Johann Wolfgang von Goethe stellte im Jahre 1809 in einem Gespräch mit seinem Freund Friedrich Wilhelm Riemer fest:

„Die griechische Mythologie, sonst ein Wirrwarr, ist nur als Entwickelung der möglichen Kunstmotive, die in einem Gegenstande lagern, anzusehen.“
(Goethes Gespräche, 418).

Seit damals haben sich unzählige Wissenschaftler bemüht diesen „Wirrwarr“ zu entwirren. Das Ergebnis sind viele ausgezeichnete Aufsätze, Teilgenealogien und alphabetisch aufgebaute Lexika. Diese können naturgemäß keinen für den Rezipienten fassbaren Überblick bieten.

Die vorliegende Gesamtgenealogie der griechisch-mediterranen Mythologie versucht eben diese Aporie zu lösen. Erstmals sind 5.770 Göttinnen, Götter und Heroen in einer Gesamtgenealogie erfasst. Mit berücksichtigt wurden auch altitalische, etruskische und keltische Gottheiten, wenn sie einen direkten Bezug zur griechisch-römischen Religion und Literatur hatten. Auf diese Weise wurde die griechisch-mediterrane Götterwelt in ihrer überwältigenden Ganzheit sichtbar gemacht.

In der als Stammbaum wiedergegebenen Göttergenealogie geht es nur vordergründig um Verwandtschaftsverhältnisse: Gezeigt wird vielmehr eine Landkarte des antiken Weltwissens und Weltverständnisses. Sie versteht sich als Kunstwerk, ist ein ‚Work in Progress‘ und wird laufend überarbeitet und ergänzt.

Eine Gesamtgenealogie dieser Mythologie hat es in der Antike natürlich nie gegeben. Vieles ist Fantasie, Glaube und Literatur, zu widersprüchlich sind die überlieferten Verwandtschaftsverhältnisse der Gottheiten und ihrer Nachkommen in den verschiedenen Epochen und den verschiedenen Stadtstaaten.

Auch in dieser Darstellung war es nicht möglich, alle Versionen nebeneinander zu stellen. Das Ergebnis wäre unentwirrbar und unlesbar geworden. Daher wurden weniger plausibel erscheinende Alternativen ausgelassen. Alle diese Alternativen sind jedoch in den parallel zur Genealogie verfassten Begleittexten angeführt. Hier werden auf ca. 11.000 Seiten neben den 5.770 auf der Schautafel aufscheinenden Figuren weitere 2.049 Götter- und Heroennamen, die in der antiken Literatur vorkommen, aber nicht in die Genealogie einbaubar waren, beschrieben.

Hesiod folgend beginnt die graphische Darstellung mit dem Chaos und endet mit der letzten mythologischen Generation vor den ersten geschichtlich nachweisbaren Personen. Dieser Grundsatz wurde in Ausnahmefällen durchbrochen, wenn es darum ging, die Denkungsart der antiken Menschen und besonders ihre Wunschvorstellung, von einem oder von mehreren Göttinnen und Göttern direkt abzustammen, aufzuzeigen. So wurden ein Teil der Stammtafel des persischen Kaiserhauses mit ihrem mythologischen Vorfahren Achaimenes sowie historische Persönlichkeiten wie Alexander der Große und Augustus aufgenommen. Dadurch konnte sichtbar gemacht werden, dass die großen antiken Herrscher ihren Machtanspruch immer auch mit einer göttlichen Abstammung begründeten. Ebenso wird aufgezeigt, dass im christlichen Bereich diese Art der Göttlichkeit mangels der Möglichkeit der Abstammung von Christus durch den Mythos der heiligen Salbung und den Glauben an ein Gottesgnadentum ersetzt wurde; die Habsburger waren eine dieser göttlich begnadeten Familien und leiteten ihren Machtanspruch in der Erbfolge davon ab.

Das Werk zeigt, dass die „griechisch-mediterrane Mythologie“ einen gigantischen mythologisch-religiös-literarischen Komplex darstellt. Durch die Veranschaulichung wird die gewaltige Wirkung der antiken Dichtungen für die Entwicklung unserer Kultur leichter nachvollziehbar.

Der Urheber
Dieter Macek