eine gesamtgenealogie der griechisch-mediterranen mythologie
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orpheus
ORPHEUS (Verfasserin der nachfolgenden Orpheusbeschreibung: Mag. Dr. Viktoria Maria Macek: Prinzip Eurydike. Ambivalente Subjektpositionen in der Rezeption des Orpheusmythos. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin der Philosophie an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Leopold Franzens Universität Innsbruck, Seiten 22 bis 70. Innsbruck, Juli 2008.) Orpheus-Darstellungen in der griechischen Antike Früheste antike Quellen Boiotisches Schälchen Die älteste bekannte Darstellung Orpheus’ ist seine Abbildung als Musiker auf einem boiotischen Schälchen, das auf ca. 600 v. Chr. datiert wird. Orpheus spielt auf einer viersaitigen Kithara, seine Zuhörer sind fünf Vögel und ein Reh. Eine Besonderheit dieser Darstellung ist, dass ein bärtiger Mann gezeigt wird, während alle späteren (antiken) Bildnisse Orpheus als bartlosen Jüngling ausweisen. Laut Konrat Ziegler hat Otto Kern, in dessen Besitz sich das Schälchen befand, dieses zwar beschrieben, jedoch keine Abbildung davon veröffentlicht. Argonautenmetope Vom Schatzhaus der Sikyonier in Delphi (ca. 550 v. Chr.) sind verschiedene Reliefs erhalten geblieben. Die so genannte Argonautenmetope zeigt auf einer Seite die Dioskuren, auf der anderen Orpheus, die Kithara im Arm, neben einem zweiten Musiker, der wahrscheinlich Philammon darstellt, der ebenfalls als Teilnehmer an der Argonautenfahrt genannt wird. Orpheus wird hier als Zeitgenosse der Helden Iason, Herakles, Theseus u.a. gesehen und wäre somit um eine Generation älter als die Kämpfer des Trojanischen Krieges, der, nimmt man das von Homer geschilderte Kriegsgeschehen als Anhaltspunkt für die Zeitberechnung, zwischen dem 12. und 13. Jh. v. Chr. stattgefunden haben könnte. Die zeitlichen Zuordnungen der frühen (antiken) Mythenforscher unterscheiden sich jedoch sehr stark, sodass eine einheitliche Festlegung bis heute nicht erfolgt ist. Die Ansichten (die sich meistens auf Deutungen ungesicherter Quellen berufen) variieren zwischen der Annahme, der Orpheusmythos sei die Zusammenfassung der Erlebnisse mehrerer mythologischer Gestalten mit dem Namen Orpheus und der Vermutung, das Leben des Helden habe sich über mehrere Generationen ausgedehnt. Außerdem wurde versucht, Leben und Wirken Orpheus’ in das 16. Jahrhundert v. Chr. zurückzudatieren. Überlieferte Nachweise dafür, dass die Orpheus-Sage im Bewusstsein der griechischen Künstler existierte, gibt es jedenfalls erst seit dem Beginn des 6. Jahrhunderts. Ziegler erwägt die Möglichkeit, dass Orpheus auch eine Erfindung der Pythagoreer sein könnte: […] es wird doch schwerlich Zufall sein, daß die Metope und die erste sichere dichterische Erwähnung beide dem griechischen Westen entstammen, dem pythagoreischen Einflußgebiet, aus dem in diesen Jahrzehnten eine ganze Anzahl Dichter hervorgegangen sind, die sich entweder geradezu O. nannten oder als Orphiker bezeichnet wurden […]. Textfragmente bei Ibykos und Simonides Wenn der Lyriker Ibykos um 530 v. Chr. Orpheus in einem Gedicht mit dem Attribut „berühmtnamig“ versieht, so lässt das darauf schließen, dass Orpheus zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war und sich ‚einen Namen gemacht‘ hatte. Nach Ibykos berichtet als zweiter Lyriker Simonides von Keos (ca. 557-468 v. Chr.) über Orpheus. Er erwähnt in einem seiner Gedichte zum ersten Mal die ungewöhnliche Wirkung des orphischen Gesanges auf die Tierwelt: (...) ihm flogen auch unzählige Vögel über dem Haupt; hinauf schnellten die Fische, senkrecht, aus dem tiefblauen Wasser, im Einklang mit dem schönen Gesang. Die bisher angeführten Orpheusdarstellungen befassen sich mit einem berühmten Sänger, der die Kithara zu spielen versteht, dem die Tiere lauschen und der als Held an der Argonautenfahrt teilnimmt. Verschiedene Orpheus-Mythologeme aus der Literatur der klassischen Antike Aischylos Mehrere neue Aspekte fügt der Tragödiendichter Aischylos dem Orpheusmythos hinzu. Er berichtet in seiner allerdings nur bruchstückhaft überlieferten Tragödie Bassarai, dem zweiten Teil der Lykurgie (ca. 460 v. Chr.), dass Orpheus den Altar des Dionysos vernachlässigte und stattdessen jeden Morgen das Pangaiongebirge bestieg, um dort den Sonnengott Helios, den er Apollon nannte, als größte Gottheit zu verehren. Deshalb gab Dionysos, der eifersüchtige Gott, den Bassariden den Auftrag, Orpheus zu töten. Diese in Tierfelle gehüllten, zu rhythmischer Musik in orgiastischen Tänzen die Wälder durchstreifenden Gefährtinnen des Gottes, zerrissen Orpheus und verstreuten seine Glieder. Die Musen sammelten die Teile des geschundenen Körpers ein und begruben sie in Leibethra am Fuße des Olymps. Zum ersten Mal ist hier beschrieben, wie Orpheus in einen Götter- bzw. Glaubenskonflikt gerät, ebenso neu ist, dass er für seinen Glauben – also als Märtyrer ante festum – stirbt. Der Bericht, dass ihn die Musen bestatteten, hat wohl auch zu der späteren Annahme geführt, eine von ihnen sei seine Mutter. Außerdem deuten die Ortsangaben „Pangaiongebirge“ und „Leibethra“ darauf hin, dass Aischylos Orpheus als Thraker sieht. Im Drama Agamemnon, dem ersten Teil der Orestie, verhöhnt Aigisthos den Chorführer der vornehmen Greise mit den Worten: Auch das sind Worte, die noch Tränen fließen lassen. / Dein Lied bewirkt das Gegenteil von dem des Orpheus. / Der riß durch seines Liedes Zauber alles hin; / doch du weckst Zorn durch dummes Kläffen und wirst selbst / hinweggerissen! […]. Aischylos weiß also ebenso wie Ibykos und Simonides um die alles und alle bewegende Schönheit des orphischen Gesanges. Pindar Um 450 v. Chr. beschreibt Pindar in der vierten pythischen Ode Orpheus als „Vater der Gesänge, dem Apoll / das Leierspiel verlieh“ und reiht ihn in eine Versammlung von Göttersöhnen ein, wohl um anzudeuten, dass auch Orpheus göttlicher Abstammung ist. Vermutlich spielt Pindar hier auf eine Stelle aus Hesiods (ca. 740-670 v. Chr.) Theogonie an, laut der die Musen und Apollon gemeinsam der Ursprung (oder die Eltern?) aller Sänger und Leierspieler sind: Denn durch die Gabe der Musen und des Ferntreffers Apollon gibt es Sänger auf Erden und Meister der Leier; von Zeus aber stammen die Herrscher. Gesegnet ist, wen die Musen lieben; süß strömt ihm die Rede vom Munde. Ziegler nennt eine weitere Stelle bei Pindar (frg. 139, 9 Schr.), die Oiagros, den Flussgott und/oder thrakischen König, als Vater Orpheus’ bezeichnet. Später setzt sich zwar hauptsächlich diese Version durch, aber noch bei Ovid spricht Orpheus von Apollon als seinem Vater. Euripides In dem 438 v. Chr. aufgeführten Drama Alkestis von Euripides gibt sich Admetos überzeugt davon, dass auch er wie Orpheus seine Frau aus dem Hades zurückzuführen vermöchte, hätte er nur dieselbe musikalische Begabung wie dieser. Wenn ich Orpheus’ Worte und Gesang besäße, daß ich Demeters Tochter oder ihren Gatten mit Liedern betören und so dich aus dem Hades holen könnte, ich stiege hinab, und weder Plutons Hund noch der Rudermann, der Seelengeleiter Charon, hielten mich ab, bevor ich dein Leben ans Licht zurückgebracht. Da Admetos nicht von Orpheus’ Misserfolg spricht, ist anzunehmen, dass für ihn (und wahrscheinlich auch für Euripides) die erfolgreiche Rückholung Eurydikes ein fester Bestandteil der Orpheus-Sage ist. Zu den späten Werken Euripides’ gehört Iphigenie in Aulis, eine wahrscheinlich 405 v. Chr. als erster Teil einer Tetralogie entstandene Tragödie. Als Iphigenie erfährt, dass ihr Vater sie der Göttin Artemis opfern will, damit diese die Abfahrt der Griechen nach Troja nicht länger verhindern sollte, fleht sie um Gnade und äußert dabei den Wunsch, mit der Stimme des Orpheus bitten zu können: Besäße ich des Orpheus Stimme, lieber Vater, / und könnte singend Steine um mich scharen und / bezaubern, wen ich wollte, so bediente ich / mich dieser Gabe. In Euripides’ letzter Tragödie Die Bakchen (405 v. Chr.) gibt eine Stelle Auskunft darüber, dass der aus dem (thrakischen) Pierien stammende Held über die Macht verfügt, mit seiner Musik Bäume und wilde Tiere um sich zu scharen: Wo führst du den Reigen, / Träger des Thyrsos, Dionysos, / fern im wildreichen Nysa? / Oder auf den korykischen Gipfeln? / Doch wohl in den waldigen Schluchten / des Olympos, / wo Orpheus einst, / zum Spiel der Laute, mit seinem Gesang / die Bäume an sich gelockt / und das wilde Getier? / Glückselig du, Pieria, / dir huldigt der jubelnde Gott, […] Euripides’ Dichtungen weisen gegenüber den bisher besprochenen Orpheus-Darstellungen einige neue Facetten des Mythos auf. Der Gang in die Unterwelt, den Orpheus antrat, um mit Hilfe seiner Sangeskunst seine Gattin zurückzuholen, ist ein ebenso neues Detail wie die Erwähnung der Fähigkeiten, Steine um sich zu scharen und Bäume versetzen zu können. Sequenzen des Orpheusmythos bei Platon Platon hat sich intensiv mit den religiösen und philosophischen Anschauungen seiner Zeit auseinandergesetzt und hatte allem Anschein nach auch Einblick in die orphischen Mysterien. Was er über die Orphiker und ihre Lehre äußert, werde ich weiter unten anführen. An dieser Stelle sollen nur die Aussagen erwähnt werden, die bei Platon über die Person Orpheus zu finden sind. In der Apologie setzt sich Sokrates mit seinem nahen Tod und seiner Vorstellung von der Unterwelt auseinander und betrachtet die Aussicht, dort auf Orpheus zu treffen, als Lichtblick: Oder auch mit dem Orpheus umzugehn und Musaios und Hesiodos und Homeros, wie teuer möchtet ihr das wohl erkaufen? Ich wenigstens will gern oftmals sterben, wenn dies wahr ist. Interessant ist, dass Platon die großen Sänger in der gleichen Reihenfolge anführt wie Aristophanes (in: Die Frösche). Möglicherweise bedeutet diese Reihung auch eine Wertung – und Orpheus galt zu jener Zeit wirklich als der Angesehenste der Dichterreihe. Dieser Annahme widerspricht jedoch die Beschreibung des Orpheus als Feigling, wie es in der Rede des Phaidros im Symposion geschieht: Orpheus aber den Sohn des Öagros schickten sie unverrichteter Sache aus der Unterwelt zurück, indem sie nur die Erscheinung der Frau ihm zeigten um derentwillen er gekommen war, nicht aber sie selbst ihm gaben, weil er ihnen weichlich zu sein schien wie ein Spielmann, und nicht das Herz zu haben der Liebe wegen zu sterben wie Alkestis, sondern sich lieber ausgedacht hatte lebend in die Unterwelt einzugehen. Deshalb auch haben sie ihm Strafe aufgelegt und veranstaltet daß sein Tod durch Weiber erfolgte, [...]. Ob Orpheus mit diesem ‚Phantom‘ ins Diesseits zurückkehrt, wird nicht deutlich. Dass Orpheus im Jenseits zum Frauenhasser wird, berichtet eine Stelle in Politeia X: So habe er gesehen, daß die Seele, die einmal des Orpheus gewesen, ein Schwanenleben gewählt, indem sie aus Haß gegen das weibliche Geschlecht, wegen des von ihm erlittenen Todes, nicht habe gewollt vom Weibe geboren werden [...]. Berühmtheit als Sänger und Dichter, Katabasis und die Abstammung von Oiagros sind Merkmale der Orpheus-Figur, die Platon aus dem bereits bestehenden Bild des Helden übernehmen konnte. Hinzugefügt hat er jedoch die Vorstellung eines weichlichen, weibischen Mannes, der die Frauen zuletzt so sehr hasst, dass er sich wünscht, als Schwan wiedergeboren zu werden, um für immer der Begegnung mit Frauen ausweichen zu können. Der Orpheusmythos als Motiv der Bildhauerei und Vasenmalerei Weihrelief „Orpheus – Eurydike – Hermes“ Aus der Werkstatt des Bildhauers Alkamenes (432-398 v. Chr.) oder möglicherweise vom Meister selbst stammt das allerdings nur in (römischen) Kopien erhaltene Weihrelief Orpheus-Eurydike-Hermes (s. Abb. 2), das eine Schlüsselstelle der Orpheus-Sage zeigt. Manfred Erren schreibt, dass das Kunstwerk im Zusammenhang mit einer zu dieser Zeit bekannten, jedoch nicht überlieferten Dichtung gesehen werden kann: Es könnte ein Weihgeschenk des Autors sein, das dieser hat herstellen lassen, als sein Dichtwerk, eine Tragödie oder ein chorlyrisches Gedicht, bei einem Wettbewerb einen Preis erhalten hatte. Die Namen Orpheus, Eurydike, Hermes sind in den Stein gemeißelt und den einzelnen Figuren beigeordnet. Es stellt sich allerdings die Frage, ob bereits das griechische Original die Namenszüge der mythologischen Gestalten aufwies. Ziegler vertritt die Meinung, dass das Relief nicht als Beweis dafür, daß die bekannte Form der Sage von dem durch Orpheus’ Ungehorsam verschuldeten Mißlingen seiner Hadesfahrt bereits im 5. Jhdt. bekannt war , herangezogen werden sollte. Außerdem führt er an, dass die erste sichere Erwähnung des Namens Eurydike für die Gattin Orpheus’ bei Moschos, einem bukolischen Dichter aus dem 2. Jh. v. Chr., zu finden sei. Die betreffende Stelle in dem Gedicht Klage um Bion berichtet übrigens von der „Heimkehr“ Eurydikes, was wohl auf das Gelingen der Rückholung schließen lässt. (Vgl. Kap. 1.6 Eurydike I) Auf dem Bildwerk dargestellt sind Orpheus in thrakischer Kleidung, Hermes mit seinem (in den Nacken gerutschten) typischen Reisehut und im Zentrum Eurydike, verschleiert, aber mit freiem Blick auf Orpheus. Orpheus hält in seiner linken Hand die Leier, seine angewinkelte Rechte befindet sich in der Höhe von Eurydikes Schleier und lässt die Deutung zu, dass er ihr diesen soeben vom Gesicht gezogen hat. Andererseits kann die auf sich selbst hinweisende Handhaltung, dieses Schließen des Kreises mit sich selber, eine starke Selbstbezogenheit bedeuten, die den Kontakt zum Gegenüber entweder scheut oder bereits aufgegeben hat. Eurydike dagegen sucht nicht nur den Blickkontakt mit Orpheus, sie legt ihm auch mit einer liebevollen Geste ihre linke Hand auf die Schulter. Die Gesichter der Liebenden sind einander mit innigem Ausdruck zugewandt. Es ist wohl der Augenblick des endgültigen Abschieds festgehalten. Eurydike hat ihren rechten Fuß bereits in die Richtung gewendet, in der Hermes steht, wartend, dass er sie an seiner Hand zurück in den Hades führen kann. Dieser herkömmlichen Deutung stellt Lori-Ann Touchette in ihrem Aufsatz „A New Interpretation of the Orpheus-Relief“ eine widersprechende Ansicht gegenüber: Nicht der Augenblick des endgültigen Verlusts Eurydikes, sondern die glückliche Wiedervereinigung der Liebenden sei zu sehen. Touchette vergleicht die Gesten der dargestellten Figuren mit denjenigen anderer antiker Abbildungen auf Vasen oder Reliefs und stellt fest, dass die hier als Zeichen der Trauer und des Abschieds gedeuteten Bewegungen der Figuren in anderem Zusammenhang ganz anders ausgelegt wurden. So war zum Beispiel das Zurückziehen des Schleiers vom Gesicht einer Frau auf anderen Bildnissen als Hochzeitssymbol verstanden worden: The anakalypteria or unveiling of the bride was an important part of the wedding ceremony in ancient Greece, und auch Hermes’ Anwesenheit bei Hochzeiten ist mehrfach dargestellt worden. Der Götterbote galt als Begleiter der Braut beim Umzug von ihrem Elternhaus in das Haus der Bräutigams. Touchette vertritt die Meinung, dass die moderne Interpretation des Reliefs zu sehr von der vergilischen Darstellung des Orpheusmythos beeinflusst wurde, wobei ganz außer acht gelassen wird, dass in früheren Erzählungen Orpheus’ Hadesfahrt durchaus von Erfolg gekrönt war und die beiden Liebenden wieder vereint wurden. The artistic and literary testimonia reveal that the successful version of Orpheus’ descent and retrieval of Eurydice was earlier and is indeed more resilient than the tragic tale of Virgil and others. The gestures of the figures, when placed within their art-historical context, reinforce the interpretation of the orpheus relief as a scene of quiet reunion. The gestures of the figures themselves furthermore support the interpretation of the Orpheus relief as a depiction of the reunion and new marriage of Orpheus and Eurydice, overseen by Hermes in his role as mediator between the worlds above and below and between maidenhood and marriage. Als Beispiele für eine geglückte Rückholung Eurydikes nennt sie entsprechende Erwähnungen bei Isocrates, Pseudo-Heraclitus, Hermesianax, Pseudo-Moschus, Diodorus Siculus, sowie in der Dichtung Orphische Argonautica. Hermesianax z.B., ein Dichter aus dem dritten Jahrhundert v. Chr., berichtet in seinen Elegien über die Liebeserlebnisse berühmter Männer und schreibt über Orpheus: So führte der liebe Sohn des Oiagros die Agriope vom Hades herauf, indem er die thrakische Zither spielte. Dass Touchettes Bilddeutung die Zustimmung der Mythenforscher findet, darf allerdings bezweifelt werden. Zu groß ist die Übereinstimmung der Betrachter – sowohl der Laien als auch der Wissenschaftler –, wenn aus den Körperhaltungen der Figuren gelesen wird, dass es Hermes schon im nächsten Augenblick gelingen wird, Eurydike sanft von Orpheus wegzuziehen, um sie zurück in die Unterwelt zu geleiten. Die Hinweise Touchettes sind jedenfalls insofern interessant, als davon ausgegangen werden kann, dass Vergil eine Nachbildung des Reliefs kannte und das Bildnis in seiner Dichtung auf seine Art deutete. Seine Interpretation wurde dann wieder zum Bezugspunkt für nachfolgende Orpheus-Dichtungen. Einfügen Bild (1): Deutsches Archäologisches Institut (Hg.): Archäologischer Anzeiger. Berlin, New York: Walter de Gruyter 1990 Attisches Weiherelief: Orpheus, Eurydike, Hermes „Orpheus spielt auf der Leier“: Detail eines Volutenkraters Das große Wassergefäß (Höhe 113 cm) wird auf ca. 330-310 v. Chr. datiert und befindet sich in der Münchener Antikensammlung. Als Fundort wird Canosa angegeben. Bei Lessing finden sich die Abbildungen mehrerer Details des rotfigurigen Kraters, unter anderem „Dionysos und Lykurgos“, „Tantalos“, „Sisyphos“ und „Hades und Persephone als Herrscher der Unterwelt“. Mit dem letztgenannten Ausschnitt in direkter Verbindung steht das Bildnis des Orpheus (s. Abb. 3), der in der Unterwelt vor Hades und Persephone die Leier spielt. Das unterirdische Herrscherpaar befindet sich unter einer ionischen Volutenkapitele, einer Art Tempeldach aus weißem Marmor, das von ebenfalls weißen Marmorsäulen getragen wird. Zwei dieser Säulen sowie eine Hand Persephones sind auf dem dieser Arbeit beigefügten Ausschnitt zu sehen. Hades sitzt auf seinem Thron, die stehende Persephone sieht ihn fragend an, wohl als Fürsprecherin von Orpheus, der Leier und Blick zu ihr erhebt. Orpheus ist in tänzerischer Pose dargestellt, durch die hauchdünne Seide seiner Bekleidung, die ihn in bewegter Draperie umspielt, scheinen die Körperformen durch. Das Kleid scheint sehr aufwändig verarbeitet zu sein, außerdem weist der Stoff verschiedenste Webmuster auf. Während Kleid und Körperbau sehr weiblich wirken, wird durch Halspartie und Mimik Stärke und Würde signalisiert. Als Zeichen seiner Herkunft trägt Orpheus die phrygische Mütze. Einfügen: Bild: (2) Orpheus spielt auf der Leier. Detail eines Volutenkraters, ca. 330-310 v. Chr. LESSING, Erich (Hg.): Die griechischen Sagen in Bildern erzählt von Erich Lessing. Mit Beiträgen von Ernest Bornemann, Wolfgang Oberleitner, Egidius Schmalzriedt. München: Orbis 1990, S. 157 Orpheusdarstellungen zur Zeit des Hellenismus Knabenliebe Zu Phanokles, dem griechischen Dichter, gibt es außer der Annahme, er habe im 3. Jahrhundert v. Ch. gelebt, keine weiteren biografischen Angaben. Es ist nur ein poetisches Werk von ihm bekannt, nämlich die elegische Dichtung Liebesgeschichten oder Die schönen Knaben. Eines der Gedichte aus der Sammlung, Knabenliebe, enthielt das einzige erhaltene zusammenhängende Stück Text des Dichters, das so genannte Orpheusfragment, das die Liebe des Orpheus zu einem schönen Jüngling zum Thema hat. Oder wie einstmals der Sproß des Oiagros, der Thrakier Orpheus, / Kalais liebgewann, den Boreaden, und oft / nieder sich setzte in schattigen Hainen und gramerfüllt seine / innige Sehnsucht besang. Ruhe beglückte ihn nicht, / nein, ihn verzehrte in schlaflosen Nächten nagender Kummer; / ständig verfolgte ihn des Kalais blühendes Bild. / Aber die bösen thrakischen Frauen schärften die Schwerter, / packten den Sehnenden und schlugen ihn mitleidlos tot, / weil er als erster unter den Thrakern die Liebe zu Männern / eingeführt hatte, nicht mehr zärtlichen Frauen geneigt. / Sie enthaupteten ihn mit dem Erze und nagelten eilig / an die Leier den Kopf, warfen dann beides zugleich / in das thrakische Meer; dort sollten schwankend sie treiben / über die Fluten, getaucht tief in den schimmernden Schwall. / Doch an das heilige Lesbos spülten sie brandende Wogen; / als nun der Leierklang hell über die See hin erscholl, / über umbrandete Inseln und Küsten, bargen des Orpheus / ehemals singendes Haupt ehrbare Männer im Grab, / legten die tönende Leier dazu – sie rührte einst stummen / Fels, auch des Phorkos Flut, das uns verleidete Meer. / Seitdem hallt von Gesang und vom lieblichen Spiele der Zither / Lesbos wider, die Kunst wird dort am stärksten gepflegt. / Aber die tapferen Thraker erfuhren die Untat der Frauen. / Schmerz und Entrüstung befiel jeden, sie brandmarkten gleich / ihre Gemahlinnen: Sollten doch diese, schmachvoll gezeichnet, / nie vergessen den Mord, den sie abscheulich verübt. / Deshalb werden noch heut tätowiert die thrakischen Frauen, / Sühne der schweren Schuld, die sie an Orpheus verwirkt / Keiner von uns, die auf Erden sich nähren, vermag zu entrinnen / jenem unlösbaren Garn, sicherem Moirengespinst. Mit der Schilderung der homoerotischen Zuneigung von Orpheus zu Kalais wird hier ein bisher nirgends erwähnter Aspekt des Mythos angesprochen. Offensichtlich handelt es sich um jenen Kalais, Sohn des Boreas und der Oreithyia und Zwillingsbruder des Zetes, der an der Argonautenfahrt teilgenommen hat. Von Kalais und Zetes wird erzählt, dass sie sich nach der Jagd auf die Harpyien auf die Insel Telos zurückzogen, wo sie von Herakles aufgefunden und getötet werden. Sie hatten nämlich die Argonauten zur Weiterfahrt gedrängt, als Herakles auf der Suche nach Hylas sich vom Schiff entfernt hatte. Die zeitliche Einordnung dieser Liebesgeschichte in die bisherigen Stationen im Leben des Helden ist kaum möglich – es sei denn, man nimmt an, dass Orpheus erst nach der Hadesfahrt am Abenteuer der Argonauten teilgenommen hat, sich dort in Kalais verliebte und nach der Rückkehr den verlorenen Liebling beweint. Dass hier nicht die Bassariden, die Anhängerinnen des Dionysoskultes, sondern thrakische Frauen Orpheus töteten, erinnert an Platon, der schreibt, Orpheus’ Tod sei durch „Weiber“ erfolgt. Ein besonders interessantes Detail dieses Orpheus-Gedichtes ist der Umstand, dass die Thrakerinnen zur Strafe für ihre Tat von ihren Männern tätowiert wurden. Tatsächlich gibt es Vasenbilder, auf denen tätowierte Frauen Orpheus mit Waffen angreifen. Phanokles fügte dem Orpheusmythos noch weitere Ergänzungen hinzu: das Bild vom an die Leier genagelten Kopf Orpheus’; das Weiterklingen der Leier, bis sie am Ufer von Lesbos von Männern geborgen und zusammen mit dem Haupt begraben wurde, und schließlich die Prädestination der Insel als Ort der Kunst und des Gesanges aufgrund dieser Verbundenheit mit dem großen Sänger. Orpheus als Argonaut Apollonios von Rhodos verfasste um 220 v. Chr. das Versepos Argonautika. Hier wird Orpheus erstmals zur Figur einer epischen Dichtung und hat als solche mehrere wichtige Auftritte. Dass ihn Apollonios durchaus nicht als Nebenfigur anlegt, zeigt sich schon darin, dass Orpheus’ Name den Heldenkatalog anführt: Zuerst wollen wir jetzt Orpheus ins Gedächtnis rufen, den ja einst Kalliope selbst, so lautet die Kunde, nachdem sie mit dem Thraker Oiagros das Lager geteilt hatte, [25] nahe der Pimpleïschen Bergwarte geboren hat. Dieser aber, so berichtet man, habe durch den Klang seiner Lieder die unzerreibbaren Felsen der Berge und strömenden Flüsse bezaubert. Und wilde Eichen schreiten – gleichfalls noch als Zeichen jenes Gesangs – kräftig sprossend am thrakischen Gestade von Zone, [30] der Reihe nach dicht beieinander; die hatte er zuvor, bezaubert durch seine Phorminx, aus Pierien herabgeführt. Den Orpheus nun hatte als einen solchen Helfer bei seinen Mühsalen der Aisonide, Chairons Weisungen folgend, aufgenommen, ihn, der im bistonischen Pierien herrschte. Orpheus gilt also als angesehener Herrscher, würdig genug, sich mit den auserlesensten Helden auf Abenteuerfahrt zu begeben. Zum ersten Mal in der Literatur wird ausdrücklich eine – durch den Namen bestimmte – Muse als seine Mutter genannt. Dass sein Gesang so bewegend ist, dass seinetwegen sogar Bäume ihren Platz verlassen und ihm folgen, mag ein wichtiger Grund dafür gewesen sein, ihn als Sänger und Kitharode mit an Bord der Argo zu nehmen. In diesem Epos findet sich auch ein Hinweis auf Orpheus als Verkünder eines Ursprungsmythos. Um seine Gefährten von einem drohenden Streit abzuhalten, singt er ihnen vom Anfang des Göttergeschlechts: Und er sang, wie die Erde und der Himmel und auch das Meer, anfangs miteinander in einer einzigen Gestalt vereinigt, auf Grund des verhängnisvollen Streites sich gesondert schieden, ein jegliches für sich. Und auch, wie stets ein beständiges Zeichen im Äther haben [500] die Sterne und die Pfade des Mondes und der Sonne. Und wie die Berge sich erhoben, und wie die rauschenden Flüsse mitsamt den Nymphen und alles, was da kriecht, entstanden. Und er sang, wie zuerst Ophion und Eurynome, eine Okeanide, die Macht über den beschneiten Olymp innehatten; [505] und wie dieser durch die Gewalt der Arme vor Kronos aus der Ehrenstellung wich, diese aber vor Rhea, und sie in die Wogen des Okeanos fielen. Die aber geboten so lange als Herrscher den seligen Titanen-Göttern, wie Zeus, noch ein Knabe, noch mit kindlichem Wissen in den Sinnen, unten in der Diktaiïschen Höhle wohnte [510] und die erdgeborenen Kyklopen ihn noch nicht mit dem Wetterstrahl und dem Blitz und dem Donner gestärkt hatten; denn das verleiht Zeus Ruhm. So sprach er; und er hielt die Leier zugleich mit seiner ambrosischen Stimme an, die aber hielten, als er aufgehört hatte, noch alle unablässig zusammen ihr Haupt mit gespitzten Ohren empor, still vor Betörung; [515] einen solchen Zauber des Gesanges hatte er bei ihnen hinterlassen. (Arg. I., 496-516) Die Namen Ophion und Eurynome weisen auf einen pelasgischen Mythos hin, demzufolge sich Eurynome aus dem Chaos bildete und dann den Nordwind Boreas zwischen ihren Händen rieb, bis sich die Schlange Ophion bildete. Sie paarte sich mit Ophion, wurde schwanger und legte das Welt-Ei, um das Ophion sich siebenfach wickelte und es so ausbrütete. Eurynome und Ophion beherrschten den Olymp bis sie von Kronos und Rhea überwunden und in den Tartaros verstoßen wurden. Jedenfalls bringt Orpheus’ Gesang die gewünschte Wirkung: er ist so beruhigend, dass danach der Friede unter den Gefährten wieder gesichert ist und dem Aufbruch zur Fahrt nichts mehr im Wege steht. Leier und Gesang des Orpheus geben den Takt für die Ruderer an: So schlugen sie unter der Kithara des Orpheus mit den Rudern das reißende Wasser des Meeres und ließen die Brandung aufwallen. (Arg. I, 541f) Die Musik, die da erklingt, wirkt nicht nur auf die Menschen: Und der Sohn des Oiagros spielte für sie die Phorminx und feierte in wohlgesetztem Gesang die Schiffsretterin, die edelgeborene Artemis, die jene Klippen der Salzflut und das Iolkische Land umsorgte. Und die Fische, die von unten aus der tiefen Salzflut heraufkamen, unendlich große, vermischt mit kleinen, folgten, durcheinander springend, den feuchten Pfaden. [575] Und wie wenn den Spuren eines ländlichen Aufsehers zehntausend Schafe zum Gehöft folgen, die sich genugsam am Gras satt gefressen haben, der aber geht voran und spielt mit der helltönenden Syrinx schön eine Hirtenweise: So begleiteten nun die Fische sie. (Arg. I, 571-579) Es ist das gleiche Bild wie bei Simonides von Keos: Angelockt von Orpheus’ Gesang verlassen die Fische ihr Element, um der schönen Stimme zu folgen. Auf der Weiterfahrt von Lemnos, wo die Argonauten einen längeren Aufenthalt verbracht hatten, führt Orpheus sie nach Samothrake: Und am Abend landeten sie unter Orpheus’ Weisungen an der Insel der Atlas-Tochter Elektra, auf dass sie, durch ehrfurchtsvolle Weihen kundig der unaussprechbaren Satzungen, sicherer mit dem Schiff über die schaurige Salzflut führen. Davon aber werde ich nicht weiter sprechen, [920] sondern es seien zugleich sowohl die Insel selbst als auch die gegrüßt, die jene Mysterien erlangt haben: die einheimischen Gottheiten, die aber zu besingen uns nicht erlaubt ist! (Arg. I, 915-921) Der von Apollonios angedeutete Kult weist auf die geheimen Mysterien der Kabiren hin. Diese waren göttliche Beschützer der Schifffahrt und Diener der Kybele, die auf Samothrake auch unter dem Namen Elektra verehrt wurde. Somit wird Orpheus von Apollonios erneut als Kenner uralter pelasgischer Weisheiten dargestellt. Nachdem die Argonauten während eines Aufenthaltes auf der Halbinsel von Kyzikos deren Herrscher versehentlich getötet hatten, errichten sie auf dem Berg Dindymon einen Altar für die Dindymenische Mutter (Kybele), bringen ihr Opfer dar und führen einen kultischen Tanz auf. Auf Befehl des Orpheus aber drehten sich die jungen Männer gemeinsam [1135] springend im Waffentanz und schlugen mit ihren Schwertern an die Schilde, damit der Ruf böser Vorbedeutung durch die Luft vertrieben werde, den die Völker noch in Trauer um den König stöhnend erhoben. (Arg. I, 1134-1139) Sprießende Früchte und Blumen, fließendes Wasser in vertrockneten Flussbetten und sprudelnde Quellen zeigen an, dass die Große Göttin gnädig gestimmt wurde. Aber es gibt noch ein besonderes Zeichen ihrer Huld, das als eine Folge von Orpheus’ musikalischem Wirken gedeutet werden kann: Und die Tiere verließen ihre Lager und Höhlen und kamen [1145] schwanzwedelnd heran. (Arg. I, 1144f) Die weitere Fahrt bringt die Helden unter anderem auch nach Bithynien, dessen Herrscher von Polydeikes im Zweikampf besiegt wird. Bei der Siegesfeier singen sie zur Orpheïschen Leier im Takt ein einstimmiges Loblied. (Arg. II, 160) Ein großes Verdienst um das Gelingen der Argonautenfahrt erwirbt sich Orpheus durch sein besonderes Wissen um die Möglichkeiten, Apollon gnädig zu stimmen. So veranlasst er, nachdem der Gott den Argonauten erschienen war, das Errichten eines Opferaltars auf der Thyneïschen Insel und begleitet die Opferfeier mit einem Lied zu Ehren Apollons. Und nach einiger Zeit erst sprach Orpheus, an die Helden gewandt, folgendermaßen: „Auf denn! Lasst uns diese Insel nun heilig dem ‚Morgendlichen Apollon‘ rühmend benennen, da er allen bei seiner morgendlichen Wanderung erschienen ist. Und wir werden einen Altar an der Küste aufstellen und das opfern, was uns zur Verfügung steht. […].“ (Arg. II, 585-690) Und zusammen mit ihnen begann der tüchtige Sohn des Oiagros auf der bistonischen Leier ein helltönendes Lied, [705] wie er [Apollon] einst am Fuß des Felsrückens des Parnass den ungeheuren Delphynes mit dem Bogen getötet hatte, als er noch ein nackter Knabe war […]. (Arg. II, 704f) Christian Pietsch weist auf die besondere Stelle dieses Hymnus innerhalb der orphischen Gesänge hin: Genau im mittleren seiner insgesamt elf Gesänge besingt Orpheus die Tötung der Delphischen Schlange durch Apollon (II 705-707, 711f.). Das Preislied wird durch eine Beschreibung der unvergänglichen, jugendlichen Schönheit des Gottes eingerahmt (708-710). Damit erweist sich Orpheus als wahrhaft apollinischer Sänger, der seine große Verehrung für Apollon auch zeigt, als die Gefährten in der Nähe des Sthenelos-Grabes einen Apollon-Altar erbauen und er dort seine Lyra opfert. Diese war nicht das einzige Musikinstrument, das er mit sich führte, und somit gibt es noch weitere von Apollonios beschriebene Auftritte des Kitharoden. Nachdem Jason mit Hilfe Medeas das Goldene Vlies errungen hat, segelt die Argo zurück Richtung Jolkos. Die Vorbeifahrt an der Insel der Sirenen bedeutet für die Seefahrer ein beinahe unbewältigbares Abenteuer. Und ständig spähten sie von einem gut anzulaufenden Platz mit weitem Ausblick und nahmen häufig in der Tat vielen die süße Heimkehr; denn sie richteten sie durch Auszehrung zugrunde. Und ohne Rücksicht ließen sie also auch diesen gegenüber aus ihren Mündern ihre lilienzarte Stimme erschallen. Und die wollten schon vom Schiff aus die Haltetaue an die Gestade werfen, [905] wenn nun nicht der thrakische Sohn des Oiagros, Orpheus, mit seinen Händen die Saiten seiner bistonischen Leier gespannt und die rasche Weise eines lebhaften Liedes hätte ertönen lassen, auf dass er Verwirrung stifte und ihre Ohren zugleich vom Schlagen des Plektrons erdröhnten. Und seine Leier übertraf die Stimme der Jungfrauen. (Arg. IV, 901-910) Bei diesem Sängerwettstreit war nicht die Qualität des Gesanges, sondern die Lautstärke des von Orpheus Dargebotenen ausschlaggebend. Es ist also nicht etwa die Schönheit seiner Musik, die die Argonauten vom Sirenengesang ablenkt. Vielmehr dröhnen ihnen die Ohren, und sie sind gar nicht mehr imstande, irgendwelche artikulierten Laute zu unterscheiden. Eine weitere Gefahr droht Jason und Medea, nachdem die Argo am Ufer der Phäakeninsel angelegt hatte. Sie werden zwar vom Königspaar Alkinoos und Arete herzlich empfangen, aber die Flotte der Kolcher ist bereits dicht hinter ihnen und Alkinoos ist der Ansicht, dass Medea, die sich noch nicht mit Jason vermählt hat, an ihren Vater auszuliefern sei. Auf Anraten Aretes findet deshalb noch in derselben Nacht die Hochzeit statt. Die Helden aber schwangen in den Händen ihre Krieger-Speere, auf dass nicht zuvor unversehens ein Haufen Feinde mit Wucht zum Angriff herausstürme; und ihre Häupter waren mit schönbelaubten Zweigen bekränzt, und sie sangen im Takt unter Orpheus, der helltönend die Leier rührte, [1160] am Eingang zur Brautkammer ein Hochzeitslied. (Arg. IV, 1156-1161) Die Helden – und unter ihnen besonders Orpheus – werden, als der Tag anbricht und die neugierige Menge sich dem Schauplatz nähert, gebührend bewundert: Und sie staunten, als sie Antlitz und Gestalt der hervorragenden Helden sahen und unter ihnen den Sohn des Oiagros, wie er bei wohltönender Leier und Gesang [1195] mit schimmerndem Fuß häufig auf den Boden stampfte. (Arg. IV, 1192-1196) Nachdem die Argonauten auf göttliches Geheiß ihr Schiff zwölf Tage durch die libysche Wüste getragen hatten, rettet Orpheus sie vor dem drohenden Tod durch Verdursten, indem er als einziger erkennt, dass die plötzlich vor ihren Augen erschienenen und sogleich zu Staub zerfallenden Frauen – es handelte sich um die Hesperiden – göttliche Wesen sind, die ihnen das lebensspendende Wasser zeigen könnten. Und Orpheus erkannte die göttlichen Wunderzeichen, und er blieb stehen und sprach zu ihnen mit Gebeten: „O ihr schönen und wohlgesinnten Gottheiten, seid gnädig, ihr Herrscherinnen, sei es nun, dass ihr zu den himmlischen Göttinnen zählt, sei es zu den unterirdischen, sei es, dass ihr die einsamen schafhütenden Nymphen genannt werdet! Kommt, o Nymphen, heiliges Geschlecht des Okeanos, [1415) erscheint auf unsere Wünsche hin vor unserm Angesicht und zeigt uns entweder einen Wasserstrahl aus einem der Felsen oder eine heilige Quelle, die aus der Erde hervorsprudelt, ihr Göttinnen, durch die wir unseren unablässig brennenden Durst lindern wollen! Und falls wir nun irgendwann wieder auf unserer Schifffahrt zum Achaiïschen Land kommen, [1420] dann werden wir euch unter den Ersten der Göttinnen zehntausend Geschenke und Weihegüsse und Festschmäuse wohlwollend gewähren.“ So sprach er flehentlich mit jammernder Stimme. Die aber erbarmten sich sogleich der Verzagten. (Arg. IV, 1411-1423) Wieder ist es Orpheus, den Apollonios zum Mittler zwischen den in Not geratenen Helden und den göttlichen Mächten bestimmt. Diese Rolle kommt ihm noch ein weiteres Mal zu: Als die Argonauten verzweifelt einen schiffbaren Ausweg aus dem Tritonsee suchen, rät Orpheus ihnen, den Göttern dieser Gegend zu opfern. Und sogleich befahl Orpheus, den großen Dreifuß Apollons außerhalb des Schiffes den einheimischen Gottheiten als Geschenk für die Heimkehr zu weihen. [1550] Und die stiegen an Land und stellten den Besitz des Phoibos auf. (Arg. IV, 1547-1551) Der Meeresgott Triton, Sohn des Poseidon, erscheint und zeigt den Verirrten den Weg ins Mittelmeer. Nach weiteren bedrohlichen Widerständen erreichen die Argonauten schließlich den Hafen von Jolkos. Apollonios verwendet für die Darstellung der Orpheus-Figur viele der bereits bekannten Einzelheiten: Orpheus tritt als begnadeter Sänger in Erscheinung, seine Herkunft aus Thrakien und seine Abstammung von einer Muse und Oiagros wird ebenso erwähnt wie seine Kenntnis einer fremd anmutenden Theogonie. Neu sind die Bestimmung der Kalliope als Orpheus’ Mutter und vor allem sein geradezu priesterlich erscheinendes Wirken. Orphik Die Verbindung von Religion und einer halb philosophischen Speculation war eine kennzeichnende Eigenthümlichkeit der Orphiker und ihrer Schriftstellerei. Erwin Rohde Hintergrund Das sechste Jahrhundert v. Chr. war geprägt von religiösen Erneuerungen. In Indien wirkte Buddha, in China Lao-Tse, in Persien Zarathustra, in Israel traten die großen Propheten des Alten Testaments auf, und auch in Griechenland waren Bestrebungen im Gange, den alten Götterglauben durch eine neue Heilslehre zu ersetzen. Pythagoras sammelte eine große Schar von Anhängern um sich. Wanderpriester, die sich mit ihren Lehren auf den mythologischen Orpheus beriefen, fanden ebenfalls begeisterte Zuhörer und erregten auch die Aufmerksamkeit der Dichter. Während die Darstellung des Orpheus in der griechischen Kunst des sechsten Jahrhunderts auf seine Sängerrolle beschränkt blieb, beschrieben ihn die Dichter des fünften Jahrhunderts vor allem als Begründer neuer Mysterien. Die Ursache dafür, dass Orpheus nun als Zauberer, Weiser und Religionsstifter angesehen wurde, sieht Ziegler in den vielfachen Beschreibungen der wunderbaren Wirkung des orphischen Gesanges. Wer über solches Talent verfügte, galt als Besitzer übernatürlicher Kräfte, und wer darüber hinaus wie Orpheus eine Unterweltreise lebend überstanden hatte, war als Leitfigur einer religiösen Bewegung, die ein Weiterleben der Seele nach dem Tod lehrte, geradezu prädestiniert. Wo und durch wen schließlich die Idee geboren wurde, die aus dem Mythos bekannte Figur an die Spitze einer sich ab dem sechsten Jahrhundert bildenden Glaubensgemeinschaft zu setzen, kann nur vermutet werden. Eine Annahme geht dahin, dass Pythagoras (ca. 570- ca. 510 v. Chr.) sich zeitweise auf Orpheus berief, um seiner Lehre einen mythologischen Hintergrund zu geben. Er soll aus diesem Grunde auch eigene Gedichte als orphische Hymnen ausgegeben haben. Diogenes Laertios (ca. 220 n. Chr.) führt dazu eine vom Dichter und Geschichtsschreiber Ion von Chios überlieferte Bemerkung an: Ion aus Chios [2. Hälfte 5. Jh. v. Chr.] behauptet in seinem Werk „Triagmoi“, Pythagoras habe einige Gedichte verfaßt und diese dem Orpheus zugeschrieben [d.h., die unter dem Namen des Orpheus im Umlauf befindlichen Dichtungen seien „pythagoreisch“]. Jedenfalls gibt es zwischen der pythagoräischen und der orphischen Bewegung grundlegende Übereinstimmungen in den Reinheitsvorschriften und im Glauben an die Reinkarnation. Die von Diogenes Laertios berichtete Geschichte über eine von Pythagoras inszenierte Katabasis lässt außerdem darauf schließen, dass dieser den zu seiner Zeit vielleicht bereits etablierten orphischen Kult nachahmen wollte: Hermippos [Biograph, 3. Jh. v. Chr.] erzählt auch eine andere Geschichte über Pythagoras. Er berichtet nämlich, daß er, als er nach Italien gekommen war, eine kleine unterirdische Wohnung bauen ließ und seine Mutter […] beauftragte, die Geschehnisse für ihn aufzuschreiben, dabei auch die Daten zu verzeichnen und diese Nachrichten zu ihm hinunterzuschicken, bis er wieder nach oben komme. […] Nach einiger Zeit sei Pythagoras wieder nach oben gekommen, abgemagert wie ein Skelett. Er ging in die Volksversammlung und erklärte, daß er eben aus der Unterwelt wieder zurückgekommen sei: er las ihnen vor, was passiert war. Eine andere Quelle ‚orphischer‘ Dichtungen wird im Werk des Onomakritos vermutet. Dieser Dichter war am Hof des Tyrannen Peisistratos (ca. 600- ca. 527 v. Chr.) als Orakeldeuter angestellt und außerdem damit beauftragt, die Schriften Homers zu redigieren. Er galt als Orphiker und als Herausgeber einer orphischen Theologie. Durch Onomakritos, im Athen des Peisistratos, sollen zuerst orphische Schriften herausgegeben worden sein. Neben Onomakritos waren am Hof der Peisistraten auch die beiden aus Italien stammenden Gelehrten Zopyros von Heraklea und Orpheus von Kroton tätig, die ebenfalls als Verfasser orphischer Gedichte in Frage kommen, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass die ersten Orphiker in der süditalienischen Stadt Kroton aufgetreten waren. Onomakritos hat Pausanias zufolge auch den Dionysosmythos um ein später als orphisch geltendes Mythologem erweitert: die Zerstückelung des Gottes. Von Homer hat Onomakritos den Namen der Titanen übernommen und dem Dionysos ein Mysterienfest eingerichtet und gedichtet, daß die Titanen die Täter der Leiden des Dionysos seien. Dass auch Orpheus den Tod durch Zerreißen erlitten hatte, verknüpfte den Dionysosglauben noch enger mit der orphischen Lehre. Über die Verflechtung des Dionysoskultes mit der Orphik schreibt Kerényi, dass Onomakritos diese bewirkt habe und damit gleichzeitig die bisher nur von den Frauen ausgeübten Zeremonien zu Ehren Dionysos’ zur ursprünglichen Männerangelegenheit erklärte. Damit wurde auch den männlichen Orphikern ermöglicht, sich in den Mysterien mit dem geopferten Dionysos zu identifizieren und so an seiner Wiedergeburt teilzuhaben. Durch Onomakritos und durch seine Auffassung wirkte die mystische Opferzeremonie, die die Frauen im geheimen ausführten, in die Literatur der Neuplatoniker hinüber und wird dadurch wiederherstellbar. Interessant ist, dass trotz dieser Einbindung des Dionysoskultes in die Lehre der Orphiker Orpheus weiterhin mit Apollon verbunden blieb und manchen Darstellungen zufolge die Anrufung des Apollon sogar über die Dionysosverehrung stellte, wie das Aischylos in der Tragödie Bassarai beschreibt. Diese Widersprüchlichkeit tritt in den Bearbeitungen des Orpheusmythos immer dann zutage, wenn die Bassariden als Mörderinnen Orpheus’ genannt werden. Eine denkbare Lösung dieser Unklarheit läge sicher in der positiven Beantwortung der Frage, mit der sich Mircea Eliade dem Problem nähert: Vielleicht drückt sich hierin die Hoffnung des griechischen Geistes aus, auf dem Umweg einer solchen Koexistenz der beiden Götter eine Lösung für die durch den Untergang der religiösen Werte der Homerzeit ausgelöste Krise zu finden? Jedenfalls scheinen ab dem fünften Jahrhundert (geheime) Schriften im Umlauf gewesen zu sein, von denen die Orphiker sagten, sie seien von Orpheus selbst verfasst worden, und deren Inhalt trotz der angeblichen Geheimhaltungspflicht von Dichtern und Philosophen zitiert und diskutiert wurde. Dass die Orphik eine Religion war, die auf der Schrift aufbaute, ist der größte formale Unterschied zu den herkömmlichen Religionen, deren Kulte mündlich überliefert wurden und deren Mittelpunkt das jeweilige Heiligtum an einem festen Ort war. Die Orphiker dagegen scharten sich um Wanderpriester, die die hieroi logoi, die heiligen Worte, in ihren Buchrollen aufgeschrieben über ganz Griechenland verbreiteten und jedes Haus zum Ort der Einweihung machen konnten. Zu jenen zwischen dem sechsten und den vierten Jahrhundert v. Chr. entstandenen Werken, als deren Urheber Orpheus gilt, werden eine Theogonie, eine Kosmogonie und eine Katabasis gezählt. Die zwischen dem zweiten und dritten Jahrhundert n. Chr. entstandenen, von den Neuplatonikern gesammelten, ergänzten und überlieferten ‚Aufschreibungen des Orpheus‘ bestanden aus Götteranrufungen in Form von Hymnen, einer orphischen Argonautika, die sich im Wesentlichen an die Vorlage des Apollonios hält, die Geschichte jedoch aus der Sicht von Orpheus als wichtigstem Teilnehmer der Abenteuerfahrt erzählt und der Lithika, einem Gedicht über die Zauberkraft der Steine. Eine Besonderheit der orphischen Lehre war der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod. Es ist vor allem dieser Jenseitsglaube, der auf Zusammenhänge zwischen dem ägyptischen Totenkult und der Orphik schließen lässt. Seit die Beziehungen zwischen Griechen und Ägyptern durch die Gründung von griechischen Militärstützpunkten in Ägypten und vor allem durch die Gründung der Handelsstadt Naukratis durch die Milesier (zwischen 600 und 560 v. Chr.) offener geworden waren und die Kontakte zunahmen, wurden mit den eingeführten ägyptischen Waren auch die ägyptische Kultur und Religion bekannt. Von Ägypten strahlt eine besondere Faszination des Totenkultes aus, mit einer bereits Jahrtausende alten Tradition, die dem dringenden Anliegen dient, das Leben, ja das Glück nach dem Tod durch aufwendige Rituale zu sichern. Der Gott, der dabei mehr und mehr ins Zentrum getreten war, ist eben Osiris, der selbst getötet, bestattet, wiederbelebt und schließlich zum König der Toten eingesetzt worden war. Der Tote wird im Ritual in Osiris verwandelt, um ein göttliches Leben im Jenseits zu finden. Dies blieb den Griechen fremd. Und doch, Osiris ist – daran hat gerade Herodot keinen Zweifel – Dionysos. (Vgl.: Herodot 2,42,2; 144,2) Nach den homerischen Dichtungen, die im Wesentlichen die Glaubens- und Göttervorstellungen der archaischen Griechen geprägt hatten, endete das Leben mit dem Tod. Der Aufenthaltsort der Verstorbenen war der Hades, ein trostloser Ort, an dem nur die Helden eine etwas angenehmere Umgebung vorfanden. Ansonsten befanden sich alle im gleichen bewusstlosen Zustand, der zum vergangenen Leben ohne Bezug war. Bestraft wurden nur die schlimmsten Frevler, aber die zu Lebzeiten erbrachten Bemühungen, ein guter Mensch zu sein, gewährten keinerlei Vergünstigungen. Nicht so in der Jenseitsvorstellung der Ägypter. Hier wurde die Seele des Verstorbenen vor ein Gericht gestellt, ihren guten Taten gemäß beurteilt und im günstigen Fall vor Osiris geführt, der ihr ein ewiges, unbeschwertes Leben im Jenseits gewährte. Der Mensch konnte sich also im Diesseits ein gutes Weiterleben im Jenseits verdienen. Und genau das versprachen die Orphiker ihren Anhängern, sofern diese bereit waren, bestimmte Bedingungen zu erfüllen. Die wichtigsten Anforderungen an das Verhalten der Gläubigen waren Enthaltsamkeit von Fleischgenuss, Vermeidung von tierischen Opfern und Einweihung in die orphischen Mysterien. Die Weltoffenheit der griechischen Städte förderte eher das rationale Denken als die Neigung zu einer neuen magischen Weltdeutung, und so entwickelten sich neben den religiösen Kulten gleichzeitig philosophisch-wissenschaftliche Weltanschauungen. Einerseits war bei den griechischen Bürgern das Bedürfnis vorhanden, neben oder statt der anerkannten staatlichen Religion auch den orphischen Wanderpredigern Glauben zu schenken, anderseits betrachteten vor allem die Dichter und Philosophen solche Geheimlehren mit Skepsis oder gar mit Spott. Die orphische Lehre im Spiegel der antiken Literatur Eine der frühesten Erwähnungen findet die Orphik bei Herodot (485-425 v. Chr.). Er vergleicht die Bekleidungsvorschriften der Ägypter mit jenen der Orphiker und deutet damit an, dass die Orphik seiner Ansicht nach ägyptische Elemente enthält: Das Unterkleid, das sie tragen, ist leinen und um die Schenkel herum mit Fransen besetzt; sie nennen es Kalasiris. Darüber tragen sie ein weißes wollenes Überkleid. Jedoch nimmt man wollene Kleidungsstücke nicht mit in den Tempel, begräbt auch niemanden darin; es ist verboten. Sie stimmen darin mit den Lehren der sogenannten Orphiker und der Pythagoreier überein. Auch bei den Mitgliedern dieser Geheimkulte gilt es als Sünde, jemanden in wollenen Gewändern zu begraben. Die gemeinsame Nennung von Orphikern und Pythagoreern weist auf die Ähnlichkeiten zwischen deren Lehren hin und macht auch darauf aufmerksam, dass Orpheus, die mythologische Figur, als Namensgeber einer eigenen, historisch nachweisbaren religiösen Gemeinschaft fungiert. Euripides, bei dem Orpheus zunächst als Sänger und Hadesfahrer Erwähnung findet, kennt ihn auch als Verkünder religiöser Lehren. In der 428 v. Chr. aufgeführten Tragödie Hippolytos macht Theseus seinem Zorn und seiner Enttäuschung über seinen Sohn Luft, von dem er annehmen muss, er habe nur scheinbar ein frommes Leben nach den Regeln des Orpheus geführt, in Wahrheit aber seine Stiefmutter zu verführen versucht. Du also pflegst, ein Übermensch, mit Göttern Umgang? / Du bist enthaltsam und von Lastern unberührt? / Nicht glauben kann ich deinen Prahlereien und / den Göttern blöde Unvernunft zum Vorwurf machen! / Jetzt brüste dich und spiel den Lebensmittelkrämer mit Pflanzenkost und schwärme unter deinem Meister, / dem Orpheus, huldige dem Dunst der Bücherweisheit! / Du bist entlarvt! Vor solchen Heuchlern hütet euch! / Laut warne alle ich. Sie gehn auf Beute aus mit großen Worten, haben aber Schändliches / im Sinn. Während hier Orpheus als Lehrer und Meister der Bücherweisheit genannt wird (die in der Aussage enthaltenen Vorwürfe gelten eher Hippolytos als Orpheus…), rückt ihn eine Aussage in einem Chorlied der Tragödie Alkestis in die Nähe der Zauberer. Ich bin durch das Reich der Musen gestürmt / und hinauf in die Lüfte und habe / mich mit vielen Lehren befaßt: / Mächtiger fand ich nichts als die / Ananke, auch kein Zaubermittel / auf thrakischen Tafeln, die des Orpheus Stimme / beschrieb […]. 405 v. Chr. wurde Aristophanes’ Komödie Die Frösche aufgeführt. Im Hades streiten Aischylos und Euripides um den Ehrenlatz neben Pluto/Hades, der dem größten Tragödiendichter gebührt. Aischylos zählt die Verdienste seiner Vorbilder auf und reiht dabei Orpheus an die erste Stelle: Denn Tatkraft wecken muß der Poet! Durchmustre sie / alle von Anfang, / Die edelsten Dichter, wie nützlich sie stets dem gemeinen Besten gewesen: / Orpheus, der uns heilige Weihen gelehrt und die Scheu vor blutigen Taten; / Musaios brachte die Heilkunst uns und Orakel; vom / Pflügen und Säen / Und Ernten berichtet Hesiodos uns; der göttliche / Sänger Homeros, / Was hat ihn zu höchsten Ehren gebracht, als daß er zur / Lehr’ uns beschrieben / Die Stellung der Heere, der Helden Kraft und die Waffen der Männer? Hier wird, wie schon in Euripides’ Hippolytos, Orpheus in direkten Zusammenhang gebracht mit dem Wissen um religiöse Geheimnisse – nur ein Eingeweihter kann „die heiligen Weihen lehren“. Die Erwähnung der „Scheu vor blutigen Taten“ weist ebenso wie die oben zitierte Stelle „spiel den Lebensmittelkrämer mit Pflanzenkost“ (Euripides, Hippolytos) darauf hin, dass die Orphiker als Vegetarier lebten. Über den Hintergrund des Vegetarismus und die Wirkung dieser Lebenseinstellung auf die griechischen Bürger schreibt Mircea Eliade: Doch die vegetarischen Praktiken hatten eine komplexere und tiefergehende religiöse Rechtfertigung. Mit der Verweigerung der fleischlichen Nahrung enthielten sich die Orphiker (und die Pythagoreer) der blutigen Opfer, die im offiziellen Kult obligatorisch waren. Eine solche Weigerung war sicher auch der Ausdruck der Entscheidung, sich von der Stadt loszulösen und letztendlich „auf die Welt zu verzichten“; sie verkündete aber auch die Ablehnung des griechischen religiösen Systems in seiner Gesamtheit, eines Systems, das durch das erste von Prometheus begründete Opfer entstand. Diese in der orphischen Religion begründete Abwendung und Entfremdung von der staatlichen Religion war für solche Menschen besonders interessant, die sich von vornherein der Polisgemeinschaft wenig verbunden fühlten, bei den Orphikern jedoch willkommen waren: Sklaven, Fremde, Frauen und politische Rebellen. Der Rhetoriker und Schriftsteller Isokrates (436-338 v. Chr.) verurteilt die Göttergeschichten der Dichter als Gotteslästerung und hebt dabei Orpheus als besonderen Frevler heraus: So arge Lehren haben die Dichter über die Götter selber verkündet, wie sie niemand von seinen persönlichen Feinden behaupten möchte. Haben sie ihnen doch nicht nur Diebstahl, Ehebruch und Frondienste angedichtet, sondern sogar Verschlingen ihrer eigenen Kinder, Entmannung ihrer Väter, Fesselung ihrer Mütter und noch viele andere Ruchlosigkeiten von ihnen erlogen. Hierfür haben sie freilich nicht so büßen müssen, wie sie es verdient hätten, aber ungestraft sind sie doch nicht davongekommen, sondern die einen (Homer und Hesiod) …, Orpheus aber, der am meisten solche ruchlosen Lehren verbreitet hat, wurde zerrissen und fand so ein klägliches Ende. Diese Auffassung erinnert an die Deutung bei Aischylos: Orpheus macht sich dem (allgemein anerkannten) Heiligen gegenüber schuldig und findet deswegen einen gewaltsamen Tod. Isokrates spielt vermutlich auf die orphische Theogonie an, deren Inhalt zu dieser Zeit immerhin so bekannt war, dass Aristophanes sie in Die Vögel persiflierend zitieren konnte – allerdings ohne die anstößigen Stellen anzuführen: In der Zeiten Beginn war Tartaros, Nacht und des / Erebos Dunkel und Chaos; / Luft, Himmel und Erde war nicht; da gebar und brütet’ / in Erebos’ Schoße. / Dem weiten, die schattenbeflügelte Nacht / das uranfängliche Windei; / Und diesem entkroch in der Zeit Umlauf der / verlangen-entzündende Eros, / An den Schultern von goldenen Flügeln umstrahlt und / behend wie die wirbelnde Windsbraut. / Mit dem Chaos, dem mächtigen Vogel, gepaart, hat / d e r in des Tartaros Tiefen / Uns ausgeheckt und heraufgeführt zu dem Lichte des / Tages: die Vögel. / Noch war das Geschlecht der Unsterblichen nicht, bis er / alles in Liebe vermischte. Der orphische Schöpfungsmythos, auf den Aristophanes Bezug nimmt, ist in den pseudo-orphischen Schriften Orphische Fragmente überliefert. Ranke-Graves hat ihn wie folgt zusammengefasst: Aber die Orphiker sagen, daß die schwarzgeflügelte Nacht, eine Göttin, vor der selbst Zeus in Ehrfurcht stand, vom Wind umworben wurde, und daß sie ein silbernes Ei im Schoße der Dunkelheit legte; und daß Eros, den manche Phanes nennen, diesem Ei entschlüpfte und das All in Bewegung setzte. Eros war zweigeschlechtlich und goldgeflügelt. Manchmal brüllte er mit seinen vier Häuptern wie ein Stier oder ein Löwe, manchmal aber zischte er wie eine Schlange oder blökte wie ein Widder. Seine Mutter, die ihn Erikepaios nannte oder Protogenos Phaeton, lebte mit ihm in einer Höhle. Sie selbst zeigte sich in der Trinitität von Nacht, Ordnung und Gerechtigkeit. Vor der Höhle saß die unentrinnbare Mutter Rhea, eine bronzene Trommel rührend, und lenkte des Menschen Aufmerksamkeit auf das Orakel der Göttin. Phanes schuf die Erde, den Himmel, die Sonne und den Mond; aber die Dreifaltigkeit der Göttin regierte das All, bis ihr Zepter an Uranos überging. Aus verschiedenen überlieferten Fragmenten setzt Ziegler die unten leicht verkürzt wiedergegebene Version der orphischen Theogonie zusammen: An allem Anfang steht Chronos, die nicht alternde Personifikation der Zeit. Chronos erzeugt zuerst den Aither und die Finsternis und dann ein silbernes Ei, aus dem der zweigeschlechtliche Phanes hervorgeht. In seinem Geschlechtsteil trägt er den Samen der Götter. Er erschafft den Himmel, die Erde, den Mond und seine Tochter Nyx, die Nacht, mit der er Uranos und Gaia zeugt. Nyx macht Uranos zum Herrscher über die Götter. Aber sein Sohn Kronos entmannt ihn und bringt so die Herrschaft an sich. Kronos verschlingt die ihm von seiner Schwester Rhea geborenen Kinder – bis diese Zeus, ihren jüngsten Sohn, in ein Versteck bringen kann, wo er in Sicherheit aufwächst um dann, dem Rat der Nyx folgend, seinen Vater zu entmannen. Nyx rät ihm auch, sich mit Kronos wieder zu versöhnen, weil nur dieser ihm sagen könne, wie er die Herrschaft über alle Götter erlangen kann: Zeus verschlingt Phanes und hat sich damit die ganze bestehende sowie die zukünftige Schöpfung einverleibt. Mit Rhea/Demeter (Demeter, Ge, Rhea und Hera werden in der orphischen Götterlehre als verschiedene Namen ein und derselben Mutter-Gottheit angenommen) zeugt er Persephone und mit dieser wiederum Dionysos. Auf dieses Kind überträgt er die Herrschaft über die Götter. Das erweckt den Neid der Titanen, die Dionysos mit Spielzeug anlocken, ihn dann beim Spielen belauern und während seines selbstvergessenen Blicks in den Spiegel überraschen und töten. Sie zerreißen das Kind, teilen die Stücke auf, kochen und verzehren sie. Zeus entdeckt die Gräueltat und schleudert seine Blitze auf die Frevler. Aus der Asche der Titanen erschafft er die Menschen, die dieser Entstehung aus den Überresten der Titanen ihre zerstörerische Natur verdanken, aber gleichwohl einen Anteil Göttlichkeit in sich tragen, weil die Titanen ja das göttliche Kind verspeist hatten. Die Reste des Dionysos werden von Apollon in Delphi begraben, aber das Herz (oder den Phallus) hatte Athene gerettet, die es Zeus übergab, der es aß und durch diese ‚Verinnerlichung‘ den Dionysos noch einmal zeugen konnte – diesmal mit Semele. Hier wird die von Burkert erwähnte Verbindung zwischen dem orphischen Dionysos und dem ägyptischen Gott Osiris deutlich: beide erleiden den Tod durch Zerstückelung und werden trotzdem wiedergeboren, sie gehen durch Leben, Tod und Auferstehung hindurch und verkörpern so die Hoffnung der Menschen auf ein neues Leben nach dem eigenen Sterben. Dieser Aspekt des Dionysosmythos stand im Mittelpunkt der orphischen Lehre (vielleicht, weil auch Orpheus eine Katabasis erlebt hatte) und war der Grund für die Ernährungsvorschriften der Orphiker: durch den von den Titanen begangenen Ur-Mord an Dionysos waren auch die aus ihrer Asche entstandenen Menschen schuldig geworden; Sühne konnten sie nur erlangen, indem sie auf jegliches Blutvergießen und auf den Fleischgenuss verzichteten. Der Vorwurf Isokrates’, Orpheus habe ruchlose Lehren verbreitet, zielt auf diese zwei Taten des Zeus: um die Macht an sich zu reißen, verschlingt er Eros/Phanes (bzw. dessen Zeugungsglied), und um einen Nachfolger zu zeugen vollzieht er den zweimaligen Inzest, der im Falle Persephones zudem eine Vergewaltigung war. Orpheus’ Mythen waren skandalös. Im Proömium des Diogenes Laertios (1,5) [220 n. Chr.] ist davon die Rede, daß Orpheus den Göttern alles Mögliche „angehängt hat, auch das, was gewisse Leute an Schändlichem vollführen mit dem Organ der Stimme“, oral-genitale Akte also. Die Historizität der dem Orpheus zugeschriebenen Götterlehre wird durch den im Jahr 1962 im Norden Griechenlands in einem ca. 2400 Jahre alten Grab entdeckten – jedoch bis heute nicht vollständig ausgewerteten – so genannten Derveni-Papyrus belegt. Der Papyrus von Derveni, verkohlt erhalten im Scheiterhaufen eines reichen makedonischen Grabs, das um 330 datiert wird, dürfte als Buch um 420/400 verfaßt sein. Was der Text zitiert, ist älter. Burkert, der in seinem Buch Die Griechen und der Orient u.a. seine Erkenntnisse zur orphischen Lehre darlegt, bezieht sich bezüglich des Derveni-Papyrus auf einige im Jahr 1993 anlässlich eines Symposiums veröffentlichte Einzelheiten. Demnach besteht der Inhalt der Schrift im Wesentlichen aus einem Kommentar zur Theogonie des Orpheus. Dabei ergibt sich folgendes Bild: Die erste kosmische Gottheit ist die Nacht, ihr Sohn Uranos wird zum ersten König, ihm folgt sein Sohn Kronos, der ihn entmachtet. Kronos’ Sohn Zeus „begab sich in das unbetretbare Heiligtum (adyton) der Nacht“, und erfuhr dort durch das Orakel, „was ihm zu vollenden bestimmt war“. In der Folge verschluckt er „den Phallos (des Königs), der als erster den Himmelsglanz ejakuliert hatte.“ Der Kommentator deutet diesen Akt als Darstellung der Quelle allen Werdens; Zeus wird dadurch zum ‚Einzigen‘, „der nunmehr alle Götter in sich trägt und die ganze Welt durch planendes Denken hervorbringen kann.“ Als letztes, nicht weiter ausgeführtes Thema der Theogonie wird im Derveni-Papyrus der Inzest Zeus’ mit seiner Mutter angeführt. Das Verschlucken des königlich-göttlichen Phallus des Uranos und der Inzest als herrschaftssichernde Taten des Zeus sind eindeutig Übereinstimmungen zwischen dem Originaltext des Derveni-Papyrus und den pseudo-orphischen Schriften. Das Bestehen der orphischen Theogonie ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. ist somit belegt. Was in der Derveni-Abhandlung fehlt, ist der aus dem Windei entsprossene Eros, wobei gerade die Vorstellung eines Ur-Eis für manche Forscher als wesentlich für den philosophischen Aspekt der Orphik gilt. Vernant z.B. deutet das Ur-Ei als Urprinzip, als vollkommene Einheit, die sich „teilt und sich auflöst, um unterschiedene Formen, getrennte Individuen hervorzubringen“ und sieht den Sinn der orphischen Lehre in der Suche nach der verlorenen Einheit. Als guter Kenner der Orphik erweist sich Platon, der sich in seinem Werk mehrfach kritisch auf diese Lehre bezieht. Ich führe im Folgenden nur jene Stellen an, die entweder Orpheus, die Orphiker oder Musaios, den Schüler (oder Sohn) des Orpheus, direkt nennen. Platons Erwähnungen des Orpheus als mythologische Figur habe ich weiter oben angeführt und allgemeine Aussagen über Mysterienkulte und Geheimlehren (die sich z.B. auch auf die eleusischen Mysterien oder auf Pythagoras beziehen könnten), bleiben hier ausgespart. Im Buch Protagoras wird Orpheus unter die Sophisten gereiht, was als Abwertung angesehen werden muss, da Platon als Gegner ihrer ‚Kunst‘ und ihrer politischen Gesinnung gilt. Daher auch behaupte ich, daß die sophistische Kunst zwar schon sehr alt ist, daß aber diejenigen unter den Alten, welche sie ausübten, aus Furcht vor dem Gehässigen derselben einen Vorwand genommen und sie versteckt haben, einige hinter der Poesie, wie Homeros, Hesiodos und Simonides, andere hinter Mysterien und Orakelsprüchen, wie Orpheus und Musaios, [...]. In Politeia 363 c-e setzt sich Platon mit den Jenseitsversprechungen der Orphiker auseinander – er selbst scheint die Verheißungen für wenig seriös zu halten: Musaios aber und sein Sohn verheißen den Gerechten noch herrlichere Dinge von den Göttern. Sie führen sie nämlich in ihrer Rede in die Unterwelt, lassen sie dort niedersitzen und bereiten ein Gastmahl der Frommen, wo sie sie nun die ganze Zeit bekränzt und vollauf trinkend zubringen lassen, meinend der schönste Lohn für die Tugend sei ewiger Trunk. Andere aber ziehen den Lohn von den Göttern noch mehr in die Länge, indem sie sagen daß Kindeskinder und ein ganzes folgendes Geschlecht nachbleibe von dem Gerechten und Treuen. Hierüber nun und über anderes dergleichen preisen sie die Gerechtigkeit; die Gottlosen aber und Ungerechten verschaffen sie irgendwo in den Kot in der Unterwelt, und zwingen sie Wasser in Sieben zu tragen, ja auch noch lebend bringen sie sie in üblen Ruf und dieselben Qualen, welche Glaukon von den für ungerecht gehaltenen Gerechten anführte, eben diese erzählen sie von den Ungerechten, anderes aber wissen sie nicht. Dies ist das Lob und der Tadel von beiden Seiten. Die Vorstellung von der ewigen Trunkenheit der erlösten Seele ist eine originelle Reminiszenz an Dionysos, den Gott, der den Griechen die Weinrebe geschenkt hatte. Unter 364e-365a fährt Platon dann mit der Kritik fort: Und scharenweise haben sie vom Musaios und Orpheus, den Sprößlingen der Selene und der Musen, wie sie sagen, Bücher bei der Hand nach denen sie ihre Gebräuche verrichten, und nicht nur einzelne Menschen sondern ganze Städte überreden, daß es Lösungen und Reinigungen von Verbrechen durch Opfer und ergötzliche Spiele gebe, und zwar für Lebende nicht nur, sondern auch noch für Verstorbene, welche sie Sühnungen heißen, und welche uns von den dortigen Übeln befreien; wer aber nicht opfere den erwarte schreckliches. Ob die Kritik hier alle Orphiker meint oder doch nur diejenigen, die die Namen des Orpheus und seines Schülers Musaios missbrauchen, um sich an den von verunsicherten Gläubigen dargebrachten Opfern zu bereichern, lässt sich nicht mit Sicherheit erkennen. Was sich jedoch aus der Textstelle schließen lässt, ist, dass zu Platons Zeit die Praxis verbreitet war, dass Priester die „Lösung“ von Schuld auch dann in Aussicht stellten, wenn der/die Verstorbene keine Verdienste durch ein gerechtes Leben erworben hatte, sondern sozusagen im Nachhinein von den Hinterbliebenen freigekauft wurde. (Noch heute bezahlen Katholiken dafür, dass für ihre Verstorbenen Heilige Messen gelesen werden.) Auf die „Lösungen und Reinigungen“ der Orphiker werde ich weiter unten im Zusammenhang mit den Funden orphischer Grabbeigaben zurückkommen. Der Vegetarismus der Orphiker ist Gegenstand einer Betrachtung in Nomoi VI 782c-d Wir sehen ja auch daß noch jetzt unter vielen Menschen die Sitte besteht einander zu opfern, und wiederum hört man daß dagegen bei anderen eine Zeit bestanden habe in welcher man auch nicht einmal einen Ochsen zu kosten wagte und den Göttern keine Tiere zum Opfer darbrachte, sondern nur Kuchen und Früchte mit Honig benetzt und andere solche unblutige Opfer, wo man (sage ich) sich alles Fleisches enthielt, weil es für eine Sünde galt solches zu essen und die Altäre der Götter mit Blut zu beflecken, sondern vielmehr die damaligen Menschen die bei uns so genannte orphische Lebensweise führten und sich zu ihrer Nahrung nur an leblose Dinge hielten und sich dagegen alles dessen was Leben hatte enthielten. Es fällt auf, dass Platon an dieser Stelle die Orphiker und ihre Ernährungsvorschriften so beschreibt, als gehörten sie einer längst vergangenen Zeit an, während er sonst die Orphik durchaus als eine Erscheinung seiner eigenen Gegenwart darstellt. In Kratylos 400c setzt sich Platon mit den Bezeichnungen „Seele“ und „Körper“ und im Speziellen mit dem „soma-sema“-Problem auseinander: Denn Einige sagen, die Körper wären die Gräber der Seele, als sei sie darin begraben liegend für die gegenwärtige Zeit. Und wiederum weil durch ihn die Seele alles begreiflich macht, was sie andeuten will, auch deshalb heißt er mit Recht so gleichsam der Greifer und Griffel. Am richtigsten jedoch scheinen mir die Orphiker diesen Namen eingeführt zu haben, weil nämlich die Seele, weswegen es nun auch sei, Strafe leide, und deswegen nun diese Befestigung habe, damit sie doch wenigstens erhalten werde wie in einem Gefängnis. Dieses also sei nun für die Seele, bis sie ihre Schuld bezahlt hat, genau was er heißt, so daß man kaum einen Buchstaben zu ändern brauche, der Körper ihr Kerker. Während diese Betrachtung über Körper und Seele sich in erster Linie auf die Frage bezieht, ob Wahrheit sprachlich erfasst werden könne, zeigt Platon im Phaidon, dass er das Gefangensein der Seele im Körper als philosophisches Problem betrachtet: Es erkennen nämlich die Lernbegierigen, daß die Philosophie, indem sie ihre Seele findet, ordentlich gebunden im Leibe und ihm ankleben, und gezwungen wie durch ein Gitter durch ihn das Sein zu betrachten […]. Außerdem gibt es eine Stelle in Gorgias, die vermutlich ebenfalls auf die Orphiker und ihren Körper-Seele-Dualismus hinweist: Was ich auch sonst schon von einem der Weisen gehört habe, daß wir jetzt tot wären, und unsere Leiber wären nur unsere Gräber […]. Die Textstelle Kratylos 402a-c bezieht sich auf die Herkunft der Götternamen und auf Heraklit, der „alles Seiende mit einem strömenden Flusse vergleicht […]“. Hier spielt Platon auf eine andere Variante des ebenfalls den Orphikern zugeschriebenen Schöpfungsmythos an, derzufolge Okeanos der Vater der Titanen sein soll. Wie nun? dünkt dich der viel anders gedacht zu haben als Herakleitos, der aller andern Götter Urahnen Kronos und Rhea genannt hat? oder meinst du, es sei von ohngefähr, daß er beiden ihre Namen von Flüssen gegeben hat? Wie auch Homeros den Okeanos den Vater der Götter nennt, und Tethys die Mutter; und ich glaube auch Hesiodos. Ja auch Orpheus sagt, wo Erst Okeanos selbst der geräuschige schreitet zur Ehe, Der sich mit Tethys von Mutterseit’ ihm Schwester begattet. Betrachte nur, wie dies Alles unter sich zusammenstimmt, und wie es auch alles auf des Herakleitos Lehre sich bezieht. Platon hat ‚seinen‘ Orpheus so gut gekannt, dass er sich in Philebos 66c direkt auf ihn bezieht: Sokrates und Protarchos unterhalten sich über die für ein gutes Leben erstrebenswerten Güter und über deren Rangordnung und nachdem übereinstimmend die Reihenfolge auf Verhältnismäßigkeit, Schönheit, Vernunft, Erkenntnis und Lust festgelegt wurde, schließt Sokrates den Dialog mit einem orphischen Zitat: Aber im sechsten Geschlecht, sagt Orpheus, laßt ruhen den Kreis des Gesanges. In Nomoi III 677d nennt Platon Orpheus einen „Erfinder“, allerdings ohne anzuführen, welche Erfindungen gemeint sind. Kleinias unterhält sich mit einem „der Athener“ genannten Mann (Sokrates) über die in der Vergangenheit notwendig gewordenen Neugründungen und Erfindungen, nachdem durch Naturkatastrophen die menschliche Kultur vernichtet worden war. […] und es sind erst tausend oder zweitausend Jahre her seitdem Einiges durch den Dädalos, Anderes durch den Orpheus, noch Anderes durch den Palamedes, die Musik vom Marsyas und Olympos, die Leier vom Amphion, und gar vieles Andere von Andern, also fast möchte man sagen erst gestern und vorgestern erfunden ward. Da Orpheus hier nicht zu den Musikern gezählt wird, kann angenommen werden, dass Platon auf die „Erfindung“ der orphischen Theogonie und der orphischen Mysterien durch Orpheus anspielt. Orphische Mysterien und Grabbeigaben Der Verzicht auf tierische Nahrung und Opfer, verbunden mit bestimmten Reinigungsritualen, und vor allem die Initiation des Gläubigen waren für die Orphiker wichtige Bedingungen zur Erreichung ihres theologischen Zieles, nämlich den titanischen Anteil ihres Menschseins zu überwinden und dem Gott Backchos/Dionysos ähnlich zu werden. Eines der überlieferten pseudo-orphischen Gedichte, das so genannte Testament des Orpheus, gibt Einblick in den Initiationskult der Orphiker: Ich werde zu jenen sprechen, die befugt sind [sc. zu hören]. Die Türen aber schliesst, ihr Uneingeweihte / alle zugleich! Du aber höre, Spross der lichtbringenden Mondgöttin, / Musaios. Denn Wahres werde ich verkünden. Nicht soll dich, was / früher in der Brust gut schien, des lieben Lebens berauben! / Auf das göttliche Wort blicke! Diesem widme dich, / den geistigen Nachen des Herzens steuernd. Gut beschreite / den Pfad! Die Einführung in die Einweihung beginnt damit, dass Nichtbefugte angehalten werden, sich zu entfernen und die Türen zu schließen, dann wird der Myste als Sohn bzw. Nachkomme der Mondgöttin angesprochen – Platon scheint dieses Detail des Einweihungsrituals bekannt gewesen zu sein, nennt er doch Musaios und Orpheus „Sprößlinge der Selene und der Musen“. Zugunsten des neuen, „lieben“ (ewigen) Lebens soll vergessen werden, was bisher wichtig war, denn nun gilt allein das göttliche Wort, das Geist und Seele auf den rechten Pfad führt. Eindringlich wird das Bild des großen Herrschers der Welt beschworen, dessen undurchschaubares Walten für den Menschen unverständlich bleiben muss: Einer ist er, aus sich selbst geworden; aus Einem ist alles entsprungen. / Unter ihnen geht er umher, doch keiner der Sterblichen / erblickt ihn; er hingegen sieht alle. / Dieser gibt den Sterblichen unmittelbar nach Gutem Schlechtes, / grausigen Krieg und Schmerzen voller Tränen. Nach einer Schilderung der unendlichen Größe, aber auch grausamen Unberechenbarkeit dieses Gottes erfolgt die Aufforderung zur Geheimhaltung des Gehörten und Geschauten: in deine Brust aber versenke die Kunde. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Anrufung des großen Gottes nicht Dionysos, sondern Zeus gilt, der in ähnlicher Form in verschiedenen orphischen Hymnen gepriesen wird. Ein längeres Gebet an Zeus zitiert z.B. Kerényi nach O. Kern: Orphicorum fragmenta: Zeus ist der Erste, Zeus der Letzte, der Gott mit dem blendenden Blitze. Zeus ist der Kopf, Zeus die Mitte, von Zeus hat alles sein Ende. Zeus ist der Grund der Erde und des gestirnten Himmels. Zeus ist männlich, Zeus ist eine unsterbliche Frau. […] Bemerkenswert ist, dass hier die in der orphischen Theogonie dem Phanes/Eros zugeschriebene Zweigeschlechtlichkeit (wohl aufgrund des Verschlingens des Phallus) auf Zeus übergeht. Eine Besonderheit der orphischen Glaubensbewegung war es, die menschliche Seele nicht nur im Diesseits zu betreuen, sondern sie auch noch im Jenseits zu begleiten. Spezielle Grabbeigaben, nämlich Knochen- oder Goldblättchen, die mit heiligen Versen beschriftet waren, sollten vor den Totenrichtern für die rechte Gesinnung der Seele Zeugnis ablegen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass diese Praxis von den Ägyptern übernommen wurde, die ihren Toten mit magischen Texten beschriebene Totenbücher (Papyri) in die Sarkophage oder direkt zwischen die Mumienbinden legten. Zahlreiche Blättchen wurden in Griechenland und Italien gefunden und auf ca. 400 v. Chr. datiert. Die Eingravierungen dienen als weiterer Beweis für das Bestehen eines orphisch geprägten Dionysoskultes schon ab dem fünften Jahrhundert v. Chr. Die Inschriften auf diesen Blättchen bzw. Täfelchen nennen „Bakchen“, „Mysten“ und „Orphiker“ (als Besitzer, Träger oder Überbringer der Botschaft), sie künden von einer „Lösung durch Bakchios“ oder enthalten in der Wortfolge „Leben-Tod-Leben“ das indirekte Versprechen einer Auferstehung. Ziegler vertritt die Ansicht, dass die auf einzelne Blättchen verteilten Sätze Bestandteile eines zusammenhängenden Gedichtes sind, das im Wesentlichen folgenden Inhalt hat: Zunächst wird der Seele der Weg vorbei an einer Quelle zur linken Seite nach der rechten Seite zur Quelle der Mnemosyne gewiesen, wo sie von den Wächtern einen Trunk erbitten soll. Daraufhin darf sie vor die Götter der Unterwelt treten, zu denen sie Folgendes sprechen soll: ‚Ich komme rein aus der Gemeinde der Reinen, Königin der Unterirdischen, Eukles, Eubuleus und ihr anderen Götter. Eures erhabenen Geschlechtes rühme auch ich mich zu sein. Aber die Moira hat mich bezwungen. Die Strafe für ungerechte Taten habe ich abgebüßt, dem leidenreichen, furchtbaren Kreis entflog ich […] den ersehnten Kranz errang ich mit hurtigen Füßen, unter den Schoß der Herrin, der unterirdischen Göttin, tauchte ich. Jetzt komme ich als Flehende zur erhabenen Phersephoneia, daß sie mich gnädig entsende in die Sitze der Frommen. ‘ Persephone verspricht nun der Seele eine Verwandlung vom irdischen in ein göttliches Dasein. Mit den anschließenden Worten: „ein Böcklein fiel ich in die Milch“ wird möglicherweise auf den Tod des Dionysos angespielt, der – in einigen Versionen des Mythos – in Gestalt eines Ziegenböckleins von den Titanen ermordet worden war. Mit Hilfe dieser Totenpässe, auf denen die Bitten der Toten in schriftlicher Form ins Jenseits transportiert wurden, sollten die Götter gnädig gestimmt werden. Die wichtigste Voraussetzung für das glückliche Weiterleben im Jenseits scheint die von den Weihetexten bezeugte Reinheit der Seele gewesen sein. Deshalb raten die orphischen Lehrer ihren Anhängern, sich bereits zu Lebzeiten zu reinigen – und zwar sowohl den Körper, den vorläufigen Aufenthaltsort (Kerker) der Seele durch das Befolgen der Ernährungsvorschriften, als auch diese selbst durch religiöse Übungen. Askese und religiöse Weihen werden außerdem als Mittel eingesetzt, die Befreiung der Seele aus dem Körper zu erreichen und dem Zwang der endlosen Wiedergeburten in einem jeweils anderen Körper zu entrinnen. Askese und Reinigung sind allerdings nicht nur Zeremonien, sie sind ebenso Voraussetzung für einen erfüllten Bezug zu sich selbst, der das gesamte Leben bestimmt. Genau an der Schnittstelle, an der in der Geistesgeschichte der Wandel vom mythischen zum logischen Denken vollzogen wird, entstehen mit der Orphik die ersten Ansätze zur Individualisierung des Menschen: aus der Einsicht in den Dualismus von sterblichem Körper und unsterblicher Seele heraus wird der Einzelne aufgerufen, die Initiative zu ergreifen und sich ein eigenverantwortetes Weiterleben im Jenseits zu sichern. Im Nachdenken über Anfang und Ende des menschlichen Daseins entsteht die Hoffnung auf eine individuelle Ewigkeit des Ichs. Das Bestreben, die Endlichkeit zu überwinden, wird zum Bestreben, das, was hier gerettet werden soll, kennen zu lernen: die eigene Seele, die eigenen Gedanken, das eigene Selbst. Zusammenfassung: Orpheus in der griechischen Antike Man darf und muß davon ausgehen, daß die der schriftlichen Niederlegung des frühen Epos vorausgegangene Zeit, in der seine Inhalte und Formen entstanden waren, um ein Mehrfaches länger gewesen ist als das Stück Kontinuität der schriftlichen Tradition, das sich daran anschloß. Hans Blumenberg Im Hinblick auf diese These Blumenbergs kann angenommen werden, dass auch der Orpheusmythos in der griechischen Bevölkerung schon lange vor seinem Aufscheinen in den oben angeführten Dichtungen bekannt war. Keiner dieser Dichter erzählt den Mythos vollständig, vielmehr rückt jeder nur die ihm wahrscheinlich besonders wichtigen Aspekte in den Vordergrund, ganz so, als ob angenommen werden könnte, dass jeder Leser sehr wohl imstande ist, den Rest selbständig zu ergänzen. Werden nun die in den Dichtungen und bildnerischen Darstellungen angeführten Einzelheiten zusammengesetzt, so ergibt sich folgendes Bild: Orpheus war der Sohn der Muse Kalliope und des Thrakerkönigs Oiagros, als Vater kommt aber auch Apollon in Betracht. Jedenfalls ist es der Gott, der Orpheus das Leierspiel lehrte. Berühmt wurde der Sänger vor allem weil es ihm gelang, mit seiner Kunst Frieden zwischen den Menschen zu stiften, wilde Tiere zu besänftigen und Bäume und Felsen zu ‚versetzen‘. Darüber hinaus war er als Religionsgründer bekannt, der seine Anhänger in neue Mysterien einweihte, sie das unblutige Opfer und den Verzicht auf Fleischgenuss lehrte und ihnen außerdem eine eigene Theogonie und andere Lehren schriftlich mitteilte. Als Herrscher über das thrakische Land Pierien war er ein würdiger Teilnehmer an der Argonautenfahrt. Weil seine junge Gattin Eurydike nach nur kurzer Ehe starb und er über diesen Verlust nicht anders hinwegkam, stieg er in die Unterwelt hinab, wo er mit seinem Gesang ihre Freigabe von den Totengöttern bewirkte. Dass beide die Oberwelt wirklich erreichten, kann zwar aus manchen Andeutungen geschlossen werden; andere Auslegungen deuten jedoch an, dass das Abenteuer vor dem Erreichen der Menschenwelt schlussendlich scheiterte. Nach seiner Rückkehr verehrte Orpheus nicht mehr wie vorher Dionysos als höchste Gottheit, sondern Helios/Apollon. Entweder ließ Dionysos ihn aus Zorn darüber von seinen Priesterinnen, den Bassariden, zerreißen, oder die Frauen töteten Orpheus, weil er ihre Liebe verschmähte und sich jungen Männern zuwandte. In einer Sagenversion wird berichtet, dass die Musen den Sänger in der Nähe des Olymps bestatteten, in einer anderen, dass Kopf und Leier in Lesbos strandeten und dort beigesetzt wurden. Im Jenseits wurde Orpheus zum Frauenhasser, der sich für seine Seele die Schwanengestalt wählte, um nicht von einer Frau wiedergeboren zu werden. Obwohl zwischen dem frühen sechsten und dem späten dritten Jahrhundert Dichter, bildende Künstler und Philosophen gleichermaßen von den Sagenmotiven fasziniert waren, die sich um diese mythologische Gestalt rankten, wurde Orpheus doch nie zur Hauptfigur einer längeren Dichtung, nie zum Titelhelden einer Tragödie. Erst durch die Zusammenfassung, Ausgestaltung und Erweiterung der einzelnen Mythologeme durch den römischen Dichter Vergil entstand ein literarischer Stoff, der bis heute Dichter, Künstler und Musiker inspiriert. Orpheus-Darstellungen in der römischen Antike Das Orpheus-Bild in Vergils „Georgica“ Publius Vergilius Maro schrieb das Lehrgedicht über Landbau und Landleben in den Jahren zwischen 37 und 29 v. Chr. Das Werk ist in vier Bücher unterteilt. Das erste Buch ist den bäuerlichen Arbeiten im Rhythmus der Jahreszeiten gewidmet, das zweite setzt sich mit dem Weinbau und der Kultivierung von Bäumen auseinander. Von der Viehzucht handelt das dritte Buch und im vierten schreibt Vergil über das Leben der Bienen im Bienenstaat und über die richtige Pflege von Bienenstöcken. Der zweite Teil dieser Abhandlung über die Bienen ist eine vom Lehrgedicht zu unterscheidende bukolische Dichtung, ein Epyllion, das im Rahmen der Aristaeussage auch den Orpheus-Mythos erzählt. Dass an dieser Stelle zuerst ein Preisgedicht auf den Staatsmann und Dichter Gaius Cornelius Gallus eingefügt war, welches Vergil auf Geheiß des Augustus entfernte und die Lücke mit der Erzählung von Orpheus und Eurydike füllte, wird angenommen, ist aber nicht endgültig beweisbar. Die Welt der Bienen Abgesehen von den für Imker sicherlich brauchbaren Anleitungen zur Betreuung von Bienenvölkern gibt Vergil hier Einblick in die zu seiner Zeit vielleicht noch vorherrschenden und zum Teil abstrusen Ansichten über das Leben im Bienenstock: Keine Königin, sondern ein kriegserprobter König ist der bewunderte und verehrte Mittelpunkt des Volkes, er bewacht die Arbeiten, seine Anwesenheit garantiert das Funktionieren des Bienenstaates. Stirbt er, brechen Chaos und Anarchie aus. Über die Fortpflanzung der Bienen schreibt Vergil: Staunen erregt besonders ein Brauch, der den Bienen gefallen: / daß sie sich nicht der Begattung erfreun, nicht schlaff ihre Leiber / lösen im Liebesgenuß, nicht mühsam Kinder gebären; / nein, von Blättern sammelt ihr Mund, von lieblichem Krautwerk / selber die Kindlein. Den Erben des Throns und die kleinen Quiriten / wählen sie selbst, neu sichernd den Hof und die wächsernen Reiche. Diese Stelle ist besonders im Hinblick auf zwei andere Darlegungen Vergils interessant: Zum einen setzt er sich im dritten Buch der Georgica mit dem ganz anderen Fortpflanzungsverhalten der Pferde und Rinder auseinander und beschreibt die leidenschaftliche Geschlechtslust von Stuten und Hengsten, Kühen und Stieren mit eindringlichen und auch – in Richtung Leser – warnenden Worten. Wohin so ungezügelte Begierde beim Menschen führt, stellt er am Beispiel des unglücklichen Leander vor, der ertrinkt, als er in einer stürmischen Nacht durch eine Meerenge zu seiner Braut schwimmen will. Zum anderen berichtet Vergil im vierten Buch einerseits über die Bestrafung des liebeslüsternen Aristaeus, andererseits wirft er Orpheus das Umblicken nach Eurydike als törichtes, (liebes-) wahnsinniges Verhalten vor. Die in jeder Hinsicht – und eben auch in ihrem Sexualverhalten – einzigartige Moral der Bienen wird einer destruktiven Sexualität gegenübergestellt. Weiters gibt Vergil allerlei Ratschläge zur Rettung kranker Bienenvölker und behandelt schließlich die rätselhafte Entstehung neuer Bienenschwärme aus dem Kadaver eines geschlachteten Rindes. Der erste, der diese Möglichkeit erprobte, war Aristaeus, Sohn Apollons und der Nymphe Kyrene. Aristaeus, Schutzpatron der Imker Von Aristaeus wird gesagt, er habe den Menschen beigebracht, Bienen zu züchten. Obwohl er als Meister in der Kunst der Imkerei gilt, sterben eines Tages alle seine Bienenvölker. Tieftraurig und anklagend sucht er Rat bei seiner Mutter, die sich mit anderen Nymphen im Fluss Penéus aufhält. Sie begleitet ihn zu Proteus, dem Meeresgott mit seherischen Fähigkeiten, und gibt ihm Anweisungen, wie mit diesem umzugehen sei, damit er ihm den Grund für das Sterben der Bienen verrate. Es gelingt Aristaeus schließlich, die erwünschte Auskunft zu erlangen: Wahrlich, es schlägt dich der Zorn einer unverächtlichen Gottheit, / büßest schweres Vergehn. So straft voll Jammer dich Orpheus; / und doch wäre dein Maß nicht erreicht, wenn Schicksal nicht wehrte. / Grimmig wütet er, ward ihm doch seine Gattin entrissen. / Denn vor dir auf der Flucht am Fluß kopfüberhinjagend, / sah sie, die arme, dem Tode verfallene, sah vor den Füßen / nicht am Ufer die Schlange, die grausige, lauern im Grase. (Georgica IV, 453-459) Eigenartig ist, dass Orpheus hier als eine „Gottheit“ bezeichnet wird, der es möglich ist, einen Missetäter göttlicher Abstammung nach eigenem Gutdünken zu bestrafen. Erren übersetzt und deutet diese Stelle etwas anders und es entsteht dann eine andere Vorstellung von der Schuld Aristaeus’ und von der (Nicht-) Berechtigung der verhängten Strafe. Bei einer heimlichen Vergeltung des Anklägers und seiner Freunde kann weder von gerechter Strafe noch von Strafmaß die Rede sein; das hinterhältige Aufhetzen der Numina gegen Aristaeus ist Rache. […] In der frühgriechischen Mythologie ist aber Vergewaltigung unbehüteter jugendlicher Schönheit ein Kavaliersdelikt, jedenfalls für Götter, wenn nicht gar eine Auszeichnung für das Opfer, und so kann auch Vergil den Tatbestand, daß ein Sohn Apolls in der freien Natur eine Nymphe so bedrängt, daß sie kopflos flieht (man denke nur an Apoll und Daphne), nicht strenger beurteilen. Einen schwereren Tatbestand hat Aristaeus aber nicht vollendet, wenn überhaupt diesen, und der Umstand, daß er den dadurch indirekt mitverursachten Unfall mit der Schlange nicht beobachtet hat und vom weiteren Schicksal Eurydikes auch keine Kenntnis hat, beweist, daß er sie nicht verfolgt und eine Vergewaltigung nicht beabsichtigt hat. Diese Nachsicht mit einem immerhin potentiellen Vergewaltiger erinnert zwar an die frauenverachtenden Richtersprüche in heutigen Vergewaltigungsprozessen, ist aber sicher im Vergleich mit den (oft genug gewaltsam herbeigeführten) Liebesabenteuern der Götter, allen voran jenen des Göttervaters Zeus, berechtigt. Jedenfalls schützt das Fatum Aristaeus davor, den ganzen Zorn Orpheus’ verspüren zu müssen, es bleibt immerhin beim Sachschaden. Proteus führt dann Aristaeus das große Leid Orpheus’ vor Augen (s.u.) und verschwindet wieder in den Fluten. Kyrene rät ihrem Sohn, bestimmte Sühneopfer zu verrichten, um Orpheus, Eurydike und die Nymphen zu versöhnen. Gab Proteus in seiner Rede noch die „Gottheit“ Orpheus als Grund für die Zerstörung der Bienenvölker an, so waren es laut Kyrene die Nymphen, die Aristaeus so hart bestraften. Aristaeus schlachtet vier Stiere, vier Färsen und ein schwarzes Lamm für die Nymphen, errichtet ihnen vier Altäre, bringt Eurydike ein Kalb dar und Orpheus als Totengabe den Mohn des Vergessens. Schließlich kehrt er in den Hain zurück, in dem die toten Rinder noch liegen: Hier aber zeigt sich ein jähes, ein höchst erstaunliches Wunder: / durch der Stiere zerflossnes Gedärm entschwirren dem ganzen / Bauche die Bienen, sie brausen empor aus zerbrochenen Rippen, / schwärmen in wimmelnder Wolke hinan, im Wipfel des Baumes / staut sich der Strom und hängt als Traube vom schwanken Gezweige. (Georgica IV, 554-558) Aristaeus hat neue Bienenvölker erhalten und lehrt fortan die Menschen, auf diese Weise Bienen zu züchten. Friedrich Klingner deutet das „Bienenwunder der Aristaeuslegende“ als Symbol für die Erneuerung des Lebens: […] verlorenes Leben ist nicht verloren; der Tod der Bienen und die Trauer darum sind bald überholt durch die neuen Bienenschwärme, die geheimnisvoll aus der Verwesung hervorbrechen. Im Orpheusmythos, der vom menschlichen Tod erzählt, gibt es diese Hoffnung nicht: […] hier ist Leben dem Tod unwiderruflich verfallen, Trauer um das Verlorene ewig unstillbar. Das Leid des Orpheus Nachdem Proteus Aristaeus sein Fehlverhalten vorgehalten hat, berichtet er ihm von den weiteren Geschehnissen und der Tragik des Orpheus: Er aber schlug, sein krankes Herz zu trösten, die Leier […]. (Georgica IV, 464) Schließlich wagt er den Abstieg in die Unterwelt, wo sein Gesang Geister und Götter gleichermaßen ergreift. Es nähern sich ganze Scharen von Schatten und Schemen, die Eumeniden und Zerberus, dessen drei Rachen vor Staunen offen stehen; das Rad des Ixion steht still. Orpheus’ Bitte um die Rückgabe Eurydikes wird von den Totengöttern erhört. Was dem Sänger jedoch nicht gelingt, ist, die an die Befreiung Eurydikes geknüpfte Bedingung zu erfüllen: Er bricht das göttliche Gesetz Proserpinas, das ihm verbietet, sich nach Eurydike umzuschauen. Zur Bedeutung dieses Gesetzes schreibt Bernhard Schwaiger: […] die lex Proserpina im engeren Sinn ist das Gesetz vom periodischen Absterben und Neuerblühen der Natur. […] dieses Gesetz gestattet durchaus, daß auf den Tod neues Leben folgt, jedoch keine individuelle Wiederauferstehung. Selbst wenn Orpheus sich an das Gebot des Nichtumdrehens hielte, wäre die Eurydike eine neue, und nicht die verlorene gewesen, ein (irritum donum(. Nach dieser Deutung wäre dann Orpheus nicht das Zurückschauen aus Verlangen, sondern der zweifelnde Blick nach der unsicheren Gabe der Götter zum Verhängnis geworden. Vordergründig ist die Darstellung bei Vergil jedoch so zu sehen: Es war die ungezügelte Leidenschaft Aristaeus’, die Eurydikes Tod bewirkte und es ist das ebenso ungezähmte Verlangen des Orpheus, das ihre Wiederkehr aus der Unterwelt vereitelt. Schon ging Orpheus zurück, entronnen jeglicher Fährnis, auch Eurydike stieg erlöst empor zu des Tages / Lüften, hinter ihm drein, – so wollte Proserpinas Vorschrift –, / da überfiel urplötzlich den Liebenden, bar aller Vorsicht, / Wahnsinn, verzeihlicher, gäbe es nur bei Manen Verzeihung; / blieb er doch stehn, nach seiner Eurydike, fast schon am Lichte, sah er sich um, vergaß des Gebots, überwältigt vom Herzen. (Georgica IV, 485-491) Als Zeichen des kommenden Unheils ertönt dreimal der Donner des Orkus: Eurydike wird zurückgerufen in das Reich des Todes, ihr Schicksal und Orpheus gleichermaßen anklagend nimmt sie Abschied. Proteus als Erzähler ebenso wie Eurydike bezeichnen Orpheus’ Sehnsucht als Wahnsinn und Wahn, dem er unterliegt – unverschuldet vielleicht, aber eben doch auch unbeherrscht und damit schuldhaft. Es ist ein sehr poetisches Bild, das Proteus von der zurückgleitenden Eurydike vermittelt: […] wie Rauch in die Lüfte / zart verweht, so schwand sie hinab, sah nicht mehr den Armen, / wie er vergeblich die Schatten umfing und viel, ach, so viel noch sagen wollte. (Georgica IV, 499f) Sie aber glitt, schon starr und kalt, im stygischen Nachen. (Georgica IV, 506) Sieben Monate verharrt der untröstlich Trauernde sein Leid besingend am Rande der Unterwelt, ehe er zur einsamen Wanderschaft durch die eisige Landschaft aufbricht. Seine Klagen klingen traurig und schön wie das Lied einer Nachtigall, die um ihre Jungen weint, Tiger und die Bäume des Waldes trauern mit ihm. Venus beugte sein Herz nicht mehr, nicht mehr Hymenaeus. / Einsam im hohen Norden durchs Eis und am schneeigen Don hin / zog er durch skythisches Land, das nie sich entschleiert vom Rauhreif, / klagt, Eurydike, deinen Verlust und die fruchtlose Gabe Plutos. (Georgica IV, 516-520) Hier ist keine Rede von Knabenliebe und auch nicht von Frauenhass, sondern nur vom Gefangensein in der Erinnerung an Eurydike. Thrakerinnen, die das Fest des Bacchus feiern und Orpheus zu neuen Liebesfreuden verführen wollen, sind erzürnt wegen seiner bedingungslosen Treue zu Eurydike und töten den Sänger. Sie zerstreuen seine Glieder über das Feld, sein Haupt aber, weiterhin leise nach Eurydike klagend, treibt auf den Wellen des Hebros. Aber noch jetzt, da das Haupt, vom marmornen Nacken gerissen / mitten in strudelnder Flut fortwälzt der befreundete Stromgott, / klagt doch die Stimme „Eurydike!“ noch, lallt stockend die Zunge: / „Weh, meine arme Eurydike!“ noch ersterbenden Hauches, / hallten „Eurydike“ bang entlang am Strome die Ufer. (Georgica IV, 523-527) Noch nach seinem Tod hat Orpheus Eurydikes Namen auf den Lippen, das Rufen wird von der umgebenden Natur aufgenommen und verstärkt. Damit endet der Bericht Proteus’ und auch Vergils Orpheus-Erzählung. Keine Musen sind zur Stelle, um Orpheus zu begraben, und dadurch wird dieses Ende besonders tragisch: In der Antike galt ein Begräbnis als Voraussetzung dafür, von Charon über den Acheron gerudert zu werden. Somit wird Orpheus hier zum ‚Untoten‘, der hundert Jahre am Ufer des Totenflusses als Schatten auf seine Überfahrt warten muss. Wenn auch das attische Weihrelief als Beweis für die Existenz einer früheren Erzählung über die erfolglose Hadesfahrt Orpheus’ gelten kann, so ist es doch Vergil zu verdanken, dass der Orpheusmythos als in sich geschlossene, tragische Handlung in der Dichtung weitertradiert wurde. Gegen die Annahme, dass Vergil der erste überhaupt war, der Orpheus’ Hadesfahrt erfolglos ausgehen lässt, führt Claudia Klodt interessante, sich aus der narrativen Struktur der Erzählung ergebende Argumente an: Zu knapp und zu ausschnittartig sind die entscheidenden Situationen der Handlung vorgetragen; neben dieser asymmetrischen, elliptischen Narration ist die subjektive Perspektive des ‚Erzählers‘ Proteus ein weiterer verfremdender Effekt. Wer so erzählt, rechnet mit dem Vorwissen seiner Leser als Basis […]. Insbesondere das nur im Nachtrag berichtete Verbot des Umwendens spricht dagegen, in Vergil den Erfinder der tragischen Version zu erkennen. Trotzdem ist es Vergil, der als Gestalter der Sage unauslöschliche Bilder überliefert hat: Der traurige Abschied der Liebenden an der Grenze zwischen Ober- und Unterwelt und der bis über den Tod hinaus um seine Eurydike weinende Orpheus sind Motive, die von nun an fester Bestandteil des Orpheusmythos sind. Das Orpheusbild in Ovids „Metamorphosen“ Vergils Orpheus-Darstellung erfährt durch die Behandlung des Orpheusmythos im zehnten und elften Buch der in den Jahren 1 v. Chr. bis 9 n. Chr. verfassten Metamorphosen Ovids Veränderung und Erweiterung. Das Groß-Epos in Hexametern – eine virtuos verknüpfte Reihe von Götter- und Heldensagen – gehört zu den fesselndsten und wichtigsten Werken der antiken Literatur. Es ist in insgesamt fünfzehn Bücher unterteilt und umfasst die Zeitspanne zwischen der Entstehung der Welt und Ovids Gegenwart. Das große gemeinsame Thema der erzählten Geschichten ist die Wandelbarkeit aller Lebewesen, die sich meist in einer völligen Verwandlung manifestiert. Die Sagen und Mythen werden nicht einzeln aneinandergereiht, sondern greifen ineinander über, meist über die Buchgrenzen hinweg. So leitet auch der Ausgang des neunten Buches über zur Orpheus-Sage des zehnten Buches. Hymenaeus Die letzte Erzählung im neunten Buch berichtet von dem Mädchen Iphis, dessen Geschlecht die Mutter, um sein Leben zu retten, vor dem Vater als männlich ausgab. Dieser will den Knaben zu gegebener Zeit mit der schönen Ianthe vermählen. Iphis liebt Ianthe ebenso sehr wie diese den Jüngling, den sie in ihr sieht, hat aber Angst vor der Hochzeitsnacht, weil dann die Braut vom Betrug erfahren wird. Ebenso fürchtet sich die Mutter und fleht die Göttin Isis um Hilfe an. Die Bitten werden erhört, am Tag vor der Hochzeit wandelt sich Iphis wie von Zauberhand berührt in ein männliches Wesen um und der glücklichen Vermählung steht nichts mehr im Wege: Weithin erhellen die Strahlen des nächsten Tages den Erdkreis, / Als Cytherea und Juno und Hymen zum Feuer des Bundes / Kommen und Iphis, der Knabe, sich seiner Ianthe bemächtigt. Da Hymen hier in einer Reihe mit anderen Gottheiten genannt wird, ist nicht der so benannte gesungene Hochzeitsruf, sondern Hymenaeus, der geflügelte Hochzeitsgott gemeint. Nach diesem frohen Fest verlässt er eilig Kreta, weil er von Orpheus an den thrakischen Strand gerufen wird. Nun beginnt das zehnte Buch der Metamorphosen mit der Schilderung der beklemmenden Szene, wie Orpheus von Hymenaeus vergebens den Segen zu seiner Hochzeit erfleht: Zwar er kam, doch brachte er keine festlichen Lieder, / Brachte kein heiter Gesicht, kein glücklich Zeichen; die Fackel / Auch, die er trug, sie zischte in tränenschaffendem Rauche, / Unaufhörlich, und ließ in keinem Schwung sich entflammen, [...]. (Met., X, 4-7.) Diesen bösen Vorzeichen folgt gleich darauf der Tod Eurydikes durch den Schlangenbiss – und zwar beim Spaziergang mit den Gespielinnen, nicht im Zusammenhang mit einer Verfolgungsjagd, wie Vergil es darstellt. Orpheus im Hades Orpheus macht sich, nachdem er eine Zeit lang um Eurydike getrauert hat, auf den Weg in die Unterwelt, um von den Totengöttern Eurydikes Rückkehr zu den Lebenden zu erbitten. Neben dem auktorialen Erzähler, der über das Liebesleid des trauernden Gatten berichtet, tritt nun Orpheus selbst als Sänger und Erzähler in den Vordergrund, sodass der Leser sich von der Wirkung seiner Kunst überzeugen kann. Ihr Götter der Welt, die unter der Erde gelegen, / Der wir verfallen, soviel wir sterblich gezeugt sind, erlaubt ihr, / Wahrheit offen und frei zu reden ohne den Umschweif / Trügenden Mundes: ich bin nicht hernieder gestiegen, den finstren / Tartarus hier zu schaun, auch nicht, die schlangenumwundnen / Kehlen, die schrecklichen drei, des medusischen Scheusals zu fesseln. / Grund meiner Fahrt ist die Frau. (Met., X, 17-23) Ohne Scheu erinnert Orpheus Pluto an den Raub der Proserpina, für den ebenso die Liebe der Beweggrund war wie für sein Erscheinen vor den Totengöttern. Seine Bitte klingt bescheiden: Nur leihen sollt ihr, nicht schenken (Met., X, 37), erhält aber dadurch, dass er erklärt, selbst als Toter in der Unterwelt bleiben zu wollen, wenn er Eurydike nicht mit sich nehmen darf, den nötigen Nachdruck. Nachdem Orpheus seinen Bittgesang beendet hat, übernimmt wieder der Erzähler das Wort und berichtet von den rührenden Szenen, die sich unter den unseligen Wesen der Unterwelt abspielen: Während so er sang, zu den Worten rührte die Saiten, / Weinten die bleichen Seelen, die Welle, die flüchtige, haschte / Tantalus nicht, da stand Ixions Rad, nach der Leber / Hackten die Geier nicht mehr, die Beliden setzten die Krüge / Nieder, und Sisyphus, du, du saßest auf deinem Felsen. / Damals benetzten zum ersten Mal der vom Liede besiegten / Furien Wangen, so sagt man, die Tränen. (Met., X, 40-46) Pluto und Proserpina lassen sich erweichen, knüpfen jedoch an die Freigabe Eurydikes die Bedingung, dass Orpheus sich beim Aufstieg nicht nach ihr umwenden darf. Kurz vor dem Ziel, in Sorg’, sie ermüde, sie endlich zu sehen verlangend [...] (Met., X, 56), schaut er sich dennoch nach Eurydike um und verliert sie zum zweiten Mal. Mit flehend nach Orpheus ausgestreckten Händen und einem leisen Lebewohl auf den Lippen sinkt sie in den Hades zurück. Sie klagt zwar, aber sie klagt Orpheus seines Verhaltens wegen nicht an (wie bei Vergil). […] schon zum / zweiten Mal sterbend klagt sie dennoch gegen den Gatten / Nichts – denn was sollte sie klagen, als daß sie zu sehr sich geliebt sah? (Met., X, 59-61) Orpheus bleibt von übergroßem Schmerz erstarrt wie versteinert zurück. Sieben Tage und Nächte verharrt er ohne Nahrung am Ufer des Styx und erhofft sich von Charon vergebens eine neuerliche Überfahrt. Gesang des Orpheus inmitten von Bäumen und Tieren Schließlich kehrt Orpheus in seine Heimat Thrakien zurück, ohne jedoch zu seinem früheren Leben zurückzufinden. Er meidet den Umgang mit Frauen und lehrt die thrakischen Völker die Liebe auf zarte / Knaben zu wenden und so die ersten Früchte des kurzen / Lebensfrühlings noch vor der Schwelle der Mannheit zu pflücken. (Met., X, 83-85) Die Geschichte wird fortgesetzt mit der Beschreibung einer Situation, die sich drei Jahre nach der Hadesfahrt ereignet. Der Erzähler schildert, wie sich der Sänger auf einem unbeschatteten Hügel niederlässt und zu singen beginnt. Angelockt durch den zauberhaften Gesang kommen nun verschiedene Bäume aus der näheren und ferneren Umgebung herbei. Jörg Döring weist darauf hin, dass die detaillierte Aufzählung der Baumversammlung nicht dazu dient, einen möglichst umfangreichen Baumkatalog vorzuführen, sondern dass vielmehr die Bäume und ihre Eigenschaften im Zusammenhang mit einer mythologischen Verwandlung zu sehen sind. Ihr Herannahen erweckt zunächst einen heiteren Eindruck, das Wissen um ihr meist tragisches Verwandlungsschicksal stört jedoch diese Harmonie und soll auf Orpheus’ Schicksal hinweisen. Einerseits hatte er sich nach der erneuten Trennung von Eurydike selbst nur mit Mühe aus einer Erstarrung gelöst, andererseits wird nach seinem tragischen Ende die Anzahl der in Bäume verwandelten Lebewesen erneut vermehrt werden. Für die Baum-Metamorphosen führt Döring folgende Beispiele an: Der „chaonische Baum“ ist die Metamorphose des Trojaners Chaon, der vom eigenen Bruder aus Versehen bei der Jagd erschlagen wurde. Das „Heliadengehölz“ erinnert an die Schwestern Phaetons, die dessen tragisch endende Ausfahrt mit dem Sonnenwagen des Helios so lange beweinten, bis ihre innerliche Erstarrung im Schmerz auch äußerlich sichtbar wurde: Sie waren in Bäume verwandelt worden. Der Lorbeer weist noch erkennbar, aber ohne es explizit zu machen, auf das Schicksal der Daphne (met. I 52 ff.) hin, die zum Baum werden mußte, um vor den Nachstellungen des Gottes Apoll sicher zu sein“ [...] und die Pinie erinnert an die Geschichte „des unglücklichen Attis, der das Keuschheitsversprechen brach, das er der ihn liebenden Cybele, einer phrygischen Mutter-Gottheit, gegeben hatte, daraufhin – vom Wahnsinn geschlagen – sich selbst entmannte und in eine Pinie verwandelt wurde. Als letzter Baum naht sich die Zypresse, die als Metamorphose des Cyparissus zum Beweis für den tragischen Ausgang untröstlicher menschlicher Trauer angeführt wird. Cyparissus hatte den heiligen Hirsch der Nymphen aus Versehen getötet und nicht einmal Apollon, der in den Knaben verliebt war, konnte diesen darüber hinwegtrösten: Wie sprach ihm Phoebus mit dringenden Trostes- / worten nicht zu und mahnt ihn, gemäßigt und, wie es dem Falle / Zieme zu trauern! Der Knabe seufzt und heischt von den Göttern / Dies als letztes Geschenk, auf ewig trauern zu dürfen. (Met., X, 132-135) Er wird in die Zypresse, den Trauerbaum, verwandelt. Damit wurde – innerhalb des Orpheusmythos – die erste Geschichte von der Liebe eines Gottes zu einem schönen Menschen-Knaben erzählt. Orpheus selbst trägt anschließend – neben anderen Liebesgeschichten – weitere Beispiele der ‚göttlichen Knabenliebe‘ vor, die er auch den Menschen zugänglich machen wollte. Inzwischen haben sich Vögel und andere Tiere um den die Saiten stimmenden Sänger geschart, und der Erzähler überlässt nun Orpheus das Wort: Laß von Juppiter mich – weicht Juppiters Macht doch alles! – / Mutter Muse beginnen. Ich habe von Juppiters Macht schon / Oftmals gekündet, besungen mit schwererem Schlag der Giganten / Fall und die siegenden Blitze, verstreut über Phlegras Gefilde. / Jetzt ist leichterer Leier mir not: von göttergeliebten / Knaben möchte ich singen, von Mädchen, die, rasend verbotnem / Feuer verfallen, verdient ihrer bösen Begierden Bestrafung. (Met. X, 148-154) – so beginnt Orpheus seinen Vortrag über die Abenteuer der Götter. Er erzählt von Jupiters Liebe zu Ganymed, von Apollons Leidenschaft für Hyacinthus (hier flicht Orpheus das Bekenntnis ein, selbst ein Götter-Sohn zu sein: Dich hat mein Vater vor allen geliebt (Met. X, 167)), von den unseligen Töchtern des Propoetus und von Pygmalions Verliebtheit in sein eigenes Geschöpf aus Elfenbein, das schließlich durch Venus zum Leben erweckt wurde. Diese – später Galatea genannte – Frau wurde Mutter der Paphos, diese wiederum war die Mutter des Cinyras, der von seiner Tochter Myrrha so innig geliebt wurde, dass sie vor der Blutschande nicht zurückschreckte und sich, ihre wahre Identität verbergend, während mehrerer Nächte zu ihm ins Bett legte. Als Cinyras den Frevel entdeckte, flüchtete die inzwischen schwangere Myrrha und bat die Götter um Strafe für ihr Vergehen. Sie wurde in einen Baum verwandelt und aus einer Spalte seiner Rinde entband die Geburtsgöttin Lucina den schönen Adonis-Knaben, in den sich bald darauf Venus selbst verliebte. Um ihren Liebling Adonis vor wilden Tieren und den Gefahren der Jagd zu warnen, erzählt dann – in Orpheus’ Vortrag eingeflochten – Venus die Geschichte von Atalanta und Hippomenes, die von ihr selbst in wilde Löwen verwandelt worden waren, nachdem sie, statt Venus dafür zu danken, dass die Göttin sie zusammengeführt hatte, den Tempel durch Liebesspiele entweiht hatten. Die Ermahnungen waren vergebens: Adonis ließ sich auf den Kampf mit einem Wildschwein ein und wurde von dessen Hauern durchbohrt. Venus beweinte den Gefallenen und ließ aus seinen Blutstropfen duftige Blumen wachsen. Mit der Verwandlung des Adonis schließt das zehnte Buch. Tod des Orpheus Die zauberhafte Wirkung des Liedes, das des Wildes / Sinne, die Bäume, die Felsen zu folgen zwang und in Bann hielt (Met. XI, 1 ff.) vermag jedoch nicht die Bacchantinnen zu bezähmen, die Orpheus schon längst wegen seiner Frauenverachtung zürnen. Sie haben ihn entdeckt und beschließen, ihn zu bestrafen. Sieh’, da erspähen ciconische Fraun, die besessene Brust mit / Tierfell bedeckt, von der Höh’ eines Hügels hernieder den Orpheus, / Wie er die Saiten schlug, ihrem Klang seine Lieder gesellte. / Eine von ihnen ruft, ihr Haar in die wehenden Lüfte / schleudernd: „Seht doch! Dort ist Einer, der uns verachtet!“ / Wirft nach dem klangreichen Mund des Apollosohnes den Stab, [...]. (Met. XI, 3-8) Solange Orpheus’ Musik noch durch die Luft klingt, können ihn die Geschosse der Angreiferinnen nicht verletzen, sogar ein nach ihm geschleuderter Stein legt sich zu seinen Füßen hin. Konnte Orpheus (bei Apollonios) den Sirenengesang übertönen, so siegen hier die schrillen Töne der Mänaden, ersticken den Ton der Leyer (Met. XI, 18) und Orpheus unterliegt der wütenden Mordlust der Frauen. Tiere, Wald und Felsen trauern um den Toten, dessen Haupt und Leier, vom Hebrus fortgetragen, noch immer weiterklingen. Zwei Götter sind zur Stelle, um nun wenigstens den toten Orpheus zu schützen bzw. zu rächen: Phöbus (Apollon) lässt jene Schlange zu Stein erstarren, die den an den Ufern der Insel Lesbos gestrandeten Kopf verschlingen wollte, und die Thrakerinnen werden von Bacchus bestraft. Er verwandelt sie in Waldbäume und dies ist dem Gott nicht genug: Er verläßt auch die Gegend [...]. (Met. XI, 85) Ein Begräbnis wird dem Toten auch bei Ovid nicht zuteil. Der Schatten des Orpheus jedoch findet in der Unterwelt Eurydike, die er nun ohne Gefahr und für immer anschauen darf. Einige Verse später, im Rahmen des Midas-Mythos, weist Ovid dann noch darauf hin, dass Orpheus einst das Geheimnis gelehrt mit dem cecropsentstammten Eumolpus. (Met. XI, 92 f.) Orpheus und Eumolpus haben demnach Midas in – vermutlich dionysisch-orphische – Mysterien eingeweiht. Jedenfalls erkennt Midas in dem gefangenen Silen aus dem Gefolge Bacchus’, den ihm phrygische Bauern zuführen, einen der Weihen vertrauten Genossen. (Met., XI, 94) Den von Vergil zum einheitlichen Mythos zusammengefügten Mythologemen fügt Ovid neue hinzu bzw. ergänzt sie aus anderen ihm bekannten Überlieferungen. Orpheus ist hier weniger der treue Gatte als vielmehr ein Künstler mit sehr komplexem Charakter und wechselnden sexuellen Neigungen. Seine Ankündigung, sterben zu wollen, wenn er seine Frau nicht zurückerhält, hält er nicht ein, er sucht vielmehr einen neuen Lebenssinn als Sänger von amourösen Götter-Abenteuern. Um die Enttäuschung wegen der verlorenen Eurydike zu vergessen, tröstet er sich mit der Liebe zu schönen Knaben und macht diese Neigung auch bei seinen Landsleuten bekannt. Zusammen mit Eumolpos, der ebenfalls als berühmter Sänger gilt, macht er sie mit einer nicht näher benannten Geheimlehre vertraut. Eumolpos ist aus der Mythologie bekannt als Begründer der eleusinischen Weihen. Durch die Erwähnung seines Namens an dieser Stelle vermischt Ovid die Lehren des Orpheus mit jenen von Eumolpos, sodass sich einige Fragen aufdrängen, die sich mit den von Ovid gegebenen Informationen nicht beantworten lassen: Führt Orpheus die Thraker nun in die dionysischen oder in die eleusinischen Weihen ein oder unterrichtet er sie nach seiner eigenen, der orphischen Lehre? Oder versucht er, die Thraker zum Glauben an Apollon zu bekehren? Ist Orpheus’ Liebesverweigerung oder seine Ablehnung ihrer kultischen Feiern zu Ehren Dionysos’ gemeint, wenn die Bacchantinnen ihm vorwerfen, sie zu verachten? Für sein Verhalten wird Orpheus mit dem Tod bestraft. Als er in die Unterwelt zurückkehrt, sucht er zuerst nach Eurydike, die er trotz seines neuen abwechslungsreichen Lebens nicht vergessen hatte – und ist schließlich als Schattenwesen glücklich mit ihr vereint. ............... Claudius Claudianus: Der Raub der Prosperina. Vorwort zum zweiten Buch 1 -14: "Als Orpheus sich Ruhe gönnte, seine Gesänge eingeschlummert waren und er schon lange die Elfenbein-Lyra achtlos beiseite gelegt hatte, trauerten die Nymphen um den ihnen entrissenen Trost, verlangten die traurigen Flüsse nach den lieblichen Weisen. Die wilde Natur erwachte wieder in den Tieren und voller Furcht vor dem Löwen erflehte die Kuh die Hilfe der schweigenden Kithara. Auch die schroffen Berge beweinten des Orpheus Schweigen, und der Wald, der so oft seiner thrakischen Lyra gefolgt war. Aber nachdem der Alkide (= Herakles) vom Inachischen Argos entsandt, mit seinem Frieden bringenden Schritt das thrakische Land erreichte und die grausigen Futterkrippen des blutrünstigen Königs abgeschafft hatte und des Diomedes Pferde nun Gras fressen ließ, da griff der Sänger erneut, über das Glück der Heimat erfreut, nach den klingenden Saiten seiner entwöhnten Lyra. ......" (Claudius Claudianus: Der Raub der Prosperina. Übersetzt von Anne Friederich und Anna Katharina Frings. Edition Antike. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt,2009.) INCLUDEPICTURE "http://www.quetzal-leipzig.de/wp-content/uploads/Gesehen/Orfeu_Negro/orfeu1.jpg" \* MERGEFORMATINET Marpessa Dawn als Eurydike, Breno Mello als Orpheo im Film Orpheo Negro, 1959 Vgl. ZIEGLER, Konrat: Orpheus (Entstehungszeit) In: PAULYS REALENCYCLOPÄDIE DER CLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT; hrsg. von G. Wissowa (W. Kroll u.a.), Stuttgart: Druckenmüller 1939, 35. Halbband, S. 1215 ZIEGLER, a.a.O., S. 1215 Vgl. DEUFERT, Marcus: Orpheus in der antiken Tradition. In: STORCH, Wolfgang (Hrsg.): Mythos Orpheus. Texte von Vergil bis Ingeborg Bachmann. Leipzig: Reclam 1997, S. 266-273 RIEDWEG, Christoph: Orpheus oder die Magie der musiké. NZZ Online, 4. 1. 2003 Vgl.: DER KLEINE PAULY, Bd. 2, Sp. 80 (Dionysos) Vgl. ZIEGLER, a.a.O., S. 1283f. AISCHYLOS: Die Orestie. In: LEHMSTEDT, a.a.O.; Aischylos-W. S. 206 PINDAR: Oden. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und hrsg. v. Eugen Dönt. Stuttgart: Reclam 1986, S. 125 HESIOD: Theogonie. Griechisch/Deutsch. Übersetzt u. hrsg. v. Otto Schönberger. Stuttgart: Reclam 1999 ZIEGLER, a.a.O, S. 1217 EURIPIDES: Alkestis. Griechisch/Deutsch. Übersetzt u. hrsg. v. Kurt Steinmann. Stuttgart: Reclam 2002 (1981) EURIPIDES: Iphigenie in Aulis. In: LEHMSTEDT, a.a.O.; Euripides-W. Bd. 3, S. 51 EURIPIDES: Die Bakchen. In: LEHMSTEDT, a.a.O.; Euripides-W. Bd. 3, S. 88. PLATON. Sämtliche Werke in zehn Bänden. Herausgegeben von Karlheinz Hülser. Frankfurt a. M. und Leipzig: Insel Verlag 1991. Band I, Apologie, 41a, b PLATON, a.a.O., Band IV, Symposion, 179d PLATON, a.a.O., Band V, Politeia X, 620a Deutsches archäologisches Institut (Hg.): Archäologischer Anzeiger. Berlin, New York: Walter de Gruyter 1990, S. 78 (Das Relief befindet sich im Nationalmuseum Neapel; weitere Kopien: Paris, Louvre; Rom, Villa Albani) ERREN, Manfred: P. Vergilius Maro. Georgica. Band 2 Kommentar. Heidelberg: Winter 2003, S. 960 ZIEGLER, a.a.O., 11. Halbband, S. 1323 Vgl. ZIEGLER, a.a.O., 11. Halbband, S. 1324 (M.E. handelt es sich hier um einen Irrtum Zieglers. Bei VOSS steht das Gedicht Klage um Bion unter dem Übertitel Theokrits Idyllen und ist somit eine von Theokrit in Verse gesetzte Nachempfindung der Klage des Moschos um seinen verlorenen Freund.) TOUCHETTE, Lori-Ann: A New Interpretation of the Orpheus-Relief. In: Deutsches Archäologisches Institut: Archäologischer Anzeiger 1990. Berlin, New York: Walter de Gruyter 1990, S. 77-90 TOUCHETTE, a.a.O., S. 87 Vgl. REDFIELD, James: Homo Domesticus. In: VERNANT, Jean-Pierre (Hg.): Der Mensch in der griechischen Antike. Frankfurt am Main: Campus 1993, S. 180-218, hier S. 186 TOUCHETTE, a.a.O., S. 81 TOUCHETTE, a.a.O., S. 79 Zitiert nach: ZELLER, Dieter: Orpheus in der griechischen Antike: Gestalt und Gestaltungen, Garant von Geheimlehren. In: MUNDT-ESPÍN, Christine (Hg.): Blick auf Orpheus. 2500 Jahre europäischer Rezeptionsgeschichte eines antiken Mythos. Tübingen und Basel: Francke 2003 (Mainzer Forschungen zu Drama und Theater, Band 29), S. 35-51, hier S. 39 LESSING, Erich (Hg.): Die griechischen Sagen in Bildern erzählt von Erich Lessing. Mit Beiträgen von Ernest Bornemann, Wolfgang Oberleitner, Egidius Schmalzriedt. München: Orbis 1990, S. 157 (Weitere Detailansichten S. 115, S. 125, S. 159) PHANOKLES: [Lyrik]. Aus dem Gedicht „Knabenliebe“. In LEHMSTEDT, a.a.O., S. 9237-9238 Abbildungen in: LESSING, a.a.O. S. 162 (attische Amphore, 2. Hälfte d. 5. Jh. v. Chr., Fundort : Nola. Paris, Louvre) und: PINSENT, John: Die Götter und Mythen der alten Griechen. Klagenfurt: Buch und Welt 1988, S. 53 („Der Tod des Orpheus“, Boston, Museum of Fine Arts, Special Fund. Werk des Achilles-Malers, ca. 460-430 v. Chr.) APOLLONIOS VON RHODOS: Die Fahrt der Argonauten. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Paul Dräger. Stuttgart: Reclam 2002. Erstes Buch, 23-35. Im Folgenden fortlaufend im Text zitiert als: Arg., Buch, Vers Vgl.: DER KLEINE PAULY: Lexikon der Antike in fünf Bänden. Hg. v. ZIEGLER / SONTHEIMER, Bd. 2, S. 455 und Bd. 4, S. 312 PIETSCH, Christian: Die Argonautika des Apollonios von Rhodos. Untersuchungen zum Problem der einheitlichen Konzeption des Inhalts. Stuttgart: Steiner 1999, S. 70 KORENJAK, Martin: Orpheus bei Apollonios Rhodios. Griechische Diplomarbeit, eingereicht bei Prof. Dr. Karlheinz Töchterle. Innsbruck 1994, S. 26 ROHDE, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1980 (Freiburg i. B., Leipzig und Tübingen 1898), S. 115 Vgl. ZIEGLER, in: PAULYS REALENCYCLOPÄDIE DER CLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT, Bd. 35, S. 1261ff. DIE VORSOKRATIKER I: Milesier, Pythagoreer, Xenophanes, Heraklit, Parmenides. Auswahl, Übersetzung und Erläuterungen von Jaap MANSFELD. Stuttgart: Reclam 2003 (1983). S. 179, §74 s.o., S. 127f, §7 KERÉNYI, Karl: Humanistische Seelenforschung. In: KERÉNYI, Magda (Hg.): Karl Kerényi. Werke in Einzelausgaben. Stuttgart: Klett-Cotta 1997, S. 32 Vgl. ROHDE, Psyche. S. 109 PAUSANIAS: Reisen in Griechenland. Gesamtausgabe in drei Bänden. Auf Grund der kommentierten Übersetzung von Ernst Meyer. Herausgegeben von Felix Eckstein, abgeschlossen von Peter C. Bol. Band III: Delphoi, Bücher VIII-X. Arkadien, Boiotien, Phokis. Düsseldorf: Artemis und Winkler 2001, 37,5 (S. 81) KERÉNYI, Karl: Dionysos. Urbild des unzerstörbaren Lebens. In: KERÉNYI, Magda (Hg.): Werke in Einzelausgaben. Stuttgart: Klett-Cotta 1998, S. 151 ELIADE, Mircea: Schamanen, Götter und Mysterien. Die Welt der alten Griechen. Freiburg im Breisgau: Herder 1992, S. 99 Vgl. ZIEGLER, in: DER KLEINE PAULY, Band 4, S. 356-362 (Orphische Dichtung) und HOFMANN, Heinz: Orpheus. In ders. (Hg.): Antike Mythen in der europäischen Tradition. Tübingen: Attempto 1999, S. 153-198, hier S. 161 BURKERT, Walter: Die Griechen und der Orient. Von Homer bis zu den Magiern. München: Beck 2003, S. 80 Vgl.: HOMER: Odyssee. Übersetzt von Roland Hampe. Stuttgart: Reclam 1979. (XI 467-476; XI 538-542; XXIV 11ff.) HERODOT: Historien. Deutsche Gesamtausgabe. Übersetzt von A. Horneffer. Herausgegeben und erläutert von H.W. Haussig. Einleitung von W.F. Otto. 2. Buch. (V. 81) Stuttgart: Kröner 1971, S. 133 EURIPIDES: Hippolytos. In: LEHMSTEDT, a.a.O.; Euripides - W. Bd. 1, S. 129 EURIPIDES: Alkestis. In: LEHMSTEDT, a.a.O., Euripides – W. Bd. 1, S. 37, 38 ARISTOPHANES: Die Frösche. In. LEHMSTEDT, a.a.O.; Aristoph.-Kom. Bd. 2, 225. ELIADE, Mircea: Schamanen, Götter und Mysterien. Die Welt der alten Griechen. Freiburg im Breisgau: Herder 1992, S. 102 http.www://pinselpark.org/philosophie/o/orphik/index.html ARISTOPHANES: Die Vögel. In: LEHMSTEDT, a.a.O.; Aristoph.-Kom. Bd 2, S. 36, 37 RANKE-GRAVES, Robert von: Griechische Mythologie. Quellen und Deutung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1989, S. 25 Vgl. ZIEGLER, in: DER KLEINE PAULY, Bd. 4, S. 359 f Vgl. BETEGH, Gábor: The Derveni Papyrus. Cosmology, Theology and Interpretation. Cambridge: University Press 2005 (2004), S. 47 Vgl. VEGETTI, Mario: Der Mensch und die Götter. In: VERNANT, Jean-Pierre:(Hg.): Der Mensch in der griechischen Antike. Frankfurt am Main: Campus 1993, S. 295-333, hier S. 321 BURKERT, Walter, a.a.O., S. 99 BURKERT, a.a.O., S. 96 Vgl. BURKERT, a.a.O., S. 84 BURKERT, a.a.O., S. 97f BURKERT, s.o. BURKERT, a.a.O., S. 101 VERNANT, Jean-Pierre: Mythos und Religion im alten Griechenland. Aus dem Franz. von Eva Moldenhauer. Frankfurt/New York: Campus 1995 (Edition Pandora, Band 26), S. 94 PLATON; a.a.O., Band I, Protagoras, 316d PLATON, a.a.O., Phaidon 82d PLATON, a.a.O., Gorgias, 493a Vgl. DER KLEINE PAULY, Bd. 4, S. 267 RIEDWEG, Christoph: Jüdisch-hellenistische Imitation eines orphischen Hieros Logos. Beobachtungen zu OF 245 und 247 (sog. Testament des Orpheus). Tübingen: Narr 1993 (Classica Monacensia. Münchener Studien zur Klassischen Philologie Band 7), S. 27 PLATON, a.a.O., Politeia 364e RIEDWEG, a.a.O., S. 27 RIEDWEG, s.o. KERÉNYI, Karl: Die Mythologie der Griechen. Band I: Die Götter- und Menschheitsgeschichten. München: dtv 2001, S. 93 Vgl. BURKERT, Walter, a.a.O., S. 99ff Vgl. ZIEGLER, in: PAULYS REALENCYCLOPÄDIE DER CLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT, Bd. 36, S. 1386f ZIEGLER, in: PAULYS REALENCYCLOPÄDIE DER CLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT, a.a.O., S. 1387 Vgl. DER KLEINE PAULY, a.a.O., Bd. 2, S. 79 und KERÉNYI: Die Mythologie der Griechen. die Götter- und Menschheitsgeschichten, a.a.O., S. 200 BLUMENBERG, Hans: Arbeit am Mythos. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1979, S. 168 VERGIL: Landleben. Bucolica, Georgica, Catalepton. Ed. Johannes und Maria Götte. Vergil-Viten: ed. Karl Bayer. Lateinisch und deutsch, München: Heimeran 1959; Georgica, Band IV, V. 197-202. Im Folgenden fortlaufend im Text zitiert als: Georgica IV, Versangabe. ERREN, a.a.O., S. 967 KLINGNER, Friedrich: Vergils Georgica. Zürich und Stuttgart: Artemis 1963, S. 236 SCHWAIGER, Bernhard: Die Darstellung des Mythos von Orpheus und Eurydike bei Vergil georg. 4, 453-527, Ovid met. 10, 1-77 und Boethius cons. phil. 3 m. 12 im Vergleich. Diplomarbeit, eingereicht bei Univ. Prof. Dr. Sebastian Posch. Innsbruck 1995, S. 30f Vgl.: UHDE, Bernhard: Psyche – Ein Symbol? Zum Verständnis von Leben und Tod im frühgriechischen Denken. In: STEPHENSON, Gunther (Hg.): Leben und Tod in den Religionen. Symbol und Wirklichkeit. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1980, S. 103-118 KLODT, Claudia: Der Orpheus-Mythos in der Antike. In: MAURER ZENCK, Claudia (Hg.): Der Orpheus-Mythos von der Antike bis zur Gegenwart. Die Vorträge der interdisziplinären Ringvorlesung an der Universität Hamburg, Sommersemester 2003. Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft, Band 21. Frankfurt am Main.: Peter Lang, 2004. S. 37-98, hier S. 78 f. PUBLIUS OVIDIUS NASO: Metamorphosen. In deutsche Hexameter übertragen und mit dem Text herausgegeben von Erich Rösch. München: Heimeran 1952; 8. Auflage 1979, IX. Buch, Vers 795f. Im Folgenden fortlaufend im Text zitiert als Met., Buch, Vers Vgl. DÖRING, Jörg: Ovids Orpheus. Basel; Frankfurt am Main: Stroemfeld 1996, S. 44 ff. DÖRING, a.a.O., S. 46 DÖRING, s.o.