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Ganymedes

GANYMEDES / GANYMED

Sohn des Tros und der Kallirrhoe 3.

Apollodor 1,140:

„Von den ihm geborenen Söhnen Ilos und Erichthonios starb Ilos kinderlos, Erichthonios aber empfing das Königtum, heiratete Astyoche, die Tochter des Simoeis, und zeugte Tros. Dieser übernahm das köniftum, nannte das Land nach sich Troia, heiratete Kallirrhoe, die Tochter des Skamandros, und zeugte die Tochter Kleopatra und die Söhne Ilos und Assarakkos und Ganymedes.“

(Apollodor von Athen: Bibliotheke, Götter und Heldensagen, übersetzt und herausgegeben von Paul Dräger. Düsseldorf / Zürich: Artemis & Winkler Verlag, 2005.)

In der kleinen Ilias und bei Euripides, Troierinnen 821 und Or. 1392, ist Ganymedes zwei Generationen jünger und Sohn des Laomedon 1. Er wird auch kurz Ganymed genannt.

Er verkörpert die Unschuld und Schönheit der frühen männlichen Jugend. In der Literatur erstmals erwähnt wird Ganymedes in Homers Ilias 20,231ff:

„…. Wieder von Tros entstammen die drei untadeligen Söhne

Ilos, Assarakos und den Göttern gleich Ganymedes,

Der als der Schönste geboren wurde der sterblichen Menschen;

Ihn entrafften denn auch dem Zeus als Mundschenk die Götter,

Seiner Schönheit zu lieb, daß er bei den Unsterblichen bleibe.“

Die Götter erfreuten sich an der knabenhaften Schönheit des Ganymedes.

Tros, der Vater, suchte den verschwundenen Sohn verzweifelt. Im Auftrag des Zeus brachte Hermes ihm die Nachricht von der neuen, göttlichen Funktion seines Ganymedes und als Entschädigung einige unsterbliche Pferde, bzw. einen goldenen Weinstock.

Der Umstand, dass die Ganymedes-Sage bereits im 8. Jh. v. Chr. voll ausgebildet bekannt war lässt ihre Entstehung im 2. vorchristlichen Jahrtausend erkennen.

Als Entführer wurden in späteren Erzählungen nicht nur die Götter, sondern auch Tantalos und Minos genannt. Bei Beiden wird Ganymedes nicht als Mensch zu den Göttern auf den Olymp entführt; er stirbt vorher (in einem Krieg, durch einen Blitz, wilde Tiere zerreißen, ein Wirbelsturm entrafft ihn) und nur seine Seele wird, unsterbliche knabenhafte Schönheit verkörpernd, in den Olymp entführt. Der Körper wird in einem Tempel des Zeus begraben.

Die fragwürdige Ausschmückung, dass Zeus ihn in menschlicher Form, aber auch in der eines Adlers selbst entführt hat, entstand erst im 4. Jh. v. Chr. in der Malerei und der Töpferkunst und dann erst in der Literatur.

…..

Dass eine erotische Beziehung, eine auch fleischliche Liebe zum schönsten aller menschlichen Knaben, hineininterpretiert wurde hat als Ursache sowohl erotische dichterische Phantasie, als auch das Bedürfnis, eigenes erotisches Verlangen und unerlaubte erotische Aktivitäten mit Knaben durch Reflektierung in die Verhaltensweisen der Götter zu legitimieren (Platon warf diesen Umstand den Kretern vor.).

Ab ca. dem 5. Jh. v. Chr. tritt zuerst in der Vasenmalerei und dann in der Literatur (Pindar, Sophokles) das päderastische Element in den Vordergrund. In Tragödien kommt Ganymedes nie vor, ab dem 4. Jh. war er aber in Komödien sehr beliebt.

Der Mundschenk der Götter, die Verkörperung der unschuldigen Schönheit der frühen männlichen Jugend wurde zum Lustknaben des Zeus herab gewürdigt und beflügelte nun auch in dieser Form einschlägig die Fantasien nicht nur der großen Geister der abendländischen Kultur.

Den frühen Kirchenvätern bot natürlich die erst sehr spät der Ganymedes-Sage hinzu erfundene päderastische Komponente in der Literatur und der darstellenden Kunst einen willkommenen Anlass für härteste Polemik im Kampf gegen diese alte Religion.

Ganymed.

Jupiter. Ganymed.

1. Jupiter. Nun, lieber Ganymed, wir sind zur Stelle. Küsse mich jetzt, und überzeuge dich, daß ich keinen krummen Schnabel, keine scharfen Klauen und keine Flügel mehr habe, wie da du mich für einen Vogel hieltest.

Ganymed. Wie, Mensch? Warst du nicht noch so eben der Adler, der herabgeflogen kam, und mich mitten aus meiner Heerde davon führte? Wie ist dir denn dein Gefieder ausgefallen, und wie bist so auf einmal zu einem ganz Andern geworden?

Jupiter. Du siehest eben so wenig einen Menschen, als einen Adler vor dir, liebes Kind! Ich bin der König der Götter, der die Adlersgestalt nur annahm, weil sie ihm zu seiner Absicht bequem war.

[ HYPERLINK "http://de.wikisource.org/wiki/Seite:Lucians_Werke_0126.jpg" \o "Seite:Lucians Werke 0126.jpg" 126] Ganymed. Wie? du wärest unser Pan? Aber wo ist denn deine Hirtenflöte, und warum hast du denn keine Hörner und keine Bocksfüße?

Jupiter. Meinst du denn, es gebe sonst keinen Gott, als Pan?

Ganymed. Gewiß keinen: wir opfern ihm ja ein Böcklein vor der Höhle, wo sein Bild steht. Du aber bist, glaube ich, einer von denen, die Menschen rauben und als Sclaven verkaufen!

2. Jupiter. Sage mir einmal, hast du den Jupiter nie nennen hören, und auf dem Gargarus HYPERLINK "http://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttergespr%C3%A4che" \l "cite_note-0#cite_note-0" [1] noch nie den Altar des Gottes gesehen, der regnet und donnert und blitzt?

Ganymed. Du bist also der saubere Gott, der neulich die Menge Hagel auf uns herabschüttelte, der, wie sie sagen, oben wohnt, und das Krachen in den Wolken macht, und dem der Vater den Widder opferte? Aber sage mir, Götterkönig, was habe ich denn Unrechtes gethan, daß du mich raubtest? Nun werden wohl die Wölfe über meine verlassenen Schafe hergefallen seyn, und sie zerrissen haben.

Jupiter. Du bist nun unsterblich und wirst im Himmel bei uns wohnen: kümmere dich nicht um die Schafe.

Ganymed. Was sagst du? Wirst du mich denn heute nicht mehr auf den Ida zurückbringen?

Jupiter. Keineswegs: ich will nicht umsonst ein Adler aus einem Gotte geworden seyn.

Ganymed. Aber da wird mich mein Vater suchen, und recht böse werden, wenn er mich nicht findet, und hernach [ HYPERLINK "http://de.wikisource.org/wiki/Seite:Lucians_Werke_0127.jpg" \o "Seite:Lucians Werke 0127.jpg" 127] werde ich Schläge dafür kriegen, daß ich die Heerde verlassen habe.

Jupiter. Er soll dich nicht wieder zu Gesichte bekommen.

Ganymed. Nein, nein: ich will wieder zu meinem Vater. Siehst du, wenn du mich wieder zurückbringst, so soll er dir noch einen Widder opfern: wir haben ja noch den großen, dreijährigen, der immer der Leithammel ist, wenn es auf die Weide geht.

3. Jupiter. Wie offen und kindlich unschuldig der liebe Junge ist! – Gieb nun diesen Dingen den Abschied, Ganymed, und vergiß deine Heerde und den Ida. Du kannst zu von hier aus (denn nun bist du bereits ein Himmelsbewohner) deinem Vater und Vaterlande viel Gutes thun. Statt Käse und Milch sollst du hinfort Ambrosia essen, und Nektar trinken: den Letztern hast du auch uns Andern einzuschenken und darzureichen. Und, was das wichtigste ist, du bist kein Mensch mehr, sondern ein Unsterblicher; einen prächtigen Stern deines Namens will ich am Himmel glänzen lassen; mit einem Worte – du sollst glückselig seyn.

Ganymed. Wenn ich aber spielen will, wer wird mit mir spielen? denn auf dem Ida hatte ich gar viele Cameraden,

Jupiter. Du sollst den Amor dort zum Gespielen und Würfel in Menge haben. Sey nur gutes Muths, mach’ ein fröhlich Gesicht, und laß dich nichts anfechten von den Dingen da unten.

4. Ganymed. Aber was soll ich denn euch helfen? Oder muß ich hier auch die Schafe hüten?

[ HYPERLINK "http://de.wikisource.org/wiki/Seite:Lucians_Werke_0128.jpg" \o "Seite:Lucians Werke 0128.jpg" 128] Jupiter. Nein, du sollst Mundschenk seyn, den Nektar besorgen, und bei Tafel aufwarten.

Ganymed. Nun das ist nicht schwer. Ich weiß schon recht gut, wie man die Milch einschenken, und den Epheubecher darreichen muß.

Jupiter. Kommst du mir schon wieder mit deiner Milch, und meinst, du hättest Menschen aufzuwarten? Hier sind wir ja im Himmel, und trinken, wie gesagt, nichts als Nektar.

Ganymed. Schmeckt denn der besser als Milch?

Jupiter. Du wirst es bald erfahren: koste ihn, und du wirst keine Milch mehr verlangen.

Ganymed. Und wo werde ich denn des Nachts schlafen? Nicht wahr, bei meinem Gespielen Amor?

Jupiter. O nein! deßwegen habe ich dich ja heraufgeholt, daß du bei mir schlafen sollst.

Ganymed. Kannst du denn nicht allein schlafen, oder ist es dir angenehmer bei mir zu liegen?

Jupiter. Allerdings, bei einem so hübschen Jungen, wie du, Ganymed.

5. Ganymed. Was kann denn die Schönheit zum Schlafen helfen?

Jupiter. Sie hat etwas angenehm Bezauberndes, das macht, daß man sanfter schläft.

Ganymed. Und doch war mein Vater immer so böse, wenn ich bei ihm lag, und wußte des Morgens viel zu sagen, wie ich mich immer hin und hergewälzt, ihn gestoßen und im Schlafe geschrieen hätte, so daß er kein Auge hätte zuthun können, deßwegen schickte er mich meistens zur Mutter schlafen. Hast du mich also, wie du sagst, nur deßwegen entführt, so bringe [ HYPERLINK "http://de.wikisource.org/wiki/Seite:Lucians_Werke_0129.jpg" \o "Seite:Lucians Werke 0129.jpg" 129] mich doch sogleich wieder zur Erde, wenn du nicht deine liebe Noth mit mir haben willst. Den ich werde dir bald genug zur Last werden, wenn ich mich so oft umkehre.

Jupiter. Angenehmer wird mir ja gar nichts seyn, als wenn ich bei dir wachen, und dich recht viel und lange küssen und herzen kann.

Ganymed. Meinetwegen magst du küssen, soviel du willst: ich werde schlafen.

Jupiter. Wir wollen schon sehen. – Nimm ihn nur mit dir, Merkur, und gieb ihm den Trank der Unsterblichkeit zu trinken: dann zeige ihm, wie er den Becher reichen muß, und bring ihn als unsern Mundschenk zurück.

(Lucian´s Werke. Übersetzt von August Fr. Pauly, 2. Band. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart, 1827)

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Ganymed.

Wie im MorgenglanzeDu rings mich anglühst,Frühling, Geliebter!Mit tausendfacher Liebeswonne

5

Sich an mein Herz drängt

Deiner ewigen WärmeHeilig Gefühl,Unendliche Schöne!Daß ich dich fassen möcht’

10

In diesen Arm!

Ach an deinem BusenLieg’ ich, schmachte,Und deine Blumen, dein GrasDrängen sich an mein Herz.

15

Du kühlst den brennenden

Durst meines Busens,Lieblicher Morgenwind,

Ruft drein die NachtigallLiebend nach mir aus dem Nebelthal.

20

Ich komm’! Ich komme!

Wohin? Ach, wohin?Hinauf! Hinauf strebt’s.Es schweben die WolkenAbwärts, die Wolken

25

Neigen sich der sehnenden Liebe.

Mir! Mir!In euerm SchooßeAufwärts!Umfangend umfangen!

30

Aufwärts an deinen Busen,

Alliebender Vater!

(Johann Wolfgang von Goethe)

…..

In allen Perioden der Philosophie und Dichtkunst, der Töpferei, der Malerei und Graphik und der Bildhauerkunst wurde das Motiv des Ganymed von Künstlern aufgenommen und in großartigen Werken der Nachwelt geschenkt.

ALKAIOS, Ganymedes, Schauspiel,

PLATON, Phaidros 255c, Platonische Liebestheorie,

ANTIPHANES, Ganymedes, Komödie, ca. 35o v.Chr.

EUBULOS, Ganymedes, Schauspiel

F. HÖLDERLIN, Ganymed, Ode, 1800

INCLUDEPICTURE "http://www.astronomia.de/images/ganymed.jpg" \* MERGEFORMATINET

Jupitermond Ganymed, Größe 5262 km