die Musen nach Dorion zu einem Wettkampf ein. Natürlich unterlag er gegen den Himmlischen Gesang. Die Musen nahmen ihm das Augenlicht, die Stimme, die Dichtkunst und löschten ihm das Saitenspiel aus seiner Erinnerung; Homer Ilias 2,594ff: „……… - dort, wo die Musen Den Thamyris trafen, den Thraker, und seines Gesanges beraubten, ….“ ……………….. Pieros, ein Makedonier, Eponym von Pierien, kam in die Gegend des Berges Helikon. Er hatte neun Töchter, die Pieriden, denen er die Namen der Musen gab und von denen er behauptete, sie seien die Musen. Sie sangen mit den Göttinnen um die Wette, verloren, und wurden zur Strafe in krächzende schwarze Elstern verwandelt. Beim Gesang der Pieriden hatte niemand zugehört und der Himmel verdunkelte sich. Als die Musen sangen blieben der Himmel, die Gestirne und die Flüsse stehen. Der Berg Helion war hell entzückt und wurde vor Begeisterung immer höher und höher. Damit er nicht in den Himmel wachse, beauftragte Poseidon seinen Sohn Pegasos, das geflügelte Pferd, den Helion mit dem Huf zu treten. Pegasos gehorchte und gab dem Berg einen Tritt. Der Fels öffnete sich und es entsprang eine Quelle, die Hippokrene, die „Rossquelle“. Solche Rossquellen gab es auch bei Korinth und auf dem Parnassos, dort hieß sie Kastalia. Wer aus diesen, den Musen heiligen Quellen Wasser trank, wurde sofort von der Begeisterung für die Dichtkunst befallen. Das Wasser dieser Quellen floss durch Flüsse in das Meer, verdunstete dort, zog in der Form von Wolken über alle Länder der Erde und ging als Regen nieder. So verbreitete sich die Begeisterung für die Dichtkunst, von Griechenland ausgehend, bis zu uns - leider in sehr verdünnter Form. Nach Antoninus Liberalis 9 wurden die im Wettstreit unterlegenen 9 Töchter des Pieros von den siegreichen Musen in Vögel verwandelt die heute noch bei den Menschen so heißen: Tauchervogel, Wendehals, Turmfalke, Häher, Grünfink, Stieglitz, Ente, Specht, Krähe. ...... Die Musen genossen bis in die späte römische Antike im gesamten Bereich der griechisch-römischen Kultur kultische Verehrung. In der antiken Literatur spielten sie als Göttinnen der Dichtkunst natürlich eine übergeordnete Rolle. Ohne Kuss der Muse gab es keine Dichtkunst. Alle Stätten, an denen Musen verehrt wurden, Berghöhen, Haine, Grotten, immer mit Altar, aber selten mit Tempel ausgestattet, hießen Museion. In späterer Zeit erweiterte sich ihr Wirkungsbereich auf alle geistigen Betätigungen, alle Arten der Kunst, auch auf die Wissenschaften. Weil Bildung, speziell die Sprachliche und die Musikalische, immer fester Bestandteil der Jugendbildung war, wurden Schulfeste, später die Schulen selbst, Museion (Kultstätten der Musen) genannt. Ebenso die Treffpunkte der wissenschaftlichen Bildung; Beispiel: Das von Ptolemaios I im Palast von Alexandrien gegründete Museion; Vorläufer unserer Universitäten. Platon Phaid. 267b nennt ein Lehrbuch Museion. Heute kennen wir noch das Museum, jene Stätte, in der die Werke der von den Musen Geküssten gesammelt und zur Schau gestellt werden. …….. Die Seitenflanken des Sixtus-Sarkophages in der Schatzkammer des Vatikan, erschaffen 1493 von Antonio Pollaiuolo, tragen nackte Frauengestalten als Allegorien der freien Künste im Sinne der Renaissance: Theologie, Philosophie, Arithmetik, Astronomie/Astrologie, Dialektik, Rhetorik, Grammatik, Perspektive, Musik und Geometrie. Mit dieser Darstellung dürfte die weit mehr als 3000 Jahre lange Entwicklung der Musen vorläufig abgeschlossen worden sein – dennoch, auf ihre Küsse warten heute noch viele. ..... seid umschlungen Millionen, diesen Kuss der ganzen Welt ! ….. Übertragen auf alle Wirkungsbereiche der Kunst und der Wissenschaften ist festzustellen: Der geistig schaffende Mensch ist eingebettet in den Wirkungsbereich von Gottvater Zeus und der von ihm vergebenen göttlichen Eingebung, der Titanin Mnemosyne, dem Gedächtnis, das die Eingebung bewahrt und zwölf weiteren Göttinnen mit ihren jeweiligen Bereichen. Es stellen sich die Fragen: Sind sich die Menschen die in künstlerischen und wissenschaftlichen Bereichen tätig sind dieser Gnade bewusst? Erweisen sie sich ihrer würdig? ………………….. Im Museum Centrale Montemartini in Rom steht sie und wird dort Polimnia genannt. Mit ruhenden Gedanken blickt sie in das ewige Nichts. Ein Kunstwerk in atemberaubender Vollendung.