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kirke
KIRKE Lat. Circe; das „Becircen“, auch „Bezirzen“ von Männern; in der Umgangssprache: bezaubern, betören, auf erotisch-verführerische Weise für sich gewinnen. Sie war eine kolchische Zauberin und Tochter des Sonnengottes Helios und der Perse; Homer Odyssee 10,135ff: „Wir gelangten zur Insel Aiaia. Dort wohnte die menschlich sprechende, prachtvoll gelockte Kirke, die machtvolle Göttin, leibliche Schwester des unheilsinnenden Fürsten Aietes. Beide stammten von Helios, der den Menschen das Licht bringt, und von der Tochter des Erdenstromes Okeanos, Perse.“ (Spätere behaupten, dieser Inselname sei auf den Klageruf im Hades „ai-ai“ zurückzuführen.). Homer nannte die Insel als im Osten liegend; Odyssee 12,1-9: „Hinter sich hatte das Schiff des Okeanos Strömung gelassen, hatte die Wogen des weiten Meeres erreicht und die Insel Kirkes, wo Eos, die frühgeborene, Häuser, auch Plätze fröhlichen Tanzes besitzt und Helios Stätten des Aufgangs. Auflaufen ließen wir dort das Schiff auf das sandige Ufer. Neben der tobenden Brandung stiegen wir aus, und wir sanken tief in Schlummer und harrten schlafend der göttlichen Eos. Als in der Frühe die rosenfingrige Eos sich zeigte, sandte ich einige meiner Gefährten zum Hause der Kirke; […].“ [Homer: Odyssee. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 5750 (vgl. Homer-W Bd. 2, S. 184) (c) Aufbau-Verlag. Aber bereits Hesiod nennt sie als Insel im tyrrhenischen Meer. Die heutige Halbinsel Circeo, südlich von Rom, soll früher eine Insel, die Insel der Circe gewesen sein. Die Stadt Circei und der Circei mons sind nach ihr benannt. Vieles spricht dafür, dass es genau umgekehrt war und Kirke einst eine Berggöttin der Insel Circeo war und von dort in die griechische Mythologie eingewandert ist. In ihren Anfängen dürfte Kirke aber eine Todesgöttin gewesen sein. ....... Die Zauberin hatte offensichtlich zwei Leidenschaften. Erstens verwandelte sie mit Vorliebe alle Menschen die die Insel betraten in Tiere, meist Schweine, und zweitens umgarnte (bezirzte) sie bezaubernd und mit aller Raffinesse die Männer und führte sie genüsslich in das Nest der höchsten Glückseligkeit. In Picus, den Sohn des Saturn, verliebte sie sich heftig. Als er seiner Verlobten, der Nymphe Canens, treu blieb, verwandelte sie ihn in einen Specht; Ovid met. 14,320ff: „In dem ausonischen Land war Picus, der Sohn des Saturnus, König, mit Eifer bedacht auf Zucht kriegstüchtiger Rosse. Seine Gestalt war, wie du sie siehst: hier schaue des Mannes Anmut selber und schließ auf das wahre vom künstlichen Bilde. Gleich war der Schönheit der Mut, und ihm fehlte nur wenig, um viermal Schon Zuschauer zu sein fünfjährigen Kämpfen in Elis. Alle Dryaden gewann, die erwachsen in Latiums Bergen, Seines Gesichts Liebreiz, und die Mächte der Quellen begehrten Sein, die Najaden gesamt, die der kurze Almo beherbergt, Albula und des Anio Flut und Numicius' Wasser Oder der reißende Nar und des Farfarus dunkele Wogen, Die in dem Waldteich auch der Diana von Skythien wohnen Und in den Weihern der Näh. Doch alle verschmäht' er und liebte Eine der Nymphen allein, die Venilia einst nach der Sage Am palatinischen Berg dem ionischen Janus geboren. Die ward, als sie heran zu mannbaren Jahren gewachsen, Ihm, der alle verdrängt, dem laurentischen Picus, gegeben, Selten in Schönheit zwar, doch seltener noch in Gesangskunst: Canens hieß sie daher: die Sängerin. Wälder und Klippen Rührte sie, zähmte das Wild, hielt auf langwallende Ströme Nur mit des Mundes Gewalt und verweilete streifende Vögel. Während sie Lieder daheim ließ tönen mit weiblicher Stimme, Ging einst Picus hinaus, einheimische Eber zu jagen, In das laurentische Feld. Ihn trug auf dem Rücken ein Renner Feurigen Muts, und er hielt zwei Spieße bereit in der Linken; Punisches Jagdkleid deckt' ihn, geheftet mit goldener Spange. Grad in denselben Wald war auch Sols Tochter gekommen, Die, auf fruchtbaren Höhn sich neue Gewächse zu sammeln, Fern vom circäischen Land, das benannt nach ihr, sich begeben. Wie, vom Gebüsche verdeckt, nunmehr sie gewahrte den Jüngling, Stand sie erstaunt; es entfielen der Hand die gelesenen Kräuter, Und in dem innersten Mark schien brennendes Feuer zu irren. Als von der heftigen Glut ihr wiedergekehrt die Besinnung, Wollte sie gleich ihr Verlangen gestehn; doch Schnelle des Rosses Und der umringende Troß der Begleiter verwehrte den Zugang. »Doch nicht«, sprach sie, »entkommst du, wenn auch dich entrafften die Winde, Kenn ich anders mich selbst und schwand nicht alles Vermögen Unserer Kräuter dahin und sind nicht trüglich die Sprüche.« Also sprach sie und schuf ein Gebilde von trüglichem Eber, Unleibhaftig, und ließ es den Augen des Königs vorüber Laufen und gehn zum Schein in des Waldes verschlungenes Dickicht, Wo es sich engte am meisten und nicht zugänglich dem Roß war. Ohne Verzug folgt gleich, nichts ahnend, dem Schatten der Beute Picus, schwingt sich behend vom schäumenden Rücken des Rosses, Und das Gehölz durchirrt er zu Fuß in eitelem Trachten. Circe murmelt Gebet und spricht bannwirkende Worte; Dunkle Gewalten beschwört ihr Mund mit dem dunkelen Zauber, Der ihr hilft, das Gesicht, des silbernen Mondes zu trüben Oder dem Vater das Haupt zu umziehen mit wäßrigen Wolken. Jetzt auch hüllt sich in Nacht vom gesprochenen Zauber der Himmel, Und aus dem Grund wird Nebel gehaucht, und auf finsteren Wegen Schweift das Gefolge umher, und fern ist die Wache dem König. Zeit nimmt sie wahr und Ort: »Bei den Augen, womit du die meinen«, Sagte sie, »also bestrickt, und bei deiner Gestalt, o du Schönster, Die mich zwingt, die unsterbliche Göttin, dir bittend zu nahen; Lindere unsere Glut! Laß Sol, der auf alles herabsieht, Schwäher dir sein, und verschmäh nicht hart die titanische Circe.« Circe sprach's; doch rauh abweisend sie selbst und die Bitte, Redet er: »Wer du auch seist, nie bin ich der Deine: gefesselt Hält mich eine bereits und wird zeitlebens mich halten Hoffentlich. Nimmer entweih ich durch Buhlschaft unseren Ehbund, Während das Schicksal mir läßt die von Janus gezeugete Canens.« Als sie noch oft nutzlos ihn gebeten, begann die Titane: »Straflos bleibt es dir nicht, und du kehrst nie wieder zu Canens! Wessen ein liebendes Weib, das einer beleidigt, imstande, Lern aus der Tat; und ein Weib ist Circe, beleidigt und liebend.« Westwärts wendet sie sich zweimal, zwei Male gen Osten; Dreimal rührt sie ihn an mit dem Stab; drei Sprüche gesellt sie. Jener entflieht und sieht mit Verwunderung, daß er von dannen Rascher enteilt als sonst. Am Leibe gewahrt er Gefieder. Weil es ihn kränkt, daß er plötzlich als neugeschaffener Vogel Latiums Wäldern gesellt, durchbohrt er - so hart ist sein Schnabel - Knorriges Holz und verwundet im Zorn langstehende Äste. Purpurfarbe behält vom Jagdkleid auch das Gefieder; Gold, das hatte zuvor das Gewand als Spange geheftet, Zeigt sich als Flaum, und es geht um den Nacken ein goldener Streifen, Und von Picus verbleibt nichts Früheres, außer dem Namen.“ [Ovid: Verwandlungen (Metamorphoses). Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 13094 (vgl. Ovid-W Bd. 1, S. 345 ff.) (c) Aufbau-Verlag] …… Gott Dionysos, noch knabenhaft jung, lernte bei Kirke, noch bevor er zur seelischen Liebe zu einer Frau fähig war, die fleischlichen Genüsse kennen. Bei seiner Ankunft auf Naxos, in der Minute bevor er sich in Ariadne verliebte, singt er in der Oper „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss, Text Hugo von Hofmannsthal: „Circe, du hast mir fast nichts getan? Circe, Ich konnte fliehn! Sieh, ich kann lächeln und ruhn, Circe, was war dein Wille, an mir zu tun?“. …. Glaukos 8, der junge schöne Meergott, kam zu Kirke und bat sie um einen Zaubertrank, mit dem er die von ihm heiß umworbene Skylla für sich gewinnen könne. Kirke bebte vor Verlangen nach der Schönheit und Gewalt dieses Mannes und bezirzte ihn nach allen Regeln ihrer Zauberkunst. Es nützte nichts. Er hatte nur Augen für seine wunderschöne Skylla. Hinterhältig gab Kirke ihm einen Zaubertrank. Die unschuldige Skylla trank, wurde aber nicht in Glaukos verliebt, sondern in ein grässliches Ungeheuer verwandelt. ….. Auch Kalchos, der König der Daunier, war ein Liebhaber der Kirke. Sie verstieß ihn, als Odysseus zu ihr kam und verbot ihm, angesichts der zu genießenden Kraft des Odysseus, ihre Insel weiterhin zu betreten. In seiner Verliebtheit (Eros und Aphrodite trieben ihn) kehrte er aber zurück und umwarb flehend die Genossin seiner schönsten Stunden. Um den nach Liebe Schmachtenden endgültig los zu werden setzte ihm Kirke verzauberte Speisen vor und verwandelte ihn. Das Heer der Daunier zog aus und suchte den König, auch bei Kirke. Erst als der Verzauberte versprach nie mehr um sie zu werben verwandelte Kirke ihn in seine menschliche Gestalt zurück und gab ihm die Freiheit wieder; Parthen. Erot. 12. …. Odysseus verschlug es mit seinem letzten Schiff auf die Insel Aiaia. Bei der Erkundung der Insel trat ihm Hermes entgegen und gab ihm Moly, ein gegen den Zauber der Kirke wirkendes Wunderkraut. Die stets lüsterne Kirke, hoch erfreut über die Ankunft von so vielen Männern, verwandelte die Begleiter des Odysseus sofort in Schweine. Odysseus, bei ihm bewirkte wegen des Wunderkrautes sowohl der Zauber, als auch die Bezirzung nichts, zog sein Schwert, setzte es der Überraschten an die Brust und verlangte drohend die sofortige Rückverwandlung seiner Gefährten. Kirke gehorchte und die Begleiter freuten sich darüber wieder Menschen zu sein. Man versöhnte sich und Odysseue und Kirke zogen sich nach einem köstlichen Mahl und einem erfrischenden Bad zurück zu höchst göttlichem Genuss. Ein Jahr lang wurde genossen. Die Schriftsteller erzählen von bis zu 11 Kindern, die sie in diesem Jahr gezeugt haben sollen; Hesiod Theogonie 1011ff: „Kirke jedoch, die Tochter des Hélios vom Stamm Hyperíons, hat Odysseus, dem standhaft gesinnten, in Liebe geboren Ágrios und Latínos, den starken und herrlichen Helden; [und sie gebar Telégonos durch Aphrodite, die goldne;] diese herrschten weitab inmitten heiliger Inseln über das ganze hochberühmte Volk der Tyrsener.“ [Hesiod: Theogonie. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 4533 (vgl. Hesiod-W, S. 42) (c) Aufbau-Verlag]. Xenagoras nannte nach einer Lokalsage Romus Antias und Ardeas als Söhne und Plutarch nennt Romanos, den Gründer von Rom, als Sohn von Odysseus und Kirke. Nur Eustathios nennt den Eponymos des Volksstammes der Ausoner, Auson, einen Sohn der Beiden. Bei der Abreise gab Kirke Odysseus einige Ratschläge und sorgte für guten Wind (lies Odysseus >). …… In der nachhomerischen Zeit erfuhr Kirke natürlich weitere dichterische Ausgestaltungen; z. B. das kyklische Epos der Telegonie: Telegonos, der Sohn von Kirke und Odysseus sucht seinen Vater, trifft ihn, erkennt ihn aber nicht. Odysseus will den Fremdling töten, wird aber von Telegonos schwer verletzt. Der Sohn erkennt den sterbenden Vater. Nach dem Tod von Odysseus kehrte Telegonos mit dem Leichnam des Vaters, seiner Stiefmutter Penelope und seinem Halbbruder Telemachos zur Insel Aiaia und seiner Mutter Kirke zurück und bestattet Odysseus feierlich. Penelope heiratet ihren Stiefsohn Telegonos und Kirke den Telemachos. Sophokles hat den Stoff in einer Tragödie dramatisiert. Ein unbekannter Dichter führte das Thema weiter: Telemachos, der Sohn von Odysseus, tötet seine Frau Kirke und Kassiphone, die Tochter von Kirke und Odysseus und damit seine Halbschwester und Stieftochter), rächt den Mord an ihrer Mutter und schneidet Telemachos den Hals durch; Lykophron 808ff: „Beim letzten Atemzug beklagt er noch dereinst des Sohnes und der Gattin Schicksal, die der Mann ermordet und dann selbst alsbald zum Hades eilt, wenn seiner Schwester Hand so blutig ihm den Hals durchfurcht, die Glaukon´s und Apsyrtos´ Bäschen ist.“ …… Eingang in die Argonautensage erfuhr Kirke erst durch Apollonios von Rhodos. Dort kamen Medeia und Iason nach der Ermordung des Apsyrtos zu Kirke, um sich reinigen zu lassen. Kirke vollzog die vorgeschriebenen Riten, verjagte aber beide von der Insel, als sie hörte, wen sie umgebracht hatten. In der orphischen Argonautika, die eindeutig Apollonios folgt, entsühnt Kirke nicht und überträgt das Ritual dem Orpheus. …... In der bildenden Kunst ist sie nur als die Menschen-in-Schweine-Verwandlerin und als die von Odysseus Bedrohte auf Vasen, Schalen, etruskischen Aschentruhen und auf einem Gemälde in Pompei vertreten. Aischylos schrieb ein Satyrspiel „Kirke“. …… Auch Vergil erwähnt sie; Aeneis 7,10ff: „Dicht am Gestade der Circe glitten sie ruhig vorüber, wo die begüterte Tochter des Helios ständig mit hellem Singen ein Echo entlockte den unzugänglichen Hainen und in dem Prachtschloß duftende Zedern verbrannte als Nachtlicht, dann mit dem Weberkamm raschelnd strählte das feine Gewebe. Dorther vernahm man das zornige Brüllen von Löwen, die gegen Wände von Käfigen tief in der Nacht noch ungestüm tobten, hörte auch borstige Schweine und Bären wüten in Zwingern, heulen auch mächtige Wölfe: Allesamt waren sie Menschen; Circe, die grausame, hatte mit zauberkräftigen Kräutern jäh sie verwandelt, in Fell sie gehüllt und mit Schnauzen versehen. Um den frommen Trojanern solch schreckliches Los zu ersparen, fern sie zu halten der Bucht und dieser gefährlichen Küste, schwellte Neptunus die Segel mit kräftigem Fahrtwind und lenkte schnell an den Untiefen sie und der brodelnden Brandung vorüber.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17790 (vgl. Vergil-W, S. 298 ff.) (c) Aufbau-Verlag] …. Die neuere myth. Forschung versucht das Bild der Kirke von verschiedenen Seiten neu zu beleuchten und auszuloten. Die Tochter der Sonne mit starker Beziehung zur Unterwelt und zum Tod, die märchenhafte Hexe und das ewig lüsterne, die Männer umgarnende Weib, bestrafend, wer ihr nicht zu Willen ist, und belohnend den, der ein Jahr im Liebesdienst sein Bestes gab, Zauberin, Beherrscherin der Kräuterkunde, sowohl heilend als auch tötend, und Wegweiserin und Beherrscherin der Winde, eine Bandbreite, die diese Frau unsterblich und für die Subjektivierung der heutigen Frauen vorbildlich werden ließ.